Zusatzgebühren für Apotheken

Konnektoren-Kartell? Red Medical mahnt Softwarehäuser ab

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Berlin -

Der Streit um Marktanteile beim Anschluss der Apotheken an die Telematikinfrastruktur (TI) eskaliert: Konnektorenanbieter Red Medical mahnt derzeit die großen Softwarehäuser ab und fordert von ihnen, die „Strafzölle“ für die Anbindung von „Fremd-Konnektoren“ an ihre Warenwirtschaftssysteme zu unterlassen. Die dienten demnach ausschließlich dazu, auf Kosten der Apotheken einen Wettbewerber aus dem Markt zu halten. Die beauftragte Rechtsanwaltskanzlei wirft den Unternehmen vor, gegen das Wettbewerbs- und das Kartellrecht zu verstoßen. „Am Ende sollen die Apotheker abgezockt werden, denn sie sollen doppelt bezahlen“, sagt Red-Geschäftsführer Jochen Brüggemann und hofft auf Mithilfe aus der Branche.

Die große Mehrheit der Apotheken hat sich bereits für einen Konnektorenanbieter entschieden, der Kuchen ist also fast vollständig verteilt. Brüggemann ist sich aber bereits sicher, dass sein Stück kleiner ist als es ihm zustehen würde: „Wir liegen momentan bei rund 1000 Apotheken, die sich für unsere Lösung entschieden haben“, sagt er. „Wenn sie ein Angebot machen, das 1500 Euro günstiger und gleichzeitig bequemer als das aller Mitbewerber ist, wie hoch schätzen sie den potenziellen Markterfolg ein? Ich glaube, dass die Zahl unserer Kunden leicht beim Fünffachen hätte liegen können.“ Und tatsächlich sah es anfangs so aus, als könnte Red Medical wesentlich mehr Apotheken anbinden und damit an sich binden: Verträge mit Kooperationen wie Easy oder den Guten-Tag-Apotheken, aber auch mit dem ARZ Haan weckten große Erwartungen. Das Interesse war groß, denn die Lösung des Münchner Unternehmens unterscheidet sich nicht nur im Preis wesentlich von der Konkurrenz bei Noventi, CGM, Pharmatechnik und ADG. Statt in der Apotheke werden die Konnektoren bei Red Medical zentral in den Rechenzentren gehostet, was vor allem Wartungsaufwand sparen soll.

Doch ganz so einfach ist es nicht, zumindest nach Angaben der großen Softwarehäuser. Die verlangen dem Vernehmen nach meist knapp unter 1000 Euro zusätzlich für den Anschluss sogenannter „Fremd-Konnektoren“. Laut einer Preistabelle, die Pharmatechnik im Mai vergangenen Jahres einer Apothekenkooperation unterbreitete, waren es zumindest zu jenem Zeitpunkt einmalig 990 Euro für den Fremdanschluss sowie 49 Euro im Monat für die „Integrationsschnittstelle Fremd-TI“. Andere Anbieter sollen sich preislich in denselben Regionen bewegt haben, bei Noventi wurde der Aufschlag vergangenes Jahr durch eine Preisaufstellung des Außendienstes, die an die Öffentlichkeit gelangte. Noventi hatte sich danach bei Red Medical entschuldigt. Dabei seien bereits die Begriffe „Fremd-Konnektor“ und „Fremd-TI“ irreführend, denn die Spezifikationen der Gematik schreiben vor, dass jede zertifizierte Software mit einem zertifizierten Konnektor zusammenarbeiten können muss, ohne dass es einer zusätzlichen Hardware, Software oder Installation bedarf, wendet Brüggemann dagegen ein. Die Installation eines solchen „Fremd-Konnektors“ bestehe im Wesentlichen daraus, die Client-ID, die Mandanten-ID, Arbeitsplatz-ID sowie die IP-Adresse des Konnektors in ein Formular einzutragen.

Vier Zahlen eintragen also – und dafür wollen die Softwarehäuser fast 1000 Euro von den Apotheken? Das zumindest wirft ihnen Red Medical vor. „Wir wissen davon, dass verschiedene Softwarehäuser nach wie vor beim Anschluss der TI-Komponenten von Red Medical neben dem normalen TI-Modul zusätzliche Gebühren für die Schnittstelle oder die Integration sogenannter ‚Fremd-Konnektoren‘ erheben. Für diese Gebühren gibt es keine nennenswerte Gegenleistung, weil diese standardisierten Schnittstellen ohnehin Teil der TI-Softwaremodule sind“, sagt Brüggemann. „Absicht ist einzig und allein, uns gezielt zu behindern.“

Opfer sei dabei nicht nur sein Unternehmen, sondern auch die Apotheken. „Mit ein und derselben Handlung werden zwei Parteien gleichzeitig geschädigt, nämlich wir als Mitbewerber und die Apotheken als Kunden. Die Warenwirtschaftsanbieter nutzen damit ihre Machtposition gegenüber den Apotheken in illegaler Weise aus“, sagt Brüggemann. „Ich glaube, dass hier versucht wird, aktiv auf dem Rücken der Apotheker Marktpositionen zu zementierten und Wettbewerber aus dem Markt zu drücken. Viele Apotheker haben mit großer Empörung und dem Hinweis reagiert, dass das nicht das erste Mal sei, dass so etwas passiert. Bei den TSE-Modulen lief es ja offensichtlich ähnlich ab.“

