Inhaberin will Apotheke verschenken

„Ich würde das hier als junger Unternehmer auch nicht übernehmen wollen“

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Berlin -

Ulrike Dannenberg-Wüstholz hat sich von der PTA zur Inhaberin hochgearbeitet. Die eigene Apotheke war ihr großer Traum. Den hat sie sich verwirklicht. Doch nun ist Schluss für den Betrieb: Zwei Jahre hat sie nach einem Nachfolger gesucht, doch niemanden gefunden. Nicht mal geschenkt wollte jemand ihre Apotheke haben. Doch sie ist nicht verbittert. Die 67-Jährige hat ihren Frieden gemacht und geht guten Gewissens in den Ruhestand.

Ein Warenlager für 30.000 Euro – und den Rest gibt es umsonst dazu. „Ich habe aber niemanden gefunden, der sie haben wollte“, sagt Dannenberg-Wüstholz. Am 31. Juli ist deshalb Schluss mit der Cronsberg-Apotheke in Reinbek bei Hamburg. Dabei könnte die Lage schlechter sein: Die Apotheke liegt in einer kleinen Einkaufspassage samt Obst- und Gemüsehandel, Kiosk, Wäschegeschäft und Süßwarenladen. Aber es kommt eben nicht nur auf die Quantität an, sondern auch auf die Qualität. Oder mit den Worten der Inhaberin: „Die Läden hier kann man vergessen. Die sind zwar alle belegt, aber es ist nichts dabei, das etwas abwirft.“

Ärzte gibt es im näheren Umkreis nicht, entsprechend spült auch kein Verordner Rezepte in die Offizin. „Das ist eine reine Stammkundenapotheke“, sagt sie. Als sie die Offizin 2002 übernommen hat, sei das noch gegangen. Niemand habe seine Medikamente im Internet bestellt und ihre Stammkunden waren noch mobiler. „Das war ein schleichender Prozess. Das ist halt der Zahn der Zeit“, konstatiert sie. Damals, vor 18 Jahren, war auch für Dannenberg-Wüstholz noch eine andere Zeit: Mit 50 hatte sie sich selbstständig gemacht. Keine zehn Jahre zuvor hatte sie ihre Approbation erhalten.

„Ich habe als PTA angefangen und dachte mir dann, das kann doch nicht alles im Leben gewesen sein“, erinnert sie sich. Also machte sie während der Arbeit am Abendgymnasium das Abitur nach. „Mit Ende 30, Anfang 40 habe ich dann nochmal studiert und mich dann mit 50 selbstständig gemacht. Das war eine schöne Zeit.“ Auch deshalb zeigt sie am Ende ihres Berufslebens keinerlei Verbitterung darüber, dass ihr Betrieb schließt. „Ich habe mir meinen Traum erfüllt, nur die letzten zwei, drei Jahre waren nicht so schön.“

Denn vor gut zwei Jahren, also mit 65, wollte sie langsam in den wohlverdienten Ruhestand und ihren Betrieb in fähige Hände übergeben. „Ich habe dann aus Spaß noch weiter gemacht.“ Doch selbst, nachdem sie einen Makler einschaltete, fand sich niemand, der ihr den Betrieb abkaufen wollte. „Das erste Jahr wollte ich noch einen Abschlag, aber dann habe ich auch das aufgegeben und gesagt, ich verschenke die Apotheke. Nur das Geld für das Warenlager hätte ich noch genommen.“ Doch selbst dafür fand sich niemand.

„Es ist wirklich schade, denn mit viel Herzblut wäre das bestimmt etwas geworden. Die Apotheke hat ja ihre Existenzberechtigung“, sagt sie. Andererseits: „Ich würde das hier als junger Unternehmer auch nicht übernehmen wollen. Die wollen alle zwei, drei Millionen Umsatz haben, das klappt hier aber nicht.“ Hinzu kam, dass ihr Personal das sinkende Schiff verließ: Eine angestellte Apothekerin wollte in Vollzeit arbeiten – „aber 40 Stunden gibt die Apotheke nicht her“, erklärt sie. Ihre zweite Mitarbeiterin, eine PKA, hat ganz umgesattelt: „Sie arbeitet jetzt in einem Handwerksbetrieb. Die haben bessere Arbeitszeiten und bezahlen mehr.“

Und so hält Dannenberg-Wüstholz allein bis zum Schluss die Stellung. Als würde das nicht reichen, treten Mitbewerber in der Gegend auch noch nach. „Ich habe schon mitbekommen, dass Patienten beim Arzt gesagt wurde, sie sollen nicht in meine Apotheke, die habe schon zu“, erzählt sie. „Ich habe dann den Arzt angerufen und gefragt, was das soll.“ Der Arzt gab sich ahnungslos, offenbar hatte eine andere Apotheke in der Gegend das Gerücht gestreut. Doch wütend macht sie selbst das nicht mehr, einzig um ihre Kunden tue es ihr Leid – und umgekehrt. Ihre Stammkunden hätten noch Wert auf eine gute Beratung gelegt, von Zeit zu Zeit kommen welche vorbei, um sich zu verabschieden. „Ich gehe in Frieden und freue mich auf den Ruhestand“, sagt sie. „Aber vorher habe ich noch viel Arbeit vor mir. Irgendjemand muss die Apotheke ja ausräumen.“

 

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