Teilmengen-Rabatte

„Desaster für EuGH-Verfahren“

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Berlin -

Der Bundesgerichtshof (BGH) galt lange als Hüter der Rx-Festpreisbindung – zumindest jenseits der Bagatellgrenze. Doch jetzt haben die Richter in Karlsruhe überraschen freie Preise für Teilmengen abgesegnet. Für die Apotheken kann die Entscheidung gefährlich werden: Aus Sicht von Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas erschwert die Debatte nun die Verteidigung der deutschen Arzneimittelpreisbindung gegen Angriffe von ausländischen Versendern.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) hatte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) im März einen Streit um Rx-Boni vorgelegt. Im Ausgangsverfahren ging es um ein Bonusmodell der Deutschen Parkinson Vereinigung (DPV) in Zusammenarbeit mit DocMorris. Mit Blick auf dieses Verfahren erklärt Douglas: „Die Entscheidung des BGH kommt zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, weil damit die Erforderlichkeit des deutschen Preisrechts in Frage gestellt wird.“

Douglas von der Freiburger Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen war selbst an den großen Verfahren gegen Rx-Boni beteiligt und meint: Im Hinblick auf das anstehende EuGH-Verfahren könnte man das Urteil aus Karlsruhe als „ein Desaster“ bezeichnen.

Die Entscheidung könnte den Damm zum Brechen bringen, warnt Douglas – schließlich lasse sich schwer erklären, warum das Festhalten an den Festpreisen nötig sei, wenn beim zunehmend an Bedeutung gewinnenden Blistern eine Ausnahme gemacht werde.

Besonders ärgerlich: Das Problem ist aus seiner Sicht hausgemacht. „Die BGH-Entscheidung ist auch das Ergebnis der Versäumnisse der ABDA, auf eine Regelung der Vergütung für die Verblisterung zu drängen“, ist Douglas überzeugt. Zu einer solchen Entscheidung wäre es vermutlich nicht gekommen, wenn die Verblisterung als pharmazeutische Leistung honoriert werden würde.

An einer Vergütung hätten aber wohl weder die Krankenkassen noch die ABDA ein Interesse gehabt, kritisiert Douglas. Letztere fürchte seiner Ansicht nach eine Konzentration der Heimversorgung, da kleine und mittlere Apotheken häufig keine Verblisterung anbieten könnten oder wollten und hierdurch Umsatz verlieren würden. „Das rächt sich jetzt“, fasst Douglas die zögerliche Haltung der ABDA zusammen.

In seiner Urteilsbegründung führt der BGH aus, dass die Verblisterung nicht durch eine zu enge Auslegung des Preisrechts behindert werden dürfe. Zu dieser Einschätzung wären die Richter aber wohl kaum gekommen, wenn die Verblisterung honoriert werden würde.

Tatsächlich sieht auch der Bundesverband patientenindividueller Arzneimittelverblisterer (BPAV) das Urteil kritisch. Dort fürchtet man Rückschläge bei seiner Forderung nach einer angemessenen Vergütung – denn eine Finanzierung der Verblisterung durch Nachlässe hält man angesichts der Rabattverträge für unmöglich.

Wenn ein Patient im Durchschnitt Präparate für rund 50 Euro, auf Basis von Herstellerabgabepreisen, erhalte und die Verblisterung 15 bis 20 Euro koste, müssten die Hersteller mindestens 30 Prozent Rabatt geben, rechnet Verbandschef Hans-Werner Holdermann vor. Das sei aber nicht möglich, da die Krankenkassen über die Rabattverträge bereits rund 80 Prozent erhielten.

Die ABDA will die Urteilsbegründung nun „eingehend analysieren“. Ein sich daraus ergebender Handlungsbedarf werde anschließend in den entsprechenden Gremien diskutiert, so ein Sprecher.

In dem Verfahren ging es um Rabatte, die Ratiopharm auf Arzneimittel für die Verblisterung gewährte. Die Wettbewerbszentrale hatte dagegen geklagt. Der BGH erklärte die Nachlässe allerdings für zulässig, da die Apotheken im Einzelfall nur Teilmengen abgeben. Damit greift eine Ausnahmeregelung der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Dass Apotheken im Endeffekt die ganze Packung abgeben, spielt aus Sicht der Richter keine Rolle. Unrelevant ist demnach auch, ob der Arzt die Teilmenge verordnet hat oder nicht.

Aus Sicht von Christiane Köber von der Wettbewerbszentrale hat sich der BGH bei seiner Entscheidung sehr eng an den Wortlaut des Gesetzes gehalten. An einer Stelle hält sie die Einschätzung der Richter allerdings für „lebensfremd“: Davon auszugehen, dass die Ausnahmeregelung nicht genutzt werde, um die Preisbindung zu umgehen, sei realitätsfern, moniert Köber.

Dass die Richter die enge Auslegung des Gesetzestextes bestätigt haben, sieht sie daher kritisch: „Das ist ein Einfallstor für die Umgehung der Preisbindung.“ Tatsächlich gibt es schon heute Apotheken, die etwa Spiralen in einer Bündelpackung einkaufen, auseinzeln und zu „Sonderpreisen“ an Patienten abgeben. Köber sieht nun die Politik in der Pflicht: „Wenn der Gesetzgeber das nicht wollte, wäre es jetzt eine schöne Gelegenheit, die Rechtslage anzupassen.“

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