Gematik-Anschluss

Konnektoren: Wettlauf gegen die Zeit Alexander Müller, 19.12.2019 10:20 Uhr

Berlin - 

Um künftig E-Rezepte beliefern zu können, müssen die Apotheken bis Ende September 2020 an die Telematik-Infrastruktur (TI) angeschlossen sein. Nur wann ist der richtige Zeitpunkt für die technische Aufrüstung? Noventi warnt vor Schnellschüssen – und schießt dabei gegen die Konkurrenten, die schon Konnektoren in Apotheken anbieten. Gleichzeitig laufen im Hintergrund zwischen den Beteiligten Verbänden Gespräche, damit der Start möglichst reibungslos verläuft. Es geht um Zeit, Sicherheit und ziemlich viel Geld.

Der eHealth-Konnektor ist einer von sechs Grundbausteinen für den TI-Anschluss. Hinzu kommen das stationäre eHealth-Kartenterminal, die Institutionenkarte (SMC-B), der elektronische Heilberufsausweis (HBA), ein Internetanschluss und – falls noch nicht vorhanden – das notwendige Update des Apothekenverwaltungssystems (AVS).

Die Compugroup Medical (CGM) hatte Mitte November als erster Anbieter von der Gematik eine Zulassung erhalten: Über ein Software-Update wird der Konnektor KoCoBox MED+ zum eHealth-Konnektor aufgewertet. Die Zertifizierung kann allerdings erst nach abgeschlossenem Feldtest erfolgen. Der Außendienst von CGM Lauer ist trotzdem schon in Apotheken unterwegs: Zur Ausstattung gehören ein Konnektor KoCoBox und zwei eHealth-Kartenlesegeräte. Um mit den Installationen vor dem Stichtag nicht unter Zeitdruck zu geraten, werden die Apotheken mit Frühbucherrabatten gelockt. Auch Pharmatechnik ist mit einem Aktionspreis für ein Starterset unterwegs. ADG liefert ab Februar, mit Valuta bis Ende September.

Offenbar haben die Aktivitäten der Mitbewerber für Unruhe bei den Noventi-Kunden gesorgt, deshalb gab es Anfang der Woche Post aus München. „Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen! Auch nicht von vermeintlich dringenden befristeten Angeboten von rein wirtschaftlich orientierten Unternehmen“, schreiben Noventi-Chef Dr. Hermann Sommer und Awinta-Geschäftsführer Gordian Schöllhorn an die Apotheken.

Der Zulassungsprozess für das eHealth-Update laufe gerade und werde mit Feldtests in Pilotapotheken und Pilotregionen durchgeführt. „Natürlich beteiligt sich auch Noventi an diesen Feldtests“, betont das Softwarehaus. Auch werde das Warenwirtschaftssystem Awinta zertifiziert. „Stand heute gibt es aber – wie Sie auch von Ihrem Verband gehört haben – noch keinen von der Gematik zugelassenen eHealth-Konnektor und damit auch noch keinen Nutzen“, so Sommer und Schöllhorn.

Tatsächlich können die derzeit angebotenen Konnektoren noch nicht viel mehr als die Versichertenstammdaten auslesen. Erst über das Update kommen Funktionen wie die Medikations- und Notfalldaten dazu. Mit Gematik-Zulassung und erfolgreich abgeschlossenem Feldtest ist das System flächendeckend einsatzfähig. CGM hat hier mit der eigenen KoCoBox die Nase vorn, kann vielleicht im ersten Quartal durchstarten. Die anderen Anbieter – Rise, Secunet und Telekom – werden vermutlich in Q2 nachziehen.

Weil in rund 20.000 Apotheken die neue Technik installiert werden muss, Netzwerke überprüft und gegebenenfalls Steckplätze geschaffen müssen, wollen die Softwarehäuser die Einsätze ihrer Techniker möglichst früh planen. Daher werden schon jetzt Angebote eingeholt.

Ein grundsätzliches Problem gibt es dabei auf politischer Ebene noch zu klären: Die Konnektoren, die derzeit in Arztpraxen verwendet werden und mittels Update für Apotheken gangbar gemacht werden sollen, könnten zu schnell veralten. Die IT-Experten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gehen davon aus, dass ein Schlüsselsystem nach spätestens fünf Jahren ersetzt werden soll, um das Hackerrisiko zu minimieren. Die Gematik sieht derzeit vor, dass die Konnektoren mindestens vier Jahre halten sollen.

Diese Frist könnten die aktuellen Konnektoren reißen, weshalb derzeit an zwei Stellen verhandelt wird. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) sitzt mit Gematik und BSI zusammen, ob die Frist für die Konnektoren nicht um ein Jahr verlängert werden könnte. Vermutlich müsste auch der GKV-Spitzenverband dem zustimmen, schon mit Blick auf die mit dem DAV verhandelte Refinanzierung. Auf der anderen Seite versuchen die Softwarehäuser von den Konnektor-Herstellern neue Chargen zu bekommen, die mit einer „frischen“ Verschlüsselungstechnik arbeiten, elliptische Kurven ist das Zauberwort.

Die Softwarehäuser stehen also unter großem Druck: Einerseits müssen sie pünktlich liefern, andererseits die Refinanzierung durch die Kassen gewährleisten. Zwar ist noch keine Sanktion an den Stichtag gebunden, doch irgendwann dürfte auch den Apothekern finanzielles Ungemach drohen. Bei den unwilligen Ärzten hat die Politik den Druck schließlich auch erhöht.

Noventi steht vor der besonderen Herausforderung, vor der der Branchenprimus immer steht: Alle Neuerungen müssen für verschiedene Produktlinien entwickelt werden. Dass man derzeit zurückhaltender vorgeht als die Konkurrenz, soll die Kunden aber nicht verunsichern: Deshalb versprechen Sommer und Schöllhorn in ihren Brief an die Apotheker, dass alle IT-Komponenten „garantiert förderungsfähig sind und alle notwendigen Zulassungen enthalten“. Nach Abschluss der Feldtests und der Verfügbarkeit der Komponenten werde man mit den Auslieferungen beginnen, voraussichtlich im zweiten Quartal. Außerdem sei man an allen in Deutschland wesentlichen Projekten zum E-Rezept beteiligt, darunter das Gerda-Projekt des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg (LAV). Ebenso arbeite man intensiv am Aufbau von Plattformen, etwa mit callmyApo und Pro AvO, so die Noventi-Spitze.