Inkontinenzversorgung

Medi Markt sammelt Hilfsmittel-Rezepte ein

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Berlin -

Die AOK Nordwest hat mit den Apothekerverbänden Westfalen-Lippe (AVWL) und Schleswig-Holstein einen neuen Hilfsmittelvertrag vereinbart. Seit diesem Monat steht den Apotheken demnach für die Versorgung mit Inkontinenzhilfen eine Pauschale von 20,90 Euro zur Verfügung. Der Hilfsmitteldirektanbieter Medi Markt sieht seine Chance: Das Unternehmen will für Apotheken einspringen, die mit der Pauschale eine ausreichende Versorgung nicht leisten können.

Medi-Markt wandte sich mit einem Schreiben mit dem Betreff „Neue Monatspauschale für saugende Inkontinenzhilfen bei der AOK Nordwest“ direkt an Apotheker. Der Spezialversorger schreibt, dass mit der neu ausgehandelten Pauschale „für viele Apotheken eine auskömmliche Inkontinenzversorgung ihrer Kunden nicht mehr möglich“ sei.

Der Anbieter aus Mannheim will einspringen. Denn Medi-Markt versorge monatlich 100.000 Kunden; die Kundenzufriedenheit liege bei 95 Prozent. Das Unternehmen kann nach eigenen Angaben trotz der gesunkenen Pauschale die Versorgung gewährleisten: „Wir haben aufgrund unserer sehr hohen Einkaufsvolumen Kostenvorteile und haben darüber hinaus unsere Prozesse in Einkauf, Logistik und Abrechnung auf hohe Kosteneffizienz optimiert“, heißt es von Medi-Markt.

Der Dienstleister bietet den Apotheken daher an, die Versorgung mit Inkontinenzhilfen für sie zu übernehmen: „Schicken Sie uns dazu einfach die Verordnung oder empfehlen Sie ihrem Kunden sich direkt an uns zu wenden“, schreibt Medi-Markt. § 4 Absatz 8 des AOK-Rahmenvertrages lasse eine Weiterleitung der Verordnung schließlich ausdrücklich zu.

Ganz so leicht ist es allerdings nicht. Im angeführten Paragraphen heißt es: „Eine Weitergabe der Verordnungen, für die seitens der Apotheke keine eigene Versorgungsberechtigung besteht, weil sie zum Beispiel von ihrem Widerspruchsrecht nach §1 Abs. 2 Gebrauch gemacht hat, an andere Leistungsbringer, ist grundsätzlich nicht gestattet. In diesem Fall ist die Verordnung an den Versicherten zurückzugeben. Dies gilt nicht, wenn der Versicherte nach ausführlicher Aufklärung schriftlich bestätigt, dass er mit der Weiterleitung der vertragsärztlichen Verordnung an einen anderen, ihm genannten Leistungserbringer einverstanden ist.“

Ohne schriftliche Bestätigung des Patienten funktioniert die Weiterleitung durch den Apotheker also nicht, sie wäre sogar datenschutzrechtlich unzulässig. Apotheker dürfen Rezepte nur dann weitergeben, wenn sie selbst nicht die Inkontinenzversorgung für Versicherte der AOK Nordwest übernehmen: Eine Weiterleitung ist laut AOK Nordwest nur zulässig, wenn der Apotheker für diese Hilfsmittelgruppe nicht versorgungsberechtigt ist. „Ansonsten muss der Apotheker die Versorgung selbst gemäß Vertrag durchführen“, heißt es von der Krankenkasse.

Diese Details gehen aus dem Schreiben von Medi-Markt so nicht hervor. Das war auch nicht das Ziel: „Wir möchten mit unserem Anschreiben keine Rechtsberatung geben“, so das Unternehmen. „Dennoch haben wir auf §4 Absatz 8 des Vertrages hingewiesen, um dem Apotheker zu ermöglichen, sich selbst ein unvoreingenommenes Urteil über die Zulässigkeit der Weiterleitung zu bilden.“

Für Apotheken habe die Weiterleitung der Verordnungen keinen Vorteil, teilt Medi-Markt mit. Einen indirekten Vorteile gäbe es schon: „Die Kunden der Apotheke können mit uns einen hoch spezialisierten Leistungserbringer für Inkontinenzhilfsmittel in Anspruch nehmen – ohne mit seiner Verordnung lange herumirren zu müssen.“ Medi-Markt erhält für die Versorgung die Pauschale der AOK Nordwest.

Vor Änderung des Vertrags hatte die AOK Nordwest den Apotheken in Westfalen-Lippe statt einer Pauschale einen festen Stückpreis gezahlt. In Schleswig-Holstein gab es eine deutlich höhere Pauschale: Bis Juli zahlte die Kasse 31,89 Euro.

Dr. Thomas Friedrich, Geschäftsführer des Apothekerverbands Schleswig-Holstein, zeigte sich mit dem neuen Vertrag unzufrieden. „Ich weiß nicht, wie Apotheker damit besonders schwere Fälle von Inkontinenz ausreichend versorgen sollen“, kritisierte Friedrich. Höchstens mit einer Mischkalkulation oder einer Zuzahlung einiger Patienten sei das umzusetzen. Dr. Sebastian Schwintek, Geschäftsführer des AVWL, hält eine Versorgung mit der Pauschale für möglich: „Die Pauschale errechnet sich aus dem Bedarf von leicht und schwer erkrankten Patienten“, erklärte Schwintek.

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