Interview Overwiening/Engelen

Nicht jeden Fehler selbst machen

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Berlin -

Die Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe haben ein System etabliert, über das Apotheker anonym Fehler und Beinahe-Fehler in der Praxis melden können. Im Interview sprechen die Kammerpräsidenten Gabriele Regina Overwiening (Westfalen-Lippe) und Lutz Engelen (Nordrhein) über Professionalität in Apotheken, die Erwartungen an das Projekt und eigene Fehler.

ADHOC: Wie kann man aus Fehlern lernen?
ENGELEN: Es geht um Fehlerstrukturen: Manche Fehler treten aufgrund besonderer Umstände nur in der eigenen Apotheke auf. Diese werden mit dem im QMS verankerten Fehlermanagement aufgedeckt. Andere Fehler könnten aber überall vorkommen. Solche systemimmanenten Fehler können durch bessere Abläufe vermieden werden. Es geht um eine Steigerung der Professionalität: Je weniger Fehler passieren, desto professioneller ist eine Apotheke.

ADHOC: Aus welchem Fehler haben Sie in Ihrer Apotheke gelernt?
OVERWIENING: Ich möchte verständlicherweise keinen konkreten Fehler benennen. Wir wissen aber, dass unklare Verordnungen eine häufige Fehlerquelle darstellen. Darum checken wir Unklarheiten auf einem Rezept stets im Vier-Augen-Prinzip, und zwar mit einer offenen Fragestellung. Die lautet dann: „Was liest Du hier auf dem Rezept“, und nicht: „Du liest doch auch, dass da X in der Dosierung Y verordnet wird?“
ENGELEN: Das Qualitätsmanagement der Grenzland-Apotheke ist seit 2003 DIN-zertifiziert. Dazu gehört auch ein Fehlermanagement. Ein Beispiel: Wir messen oft Kompressionsstrümpfe an. Danach schließt sich der Bestellprozess beim Hersteller an. Dieser wurde anfangs nicht hinterfragt. Wir mussten dann feststellen, dass eine Lieferung nicht erfolgte. Das Fax hatte den Hersteller nicht erreicht – obwohl eine Sendebestätigung vorlag. Seitdem haben wir ein Rückmeldesystem etabliert, das gut funktioniert.

ADHOC: Was erwarten Sie sich von dem Projekt?
OVERWIENING: Ich wünsche mir, dass unser NRW-Projekt dazu beiträgt, eine Fehlerkultur in der Apotheke zu entwickeln beziehungsweise fortzuentwickeln. Wenn Fehler auftreten, sollten sie nicht verborgen werden, sondern als Anlass gesehen werden, um daraus zu lernen und – im Optimalfall – sogar Abläufe in der Apotheke grundsätzlich zu verbessern.

ADHOC: Wie kann das Portal CIRS Pharmazie bei der Fehlervermeidung helfen?
ENGELEN: Man lernt bekanntlich nicht nur aus eigenen Fehlern, auch der Blick auf andere hilft Risiken zu erkennen. Vom Ansatz her ist das Portal daher gut und richtig. Ob es tatsächlich hilft, Fehler zu vermeiden, oder zur Verunsicherung beiträgt, wird sich zeigen. Das hängt auch davon ab, wie intensiv es von den Kollegen genutzt wird. Ich bin überzeugt, es wird nicht der letzte Versuch sein, mehr Qualität in das Gesundheitswesen zu bringen.

ADHOC: Wie soll es mit dem Projekt weitergehen?
OVERWIENING: Wir Apothekerinnen und Apotheker nehmen eine wichtige und vertrauensvolle Rolle im Gesundheitswesen ein, die wir mit einer solchen selbstbewusst angelegten Fehlerkultur stärken werden. In einem weiteren Schritt wünsche ich mir, dass wir uns auch auf diesem Feld mit der Ärzteschaft vernetzen – zum Wohle der Patienten.

ADHOC: Wo wäre ein Fehlermanagement noch sinnvoll?
ENGELEN: Man muss ehrlicherweise sagen: Auch Fehler bei der Krankenkasse können zu einer schlechteren Versorgung führen. Deshalb sollte auch über ein Fehlermanagement bei den Krankenkassen nachgedacht werden.

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