Apotheker sitzt auf 5000 Dosen Vaxzevria

Impfmarathon: Schittenhelm sammelt über 200.000 Euro

, Uhr
Berlin -

Der Landkreis Böblingen dürfte mittlerweile zu den Gegenden mit der höchsten Durchimpfungsrate gegen Corona in Deutschland zählen, vermutet Apotheker Dr. Björn Schittenhelm: Mehr als 9500 Impfungen hat er mittlerweile bei seinen Impfmarathons verabreichen lassen, am Wochenende lief die zweite Runde und hatte eine rekordverdächtig niedrige Ausfall-Quote. Und nicht nur das: Sowohl Schittenhelm als auch die beteiligten Ärzte spenden ihre Vergütung – über 200.000 Euro sind so für einen guten Zweck zusammengekommen. Nur ein Wermutstropfen bleibt.

Die Zahlen können sich erneut sehen lassen: 4376 Impfungen in 17 Stunden wurden am Wochenende in Holzgerlingen verabreicht. Davon waren 4076 Biontech-Zweitimfpungen bei Anwohnern, die schon am ersten Impfmarathon teilnahmen und 300 Impfungen mit der Vakzine von Janssen. Nur 2,5 Prozent der Impftermine seien nicht wahrgenommen worden, erzählt Schittenhelm stolz: „Das ist eine unfassbar gute Quote. In Impfzentren hört man oft davon, dass es bei den Zweitimpfungen eine No-Show-Rate von bis zu 20 Prozent gibt.“ Damit sei die Quote sogar noch niedriger gewesen als beim ersten Impfmarathon – bei dem ausschließlich Erstimpfungen verabreicht worden waren.

Warum die Rate der Imfpschwänzer diesmal so außerordentlich niedrig war, frage er sich selbst. In Gesprächen mit Lokalpolitikern sei eine Vermutung aufgekommen: „Wir schätzen, dass es mit dem lokalen Hype zu tun hat. Wir hatten 250 ehrenamtliche Helfer und hätten locker nochmal so viele rekrutieren können. Und jeder kennt hier jeden, deshalb gab es wahrscheinlich einen gewissen sozialen Druck: wenn sich alle engagieren, will niemand dadurch auffallen, nicht zu kommen.“ Er gehe davon aus, dass der Landkreis auch dank der beiden Marathons mittlerweile kurz vor der Herdenimmunität stehe. „Auf lokaler Ebene kann sich das wirklich sehen lassen. Konkrete Zahlen gibt es dazu natürlich nicht, aber ich schätze, dass wir hier auf der letzten Meile vor der Herdenimmunität sind.“

Dabei sei der zweite Marathon noch aufwändiger gewesen als der erste, zum einen weil „wir diesmal noch zusätzlich die Herkulesaufgabe hatten, direkt vor Ort die digitalen Impfzertifikate auszustellen“. Durchgeführt worden sei das ganz normal über das DAV-Portal, also formal über seine Alamannen-Apotheke. Er habe angefragt, ob eine direkte Anbindung des temporären Impfzentrums an das Robert-Koch-Institut mögleich sei, aber das sei technisch noch nicht umsetzbar. Allein für die Digitalisierung der Impfnachweise seien sieben Linien eingerichtet worden, damit sich kein Rückstau bildet. Denn es wurden ja nicht nur die Zertifikate für die Zweit-, sondern auch für die Erstimpfungen des vorherigen Marathons ausgestellt – mehr als 6000 Stück. Allein dadurch kamen zehntausende Euro an Vergütung zusammen.

„Ich will, dass da gar kein Neid aufkommt. Auch deshalb haben wir uns entschieden, die Vergütung für die Zertifikate zu spenden“, sagt er. Und nicht nur die: Auch die beteiligten Ärzte würden ihr gesamtes Honorar für die Aktion in den Spendentopf geben. Wie groß genau der am Ende sein wird, werde sich erst nach dem Kassensturz zeigen, aber Schittenhelm rechnet mit rund 220.000 Euro. Wohin das Geld geht, stehe noch nicht fest. Das werde er gemeinsam mit allen Beteiligten entscheiden.

Nur ein Punkt trübt die Freude über den Erfolg, nämlich der andere Grund für den höheren Aufwand beim zweiten Durchlauf: Die Erstimpfungen waren nämlich mit dem Impfstoff von AstraZeneca erfolgt, die Dosen für die Zweitimpfung hatte Schittenhelm schon beschafft. Doch dann kam die Stiko-Entscheidung, dass mit Vaxzevria Erstgeimpfte zur Zweitimpfung einen mRNA-Impfstoff erhalten sollen. Den Impfstoff konnte er ausreichend und pünktlich beschaffen, allerdings war die Aufbereitung bei Biontech etwas umständlicher, pro Schicht habe es zwei Mitarbeiter mehr für die Rekonstitution gebraucht.

Noch ärgerlicher sei aber seien aber die Restbestände, die dadurch entstanden: „Ich habe jetzt 5000 Dosen AstraZeneca hier, die keiner mehr haben will. Das finde ich dramatisch – nicht aus finanzieller Hinsicht, sondern weil mir dieser Impfstoff höchstwahrscheinlich im Kühlschrank verfallen wird.“ Doch ihm seien die Hände gebunden, sagt er. „Ich darf den Impfstoff ja nicht einfach verschenken oder weitergeben, weil er gar nicht in meinem Eigentum ist. Es gibt aber auch keinerlei Regelungen zu Rück- oder Weitergabe, schließlich war das bisher nicht nötig.“

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Lesen Sie auch

APOTHEKE ADHOC Debatte