Bürokratie-Wahnsinn

Plusminus: Leiter-Schulung in der Apotheke

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Berlin -

Präqualifizierung, Berufsgenossenschaft, Genehmigungsverfahren: Die überbordende Bürokratie verdirbt vielen Kollegen die Lust an der Arbeit. Wie gut, wenn sich TV-Reporter für das Thema interessieren. Im ARD-Magazin „Plusminus“ ließ der saarländische Kammerpräsident Manfred Saar gestern Dampf ab. Showeinlage inklusive.

Saar sei Apotheker aus Leidenschaft, beginnt der Beitrag. Keine einfache Aufgabe: Er und sein Team müssten in der Allee-Apotheke in Heusweiler rund 10.000 Medikamente kennen und erklären können und einen Vorrat für die ganze Woche an Lager haben. Umso ärgerlicher sei daher, wie kleinlich er gegängelt werde.

Ein Spiegel für die Patienten sei vorgeschrieben, zum Beispiel beim Anlegen von Kompressionsstrümpfen. Kein Problem, hätte er ohnehin gehabt, so Plusminus. Aber: „Es genügt noch nicht einmal, einen Spiegel zu haben und das zu behaupten, sondern man muss auch nachweisen, dass man einen hat“, erklärt Saar. „Dafür genügt aber auch nicht eine einfache Rechnung, sondern man muss ein Bild mitschicken. Einen Spiegel zu fotografieren ist, je nachdem wo und wie er steht, gar nicht so einfach.“

Und deshalb wurde sein erstes Foto laut Beitrag auch glatt abgelehnt. „Im ersten Anlauf hat man moniert, dass der Spiegel nur halb zu sehen war. Das war der Präqualifizierungsstelle nicht ausreichend, ich musste noch einmal ein Bild machen vom Spiegel.“

Man habe ja sonst nichts zu tun, so Plusminus. Auch eine Bohrmaschine sei Vorschrift – zum Anmessen von Bandagen. Und ebenfalls mit Foto zu beweisen. Aber was soll man damit? „Darüber rätselt die gesamte Branche seit vielen Jahren. Es gibt dazu verschiedene Theorien, was man damit gemeint haben könnte. Aber in Wirklichkeit brauchen wir die Bohrmaschine zum Anmessen von Bandagen nie. Die Vorschrift ist Unsinn.“

Noch so ein Ding: Beim Abfüllen oder Verdünnen von Alkohol ist Schutzkleidung offiziell vorgeschrieben. Macht für Großbetriebe wie BASF bestimmt Sinn, so Plusminus. Aber hier? „Für Apotheken, wo das zweimal die Woche passiert, denke ich, dass kein gesundheitsgefährdendes Problem auftritt. Sonst dürfte man auch in der Kneipe keinen Alkohol ohne Mundschutz trinken. Wäre ein bisschen schwierig“, so Saar.

Dann kommt der Apotheker aus Heusweiler mit einer Leiter ins Backoffice, wo bereits zwei Mitarbeiterinnen warten: „So meine Damen, wir machen heute Leiterschulung. Das ist eine Leiter. Hat, wie Sie sehen, drei Stufen und eine Ablage. Die Leiter ist von der Berufsgenossenschaft abgenommen.“ Und los geht der Test: „Also bitte, Stufe 1, 2, 3. Bitte festhalten. Vermeiden Sie es, sich allzu weit zur Seite zu beugen. Und auch nicht allzu sehr zurücklehnen, sonst könnte die Leiter kippen.

Saar weiter: „Vom Grundsatz her bin ich der Meinung, dass jeder den Umgang mit einer einfachen Leiter kennt und dass das nicht erklärungsbedürftig ist. Trotzdem verlangt die Berufsgenossenschaft die jährlich wiederholte Erklärung, wie man eine Leiter besteigt und benutzt. Ich halte das für überflüssig.“

Da einmal gründlich auszumisten, wäre ein tolles Projekt, so Plusminus. Vorschriften seien gut und richtig, aber nicht für alle und alles. Auch deshalb engagiere sich Saar außerhalb der eigenen Apotheke im Ehrenamt. „Von der neuen Regierung würde ich mir wünschen, dass die ganzen unnötigen Vorschriften insbesondere für Klein- und Kleinstbetriebe abschafft oder verändert werden. Auch mit dem Ziel, dass wir uns mehr um unsere Kunden kümmern und ihnen mehr gerecht werden zu können.“

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