Restschuldbefreiung

Insolvenz: Apotheker mit beschränkter Haftung

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Berlin -

Die Corona-Krise hat fraglos anderen Branchen mehr geschadet als den Apotheken. Das bedeutet aber nicht, dass Inhaber in Einzelfällen nicht hart getroffen wurden. Im schlimmsten Fall droht ein Insolvenzverfahren. Doch Rechtsanwalt Robert Buchalik weist auf die Option eines „Corona-Neustarts“ hin, an der der Gesetzgeber derzeit bastele.

Um eine Welle von Firmenpleiten in Folge der Corona-Krise zu vermeiden, hat die Politik bereits reagiert und die Insolvenzantragspflicht bis Ende September ausgesetzt. Doch der Stichtag ist nicht mehr fern, die wirtschaftliche Gesamtlage aber kaum entspannter. Deshalb will Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) die Frist bis März 2021 verlängern und weitere Anpassungen in der Insolvenzordnung vornehmen.

Buchalik hat sich mit dem Gesetzesentwurf der Regierung befasst und erwartet eine Kombination aus einem Schuldenschnitt und einem Corona-Schutzschirm. Seine Kanzlei Buchalik Brömmekamp aus Düsseldorf ist unter anderem auf Insolvenzrecht spezialisiert, auch einige Apotheken wurden schon in Verfahren einer Insolvenz in Eigenverwaltung saniert.

Als einen zentralen Punkt des Gesetzentwurfs benennt Buchalik, dass die Überschuldung als Insolvenzgrund abgeschafft werden soll. „Das heißt, ein Insolvenzantrag ist nur noch dann zu stellen, wenn das Unternehmen zahlungsunfähig ist“, so der Fachmann. Schuldner könnten bei Gericht zudem ein Moratorium von bis zu drei Monaten beantragen. In dieser Zeit dürften Zahlungen an die Gläubiger ausgesetzt werden – ohne die Gefahr der Vollstreckungsmaßnahmen. „Die Zeit ist dafür zu nutzen, mit den Gläubigern eine Lösung zur Reduzierung oder Beseitigung der insbesondere coronabedingten Verschuldung zu finden“, erklärt Buchalik.

Für Apotheker könnte ein dritter Punkt im Fall einer drohenden Insolvenz entscheidend sein, denn als eingetragene Kaufleute haften sie stets mit ihrem privaten Vermögen. Genau das will der Gesetzgeber lockern: Per Gerichtsentscheidung soll laut Entwurf eine sehr schnelle Restschuldbefreiung ermöglicht werden. „Der betroffene Unternehmer wird von den aufgenommenen Schuldenlasten persönlich schnell entlastet und seine eigene wirtschaftliche Existenz wird nicht vernichtet“, erklärt Buchalik. Das gelte auch dann, wenn das Unternehmen nicht zu retten ist und liquidiert werden muss.

Diese Form der schnellen Entschuldung nennt Buchalik „Corona-Neustart“. „Der Gesetzgeber plant offensichtlich weitere einschneidende Hilfsmaßnahmen für die von der Pandemie betroffenen Unternehmen“, so Buchalik. Über den Gesetzentwurf könne schon unmittelbar nach der Sommerpause Anfang September beraten werden. Das Gesetz könnte dann möglicherweise schon am 1. Oktober in Kraft treten – pünktlich zum Auslaufen der Antragspflicht.

Das Gesetz soll explizit auch kleineren Unternehmen wie Apotheken zugutekommen. Damit die Kosten nicht explodieren, sollen kleinere Unternehmen das Verfahren sogar ohne unmittelbare gerichtliche Kontrolle einleiten und durchführen können. Wenig überraschend rät Buchalik trotzdem dazu, sich die Unterstützung eines auf Sanierung spezialisierten Beraters zu sichern.

In der praktischen Umsetzung sieht er dennoch die Hürde, dass die Gerichte auf die Neuregelung weder vorbereitet sind noch über die dafür notwendigen Kapazitäten verfügen. „Hier muss entsprechend schnell Abhilfe geschaffen werden. Wenn dies zeitnah geschieht, werden die Maßnahmen ihr Ziel erreichen“, ist Buchalik überzeugt.

Hintergrund: In Deutschland gibt es derzeit zwei verpflichtende Insolvenzantragsgründe: Die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung. Letztere kennzeichnet, dass das Unternehmen mehr Verbindlichkeiten als Vermögen hat. Ein Insolvenzantrag muss in diesem Fall nicht zwingend gestellt werden. Denn der Gesetzgeber hat den Überschuldungsbegriff schon in der Finanz- und Wirtschaftskrise deutlich entschärft, damit die eigentlich überschuldeten Banken nicht massenhaft in die Insolvenz rauschen. Der Antrag darf ausbleiben, wenn eine positive Fortführungsprognose besteht. „Dazu muss das Unternehmen eine Liquiditätsplanung für das laufende und die folgenden zwei Geschäftsjahre vorlegen, die belegt, dass es in dieser Zeit nicht zahlungsunfähig wird“, erklärt Buchalik. Das Vorliegen einer positiven Fortführungsprognose müsse vom Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer bestätigt werden, erstellt werden kann sie von dem Unternehmen selbst.

Allerdings würde ein Steuerberater unter den Bedingungen von Corona kaum bereit sein, eine solche Bestätigung zu erteilen. „Es ist die pure Kaffeesatzleserei heute zu prognostizieren, ob das Unternehmen aufgrund der hohen aktuell eingefahrenen Verluste in zwei Jahren noch am Markt existiert“, so Buchalik. Es sei deshalb davon auszugehen, dass der Gesetzgeber zumindest für die von der Pandemie betroffenen Unternehmen die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung vollständig aussetzen wird. Damit entfalle auch die Notwendigkeit einer positiven Fortführungsprognose.

„Solange das neue Gesetz noch nicht verabschiedet ist, bietet sich für den Apotheker nach wie vor die Insolvenz in Eigenverwaltung als Option an“, so Buchalik weiter. In diesem allerdings gerichtlichen Verfahren werden die Löhne und Gehälter für den Zeitraum von drei Monaten von der Bundesagentur für Arbeit übernommen, Sozialabgaben und Steuern fallen in diesem Zeitraum ebenfalls nicht an. „Auch hier kann die Zeit genutzt werden, um mit den gesicherten Gläubigern eine Um- oder Entschuldung zu verhandeln. Ungesicherte Gläubiger erhalten in diesem Verfahren am Ende nur einen Teil ihrer Forderungen, auf den Rest müssen sie verzichten.“

Seine Kanzlei habe schon eine Reihe von Apotheken erfolgreich durch ein Eigenverwaltungsverfahren geführt, so Buchalik. Ein Insolvenzverwalter wird hier schon aus apothekenrechtlichen Gründen nicht bestellt, sondern lediglich ein Sachwalter mit Überwachungsfunktion.

 

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