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Kein Geld von AvP: Jetzt sprechen die Anwälte

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Berlin -

Dienstagmittag und noch immer warten viele Apotheker auf ihr Geld von AvP, das eigentlich längst auf ihren Konten sein sollte. Die Steuerberater und Rechtsanwälte der Inhaber verlieren allmählich die Geduld mit dem Rechenzentrum und setzen Fristen.

Seit einer Woche hat AvP Probleme mit der Auszahlung an die Apotheken. Rund 350 Millionen Euro wurden nicht pünktlich ausgeschüttet. Zwar hat sich Wettstein bei seinen Kunden entschuldigt und versichert, dass alle Forderungen händisch überwiesen werden, doch bei vielen Kollegen ist offenbar noch nichts angekommen. „Bei uns hat sich kein Mandant gemeldet, dass er Geld bekommen hätte – alle, die sich gemeldet haben, haben nichts bekommen“, berichtet Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger.

Viele Apotheker fragen sich, wie sie jetzt mit dem Problem umgehen sollen, zumal schon die nächste Rezeptabholung naht. „AvP hat am Freitagnachmittag nach unseren Informationen jedenfalls einem Teil seiner Kunden mitgeteilt, der Überweisungsauftrag sei erteilt. Spätestens am Montag hätten diese Kunden das Geld auf ihrem Konto“, erklärt Bellinger gegenüber APOTHEKE ADHOC. AvP habe ausweislich des eigenen Briefpapiers die Commerzbank als Hausbank, während die meisten Apotheker das Zielkonto aber bei der Apobank hätten. Von daher sei kaum zu erwarten, dass eine Überweisung, die am Freitagnachmittag erfolgte, am Montagvormittag oder -nachmittag im Zielkonto gutgeschrieben sei.

Allerdings ist die Ankündigung von Wettstein, „die Zahlungen für Ihre Rezepte sind sicher auf dem Weg“, laut Bellinger nicht so präzise, „wie ein Jurist sich das wünschen würde“. Wenn AvP den Überweisungsauftrag am Freitag erteilt habe, müsse AvP am Montag über eine Bescheinigung der Hausbank verfügen, dass der Betrag überwiesen wurde, also die Commerzbank verlassen habe. Bellinger: „Von daher wäre es sicher geschickter gewesen, wenn Wettstein formuliert hätte: ‚Die Zahlung an Sie ist von unserer Hausbank ausgeführt worden.‘“

Wenn man bankübliche Wertstellungspraxen unterstelle, hätte eine Überweisung vom Freitagnachmittag von der Commerzbank an ein anderes Bankinstitut spätestens am Dienstag gegen 11 Uhr auf dem Empfängerkonto als Zahlung sichtbar sein müssen. In (§ 675s Abs. 1 Satz 1 BGB heißt es dazu: „Der Zahlungsdienstleister des Zahlers ist verpflichtet sicherzustellen, dass der Zahlungsbetrag spätestens am Ende des auf den Zugangszeitpunkt des Zahlungsauftrags folgenden Geschäftstags beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingeht.“ Wenn die Überweisung immer noch nicht erkennbar sei, müsse AvP damit rechnen, dass die Apotheker ihre Kündigungsmöglichkeiten aus dem Vertragsverhältnis ausschöpften, so Bellinger. Das Recht zur fristlosen Kündigung könne in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht abbedungen werden.

Bei einem Zahlungsverzug würden wenige Tage laut Bellinger wahrscheinlich nicht für eine fristlose Kündigung reichen. Komme allerdings die Ankündigung hinzu, dass das Geld „sicher auf dem Weg“ sei, berühre die Richtigkeit dieser Ankündigung das unabdingbare Vertrauensverhältnis massiv. Dabei werde man die Aussage aus dem Empfängerhorizont nur so interpretieren können, dass die ausführende Bank – Commerzbank für AvP – das Geld zugunsten des AvP-Kunden freigegeben habe in einer Art, die eine Gutschrift auf dem Empfängerkonto nicht mehr offenhalte. „Daran muss sich AvP messen lassen“, so der Steueranwalt.

Sollte AvP hier einer IT-Panne zum Opfer gefallen sein, würde das schon wegen des Beispiels mit der Apobank eigentlich jeder nachvollziehen können, so Bellinger weiter: „Das könnte wirklich jedem passieren. Dann gehörte allerdings eine zeitnahe, offene, eindeutige, belastbare und vertrauensbildende Kommunikation dazu. Und da muss sich AvP vorhalten lassen, dagegen eklatant verstoßen zu haben.“

In diesem Punkt stimmt Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas von der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen mit seinem Kollegen Bellinger überein. Die ausbleibende Kommunikation mit den Kunden seitens AvP sei ein Unding. Aktuell liegen dem Anwalt „keine gesicherten Kenntnisse zum Hintergrund der ausbleibenden Zahlungen“ vor, so Douglas. „Faktisch ist von technischen Problemen bis hin zu einer bevorstehenden Insolvenz alles denkbar.“ Hierzu kursierten unterschiedlichste Informationen – zum Teil allerdings auch von interessierten Dritten, so der Anwalt.

Zur rechtlichen Einordnung beschreibt Douglas mit Verweis auf die Verträge und AGB, wie die Abtretung der Forderungen gegenüber den Krankenkassen an die AvP aus seiner Sicht geregelt ist: Sämtliche Forderungen gegenüber den Kassen seien „bereits jetzt abgetreten“ und stünden damit bereits jetzt AvP zu. „Die Forderungen entstehen nicht erst mit der Aushändigung der Verschreibungen in Papierform, sondern bereits mit Aushändigung des Arzneimittels an den Versicherten, spätestens mit Bedruckung der Verschreibung und Versand der elektronischen Daten zu der Verordnung.“ Mit anderen Worten: Es nützt gar nichts, eingereichte Rezepte zurückzufordern.

Als Optionen listet Friedrich Graf von Westphalen einerseits eine außerordentliche, fristlose Kündigung. Diese sollte allerdings ausführlich begründet sein, um sich rechtlich abzusichern. Sämtliche bereits entstandenen Forderungen stünden allerdings weiterhin AvP zu. Douglas weist aber darauf hin, dass eine Kündigungswelle und der damit verbundene umfassende Umsatzverlust „bei AvP zum Genickbruch führen“ könnte.

Als Alternative zur Kündigung bringt der Anwalt Verhandlungen mit AvP ins Spiel, „um vertragliche Anpassungen vorzunehmen, um Sie im Falle einer Insolvenz, die zwar aktuell nicht unmittelbar bevorsteht, aber nicht ausgeschlossen werden kann abzusichern“. Vor allem die Abtretungsvereinbarung müsse dann aufgehoben und eine „rein schuldrechtlich wirkende Einziehungsermächtigung vereinbart werden“. Die Apotheker sollten zudem einen Nachweis über die Existenz von Treuhandkonten verlangen.

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