Köln

Der Botendienst-Apotheker

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Berlin -

In ganz Köln bewirbt die Apotheke am Neumarkt ihren neuen Lieferservice. So will Inhaber Dr. Axel Vogelreuter der Konkurrenz aus dem Internet Paroli bieten. Dabei nimmt er in Kauf, womöglich seine Mitbewerber vor Ort zu verärgern.

Vogelreuter erhielt im Dezember 1994 seine Approbation. Seit elf Jahren ist er in der Apotheke am Neumarkt tätig, die zum Linda-Verbund gehört. Zum 1. Oktober 2016 übernahm er sie vom Vorgänger Rainer Kassubek. „Wir sind in den 19 Jahren seit der Eröffnung zu einer bekannten Größe in Köln geworden“, sagt der Inhaber. Der Fokus liege auf einer hochwertigen Beratung, man strebe die Qualitätsführerschaft an. „Deswegen haben wir uns bewusst für einen anderen Personalschlüssel entschieden, als er in anderen Apotheken üblich ist“, erläutert Vogelreuter. „Bei uns arbeiten derzeit 13 Apotheker und sieben PTA. Approbierte haben noch ganz andere Beratungsoptionen als PTA.“

Das Grundkonzept spiegele sich in der reduziert und nüchtern gehaltenen Einrichtung wider. „Hier machen sie keinen Slalom um Freiwahlschippen. Wir haben im Schaufenster auch keine Vividrin-Pappen mit toten Fliegen daneben.“ Doch die Welt drehe sich weiter, und auch die Apothekenwelt sei sehr im Wandel begriffen, sagt Vogelreuter. „Man muss sich überlegen, wie man mit der Situation umgehen will. Ich kann sagen, ‚Politiker, tut etwas!‘ Oder ich überlege mir, wie ich mich positioniere, um meine Apotheke zukunftsfähig aufzustellen.“

Seit ihrer Eröffnung verfüge die Apotheke am Neumarkt über eine Versandhandelserlaubnis. Die wollte Vogelreuter nun zum Aufbau eines Lieferservice aktivieren. „Wir müssen den Kunden da abholen, wo sein Bedürfnis liegt“, sagt der Kölner Apotheker. „Zum einen haben wir zunehmend ältere, kranke oder in ihren Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkte Kunden, deren Medikamentenversorgung wir sicher stellen werden. Zum anderen ist mit dem Internet der Convenience-Gedanke stärker geworden. Da können wir flexibler reagieren als der Versandhandel. Wenn ein Kunde sagt, er sei jetzt an seinem Arbeitsplatz und wolle sein Medikament um 20 Uhr nach Hause geliefert bekommen, dann können wir das einrichten.“

Doch vor dem Start in den Lieferdienst stand eine scharfe Kalkulation. Um wirtschaftlich zu arbeiten, konzentriert sich Vogelreuter auf ein bestimmtes Segment. „Der Versandhandel stürzt sich auf den OTC-Bereich. In meinen Augen liegt darin nicht der Segen“, meint er. „Die Marge ist niedrig, und die Kosten lassen sich nur schwer wieder hereinholen.“ Ganz anders sei das bei Rx-Medikamenten. „Bei jedem Rezept gibt es im Schnitt einen Rohertrag im zweistelligen Euro-Bereich. Je mehr Kunden ich beliefere, umso attraktiver wird es. Je enger das Netz geknüpft wird, umso profitabler kann ich arbeiten. Es macht einen Unterschied, ob ich nur für ein Rezept herausfahre oder noch zwei, drei andere Kunden anfahren kann.“

Im Mai begann Vogelreuter mit den Vorbereitungen. „Das waren vier kurze, aber sehr intensive Monate. Der Aufwand ist erheblich, hier müssen Prozesse eingeführt und zusätzlich Personal eingestellt werden, das kann man nicht so einfach nebenher machen.“ Eine Herausforderung nach der anderen galt es zu meistern. So wurde für den Botendienst eine eigene Rufnummer eingerichtet. „Eine Telefonanlage ist nicht einfach in zwei Tagen umgeschaltet“, sagt der Apotheker.

Für die Disposition sei eine spezialisierte Software erforderlich. „Wir brauchen sie zur Berechnung der effizientesten Routen, der Fahrer muss touroptimiert arbeiten.“ Doch in ihre Bedienung habe man sich erst einmal einfuchsen müssen. Auch die Abstimmung mit der Agentur, die die PR-Mittel gestaltet und unter die Menschen bringt, brauchte ihre Zeit. „Dabei haben wir uns auch genau überlegt, welche Kanäle wir bedienen wollen.“

Mit dem Start des Lieferservice am 1. September lief die Werbung „bewusst dosiert“ an, wie Vogelreuter sagt. „An Bestellungen zu ersticken und dann nicht liefern zu können, ist das Letzte, was ich möchte.“ Im Laufe der nächsten zwölf Monate wird das Plakat für den Botendienst auf einem digitalen Großbildschirm – in Fachkreisen „Roadside Screen“ genannt – an Ampeln einer großen Ausfallstraße mit viel Verkehr zu sehen sein. Die Botschaft ist knapp genug gehalten, um in der Rotphase wahrgenommen zu werden: „Wir holen Ihre Rezepte bei Ihnen ab. Dann bringen wir Ihre Medikamente. Kostenlos.“ Die Standorte wechseln alle vier Wochen, sie decken wichtige Gebiete im Umkreis der Innenstadt ab. Printwerbung ist angedacht, weitere Maßnahmen sind in Planung.

Die Personalplanung erfolgt ähnlich behutsam. Vorerst kümmert sich ein neu eingestellter Approbierter als Projektleiter allein um den Versand. Dazu gesellt sich ein Fahrer. Ein weiterer arbeitet auf Zuruf, falls sein Kollege ausfällt oder das Bestellaufkommen mal höher ausfallen sollte als erwartet. „Der Aufbau braucht seine Zeit. Wenn der Botendienst gut anläuft, werde ich das Personal weiter aufstocken.“

Natürlich sei ihm bewusst, dass er mit der Werbung an befahrenen Ausfallstraßen seine Kollegen im jeweils angrenzenden Stadtviertel verärgern könnte, so Vogelreuter. „Ich bin der Letzte, der auf Krawall gebürstet ist und mir ist klar, dass ich damit nicht nur Freunde gewinne. Aber dies ist ein Markt und wir haben einen Wettbewerb.“

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