Nach einem Jahr hat es Brüggemann deshalb gereicht. Er beauftragte die Rechtsanwaltskanzlei Friedrich Graf von Westphalen, die nun seit Montag verschiedenen Softwarehäusern Abmahnschreiben samt Unterlassungserklärung zukommen lässt. „Die genannten Kostenpunkte haben allein den Zweck, den Preis für das Produkt unserer Mandantin künstlich zu erhöhen und Kunden, die ihre Warenwirtschaftssoftware bei Ihnen beziehen, vom Bezug bei unserer Mandantin abzuhalten“, heißt es darin. „Dieses Geschäftsmodell ist sowohl wettbewerbs- als auch kartellrechtswidrig.“

Denn es handele sich sowohl um eine wettbewerbswidrige gezielte Behinderung gemäß § 4 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Eine solche gezielte Behinderung liegt demnach vor, wenn die Maßnahme in erster Linie nicht auf die Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung, sondern auf die Beeinträchtigung der eines Mitbewerbers gerichtet ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann. Das sei hier gegeben, denn: „Die von Ihrem Unternehmen geforderten Entgelte dienen keinem anderen Zweck, als den Kunden, die ihr Warenwirtschaftssystem bei Ihnen beziehen, den Zugang zur Leistung unserer Mandantin zu verwehren“, so Wettbewerbsexpertin Dr. Anne Bongers-Gehlers. Da Red Medical kein eigenes Warenwirtschaftssystem anbietet, seien die Kunden darauf angewiesen, das von den Softwarehäusern zu beziehen. „Obwohl die Verbindung zwischen Ihrem Warenwirtschaftssystem und dem Angebot unserer Mandantin technisch ohne weiteres möglich ist, insbesondere keine weiteren Zusatzleistungen erforderlich sind, verhindern Sie jedoch durch die Erhebung nicht gerechtfertigter Entgelte einen Bezug des Konnektors über unsere Mandantin.“

Außerdem seien die „Strafzölle“ kartellrechtswidrig gemäß § 20 Absatz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) – nämlich unter dem Gesichtspunkt einer unbilligen Behinderung: Haben Unternehmen eine relative Marktmacht, die dazu führt, dass andere Unternehmen von Ihnen abhängig sind und dem nicht ausweichen können, dürfen sie andere Unternehmen demnach nicht unbillig behindern. „Die Apotheken, die von Ihnen ihr Warenwirtschaftssystem beziehen, sind insofern von Ihrem Unternehmen abhängig, als sie nur unter Inkaufnahme gewichtiger Nachteile den Anbieter der Software wechseln können“, so Bongers-Gehlers. „Ein Wechsel des Anbieters des Warenwirtschaftssystems allein, um den Konnektor nicht auch von Ihrem Unternehmen beziehen zu müssen, ist für die Apotheken nicht zumutbar, da der Wechsel des Warenwirtschaftssystems mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist, den die Apotheken üblicherweise nicht in Kauf nehmen.“

Den Schreiben liegt eine Unterlassungserklärung bei. Werden die nicht innerhalb der Frist rechtsverbindlich unterzeichnet, werde Red Medical unverzüglich gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Im Übrigen liege im Verstoß gegen das GWB zugleich ein Kartellverstoß vor: „Unsere Mandantin behält sich insoweit vor, die zuständigen Kartellbehörden zu informieren.“ Die mutmaßlich betroffenen Unternehmen haben sich auf Anfrage noch nicht zu dem Fall geäußert – nur ADG gibt an, keine Abmahnung erhalten zu haben. Brüggemann wiederum kündigt an, in den kommenden zwei Wochen seine Kunden informieren zu wollen. „Eine Abmahnung haben wir bereits versendet, die anderen folgen im Laufe der nächsten Tage. Von den größeren Softwarehäusern sind nach jetzigem Stand wahrscheinlich alle betroffen.“

Nicht Teil der Abmahnungen sind etwaige Schadenersatzforderungen. Er erwäge, gegebenenfalls auch das zu prüfen. „Die konkreten Auswirkungen auf unser Geschäft sind nur schwer zu beziffern. Die Behinderung ist aber absolut spürbar und hat Apotheken aktiv davon abgehalten, bei uns zu buchen“, sagt Brüggemann. „Die zusätzlichen Kosten für den Anschluss der Warenwirtschaftssysteme waren stets das Hauptargument, unser Angebot nicht zu nutzen. Wenn sich ein Apotheker gegen uns entschieden hat, dann immer aus diesem Grund.“ Deshalb gehe er auch davon aus, dass Apotheken nach Unterzeichnung der Unterlassungserklärung ein Recht auf Wandlung hätten, weil sie das Angebot unter Vorspielung falscher Tatsachen angenommen haben. „Für uns ist aber erst einmal das Wichtigste, unsere bestehenden Kunden vor diesen Machenschaften zu schützen und für die noch unentschiedenen Apotheken einen fairen Wettbewerb der Anbieter herzustellen.“

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