Milchpumpen-Retax

„Wir wurden von der AOK-Mitarbeiterin ausgelacht“

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Berlin -

Die „Alte Apotheke 1691“ in Bochum bietet mehr als 150 Milchpumpen zum Verleih an. Täglich ist Mitarbeiterin Andrea Bahle mit der Bearbeitung von etwa 50 Rezepten beschäftigt – verständlich, dass da gelegentlich eine Verordnung durchrutscht. Die AOK Sachsen-Anhalt sieht das jedoch anders und widerspricht sich selbst.

Im vergangenen Jahr versorgte die Apotheke eine frisch gebackene Mutter mit einer Milchpumpe. Die Verordnung kam aus dem Krankenhaus, in diesem Fall können Mutter und Kind nur aus der Klinik entlassen werden, wenn das entsprechende Gerät zur Verfügung steht. Für die Apothekenmitarbeiter der hochfrequentierten Innenstadtapotheke ist der Verleih kein Hexenwerk – man ist fit.

Bahle kann den Verleih der Geräte am schnellsten überblicken und betreut den Bereich seit 20 Jahren. Sie weiß um die verschiedenen Vorgaben der Krankenkassen und wann wo bei wem eine Milchpumpe genehmigt werden muss. Aber im zweiten Quartal des vergangenen Jahres ist ihr das Rezept durchgerutscht. Die Quittung kam am 28. März dieses Jahres – Nullretax. Laut AOK Sachsen-Anhalt hätte vorab eine Genehmigung eingeholt werden müssen.

„Bei der AOK-Nordrhein ist keine Genehmigung nötig, wir haben nicht richtig geguckt und dann ist das Rezept durchgerutscht“, so Bahle. Um dennoch die Retaxation vom Tisch und die etwa 100 Euro für das Pumpset und die 56 Miettage zu bekommen, schrieb eine Mitarbeiterin einen Brief an die Krankenkasse. Man entschuldigte sich, schilderte den Vorgang und bat um eine Einzelfallentscheidung zu Gunsten der Apotheke. Schließlich seien die Leistung erbracht und die Kundin versorgt worden. „Wir haben auf die Kulanz der AOK Sachsen-Anhalt gehofft. Ich habe in all den Jahren noch nie eine Milchpumpe nicht genehmigt bekommen.“

Doch es sollte anders kommen. Die Krankenkasse lehnte die nachträgliche Genehmigung ab. Eine Begründung gab es nicht. Die Mitarbeiter der Apotheke gaben nicht auf und fragten telefonisch nach. Doch statt Verständnis bekam die Mitarbeiterin eine Abfuhr. Es sei „ihr Problem“, ohne eine Genehmigung gebe es auch keine Erstattung. „Wir wurden am Telefon von der AOK-Mitarbeiterin ausgelacht.“

Auf Nachfrage von APOTHEKE ADHOC konnte die AOK Sachsen-Anhalt den „geschilderten Fall leider nicht nachvollziehen“. Der Grund: „Die Versorgung mit Milchpumpen und aller damit verbundenen Dienstleistungen ist bei der AOK Sachsen-Anhalt seit 2013 bis zu einem Mietpreis von 1,30 EUR brutto pro Tag genehmigungsfrei. Ergänzend sind die Abgabe von Milchpumpenzubehör bis maximal 30,00 EUR brutto sowie von Zubehör für ein Doppelpumpenset bis maximal 36,00 EUR genehmigungsfrei.“

Weiter heißt es: „Soll eine Versorgung zu höheren Preisen erfolgen, muss dies im Vorfeld durch die AOK Sachsen-Anhalt genehmigt werden. Rechnet eine Apotheke ohne vorliegende Genehmigung einen höheren Preis ab, können wir die Rechnung bis zum genannten Höchstbeträge erstatten. Eine generelle Retaxierung dieser Rechnungen ist nicht vorgesehen.“

Dennoch wurde die Apotheke auf Null retaxiert; man hatte 1,64 Euro statt der erlaubten 1,30 Euro in Rechnung gestellt. Das Geld wird die Apotheke nicht mehr bekommen. „An die Kundin werden wir nicht herantreten, Mütter mit Kindern haben schon genug Stress“, weiß Bahle, die selbst Mutter von drei Kindern ist. „Wir wollen die Kunden ja auch nicht verärgern, schließlich sind die Kleinen unsere neuen potentiellen Kunden von morgen. Wir betreuen Familien über mehrere Generationen.“

Die Apotheke wird auch weiterhin den Kunden die Milchpumpen sofort mitgeben. „Der Säugling muss versorgt werden, wir fragen nicht nach dem Warum und ob noch Zeit für eine Genehmigung ist. Die holen wir nach der Abgabe ein. Es dauert in der Regel etwa ein bis zwei Wochen, bis die Mutter und wir die Bestätigung von der Krankenkasse erhalten.“

Junge Familien sind eine wichtige Zielgruppe für die Apotheken. Zum Dienstleistungsangebot gehört daher vielerorts auch der Verleih von Milchpumpen. Im Krankenhausbereich ist Medela führend. 87 Prozent der Kliniken in Deutschland nutzen „Symphony“ für Mütter, die beim Stillen Probleme haben. Doch auch nach der Entlassung benötigen viele Frauen das Gerät. Daher gibt es in Deutschland derzeit ein Netz von mehr als 8000 Apotheken, die als Mietstationen insgesamt 40.000 Pumpen für stillende Mütter bereitstellen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Anzahl der in Apotheken verfügbaren Pumpen fast verdoppelt; 2005 waren es erst etwa 21.000 Geräte. Die Alte Apotheke 1691 ist mehr als 150 Milchpumpen schon ein großes Haus. Im Berliner Wedding hat eine Apotheke sogar etwa 1000 Pumpen im Verleih.

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