Registrierkassen

Bonpflicht für Apotheken? Lothar Klein, 24.11.2016 10:11 Uhr

Berlin - 

Eigentlich sollte der Bundestag das lange Zeit umstrittene Gesetz gegen Steuermanipulationen mit Registrierkassen bereits in der letzten Sitzungswoche verabschieden. Wegen noch ungelöster Details zwischen Union und SPD wurde der Tagesordnungspunkt kurzfristig abgesetzt. Morgen soll ein Koalitionsgespräch den Durchbruch bringen: Es geht um die Kassen- und Belegpflicht. Es zeichnet sich ab, dass dann auch Apotheken bei jedem Verkauf einen Beleg ausgeben müssen.

Seit mehr als zehn Jahren mahnt der Bundesrechnungshof (BRH) Maßnahmen an, um Steuerbetrug mit Mogelkassen in Läden oder Kneipen einen Riegel vorzuschieben. Und seit mehr als zwei Jahren suchen Bund und Länder nach einer Lösung. Laut Schätzungen führen Manipulationen mit elektronischen Kassensystemen und Zappern zu Steuerausfällen von zehn Milliarden Euro.

Nach Informationen aus den Koalitionsfraktionen zeichnet sich jetzt folgender Kompromiss ab: Die SPD verzichtet auf die Einführung einer flächendeckenden Kassenpflicht. Damit bleiben Kleingewerbetreibende, die bisher keine elektronischen Kassen eingesetzt haben, weiter außen vor. Nur Betriebe mit elektronischen Kassensystemen müssen sich an die neuen verschärften Regeln halten und gegebenenfalls ihre Kassen umrüsten.

Im Gegenzug wird die Union voraussichtlich die von der SPD geforderte Belegpflicht akzeptieren. Dieser Punkt war lange in der Koalition hart umkämpft. Dann müssen die Betriebe für alle Bargeldgeschäfte künftig unaufgefordert einen Beleg an ihre Kunden aushändigen. Das würde dann auch in Apotheken für alle OTC- und Freiwahlverkäufe gelten. Die SPD sieht darin eine Bremse für die Umgehung der Buchung von Barverkäufen über die Kassensysteme.

Nach dem Gesetzentwurf von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) soll Ladenkassen-Betrug von 2020 an mit einer neuen Sicherheitstechnik eingedämmt werden. Ladenbesitzer mit elektronischen Registrierkassen oder Aufzeichnungssystemen müssen künftig über eine zertifizierte Sicherheitseinrichtung verfügen. Der Gesetzentwurf schreibt dafür keine bestimmte Technik vor.

Finanzbeamte dürfen demnächst auch in Apotheken unangemeldete Kassenprüfungen, eine sogenannte „Kassennachschau“ durchführen. Das Bundesfinanzministerium (BMF) geht dabei von einer durchschnittlichen Dauer von 30 Minuten aus. Die Kassennachschau wird anders als Außenprüfungen nicht angekündigt und kann laut Gesetzentwurf „von unterschiedlicher Tiefe und Dauer“ sein.

Schäubles Gesetz sieht künftig bei „dringenden Gefahren“ auch Durchsuchungen von Privatwohnungen von Steuerpflichtigen vor. Dazu soll das Grundrecht auf „Unverletzlichkeit der Wohnung“ eingeschränkt werden. Zudem werden die Kassensysteme lückenlos überwacht. Wer manipuliert, muss mit 25.000 Euro Strafe rechnen – zusätzlich zu den etwaigen Steuernachzahlungen.

Mit unangekündigten Prüfungen soll für Steuerbetrüger das Entdeckungsrisiko steigen. Sofern ein Anlass zu Beanstandungen der Kassenaufzeichnungen, -buchungen oder der technischen Sicherheitseinrichtung besteht, kann der Finanzbeamte ohne vorherige Prüfungsanordnung zur Außenprüfung übergehen. Die neue Kassennachschau ist das zentrale Kontrollinstrument in Schäubles Plan.

Die Bundesregierung beziffert die Umrüstkosten für Betriebe auf etwa 900 Millionen Euro. Die Verbände sehen einen doppelt so hohen Aufwand. Nach Schäubles Plänen sollen aber Betreiber, die sich wegen früherer Vorgaben schon eine neue Kasse angeschafft haben, diese noch bis Ende 2022 nutzen können, falls sie nicht umrüstbar ist. Nach Schätzungen des BMF müssen insgesamt 2,1 Millionen elektronische Kassen auf das neue Anti-Manipulationssystem umgestellt werden. 700.000 Kassen könnten aufgerüstet werden, 1,4 Millionen ältere Kassen müssten ausgetauscht werden.

Die ABDA sieht im Registrierkassengesetz einen Eingriff in die geschützte Schweigepflicht, insbesondere wenn sich ein Bezug zwischen Patienten und Medikation herstellen lässt. Sofern der Finanzverwaltung umfassende Zugriff auf die digitale Buchführung ermöglicht werde, müssten „die steuerrechtlichen Regelungen allerdings mit Augenmaß erfolgen“ und insbesondere die Besonderheiten der apothekerlichen Berufsausübung und der damit verbundenen Schweigepflichten berücksichtigen, „durch die das Vertrauensverhältnis der Patienten zum Apotheker und seinem Personal geschützt werden“, schrieb die ABDA in einer Stellungnahme.

Von den „weitreichenden Zugriffsrechte der Finanzverwaltung“ würden zum Teil Daten erfasst, die der strafrechtlich geschützten Schweigepflicht des Apothekers unterlägen. Insbesondere die Kombination der Angaben des Patienten und der gelieferten Arzneimittel oder Medizinprodukte sei von der apothekerlichen Schweigepflicht erfasst, so die ABDA.

Probleme hat die ABDA mit der neuen Kassennachschau, die unangekündigt und außerhalb von Außenprüfungen erfolgen kann und eine Prüfung der zu protokollierenden Grundaufzeichnungen vorsieht. Der Schweigepflicht unterworfene Apotheker könnten durch organisatorische Maßnahmen die steuerliche Auskunftspflicht und die strafrechtliche Schweigepflicht nicht miteinander vereinbaren, wie es seitens der Rechtsprechung für die Außenprüfung gefordert werde.