Kontingentierung

Januvia: Ein Engpass, zwei Begründungen

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Berlin -

Leere Fächer sorgen in den Apotheken immer wieder für Ärger, Unmut und Unverständnis. Gründe gibt es viele und genauso viele werden auch kommuniziert. Im Falle von Januvia (Sitagliptin, MSD) werden Kontingentierung und ein Hacker-Angriff für die Lücken in den Regalen verantwortlich gemacht.

Januvia defekt! Eine Tatsache, die einen Apotheker aus Nordrhein-Westfalen verärgerte. Über den Großhandel konnte er keine Ware beziehen – benötigt waren die Stärken 25 mg, 50 mg und 100 mg zu je 98 Tabletten. Über die vollversorgenden Großhändler ist die Ware „schon lange nicht lieferbar“, so der Apotheker.

Einzige Möglichkeit die Kunden zu versorgen, ist die Bestellung im Webshop. MSD bietet Januvia bei Pharma-Mall zur Bestellung an. Versorgt werden kann dann nicht am gleichen Tag, wie bei der Großhandelsbestellung üblich, sondern binnen zwei bis drei Werktagen. Einen weiteren Haken hat die Order noch: „MSD hat für Januvia das MSV-3-Verfahren nicht freigeschalten“, so der Apotheker. „Wenn sie sich dazu entschlossen haben, den Großhandel nicht ausreichend zu beliefern, dann sollten sie es aber nicht so kompliziert machen“, beschwerte er sich beim Hersteller.

Der Ärger summierte sich, nachdem der Apotheker versuchte im Webshop zu bestellen und eine wahre Odyssee begann. Kundennummer-Daten stimmten laut Pharma-Mall nicht und laut MSD doch – nach unzähligen Gesprächen und dem Mitteilen der Kundennummer von MSD an den Webshop konnte der Apotheker dann doch bestellen. Ein Zeitaufwand, der nicht nur Nerven sondern vor allem Arbeitszeit kostet. Ein erheblicher Aufwand, den die Apotheken leisten müssen, um an die Ware zu kommen. „Ich bin es langsam leid.“

Der Engpass wird Seitens MSD unterschiedlich begründet. Zum einen das unerklärliche Verschwinden von Ware im Markt. Unternehmen vermuten, Großhändler oder Apotheker würden Ware in erheblichem Ausmaß in andere europäische Länder exportieren. Denn: Im europäischen Vergleich befinden sich Arzneimittelpreise in Deutschland in den letzten Jahren zunehmend am untersten Rand des Preisniveaus. Mit Hilfe der Kontingentierung versucht MSD, das Abziehen von Ware aus dem deutschen Markt zu unterbinden und liefert nur in Häppchen an die Großhändler aus. Ist das Kontingent erschöpft, müssen die Apotheken in den Webshops bestellen. Auch hier ist die Menge begrenzt. Ärgerlich für Apotheker mit einem erhöhten Bedarf, wie zum Beispiel jene, die sich in unmittelbarer Nähe eines Diabetologen befinden.

Zum anderen begründet MSD „den temporären Engpass beim Großhandel“ mit einem Hacker-Angriff Ende Juni. Weltweit das System von MSD angegriffen und „die komplette Infrastruktur war betroffen“. Auch die Telefonanlage fiel aus, so konnten Apotheker nicht wie gewohnt betreut werden. Sonst liege der direkte Durchstellerfolg bei etwa 80 Prozent.

Zum Glück verfügte das Unternehmen über ein analoges Fax, das „sofort für die Bestellung genutzt wurde“, und so der Engpass so gering wie möglich gehalten werden konnte. Im Notfall könnten Apotheken auf den Online-Shop ausweichen, so das Unternehmen.

Auch AstraZeneca kämpft mit verschwundenen Packungen und wickelt Direktbestellungen seit November 2015 nur noch über Pharma Mall ab. Apotheker fühlten sich von Beginn an in das Direktgeschäft gedrückt, wenn Arzneimittel nicht über den Großhandel lieferbar waren. Während in den Regalen der Großhändler gähnende Leere für Forxiga herrscht, scheint das Lager von Pharma Mall voll. „Versorgungsregulatorisch ist das Nonsens“, schimpfte ein Apotheker in den vergangenen Tagen. „Für uns bedeutet das einen enormen Mehraufwand. Das ist Wahnsinn!“

In puncto Warenwirtschaft ist die Bestellung ein enormer Aufwand – denn für eine Packung sei so viel Arbeit wie für eine Großhandelsbestellung nötig, die aus mehreren Wannen besteht. Ein Irrsinn, denn für jede Packung erfolgt eine Zustellung und eine gesonderte Rechnung. Wird an aufeinanderfolgenden Tagen je eine Packung bestellt, bedeutet das auch entsprechend viele Pakete und Rechnungen.

AstraZeneca liefert Forxiga nur noch kontingentiert aus, denn das Antidiabetikum sei durch Nutzenbewertung und Preisverhandlungen im europäischen Vergleich auf dem niedrigsten Preisniveau. Antidiabetika von AstraZeneca sind im Ausland im Schnitt 50 Prozent teurer. „Seitdem der Erstattungspreis für die Marktteilnehmer sichtbar ist, ist die Nachfrage nach den betroffenen Produkten auf Seiten des pharmazeutischen Großhandels enorm gestiegen“, so eine Sprecherin zur Entscheidung. Ob die Produkte ins Ausland verkauft würden, kommentierte sie nicht.

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