Priorisierung für Apothekenmitarbeiter

„Ich teste niemanden, solange wir nicht auch geimpft werden“

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Berlin -

Die Bereitschaft der meisten Apotheken, ab dem 1. März kostenlose PoC-Antigentests auf Sars-CoV-2 durchzuführen, hält sich bisher in Grenzen. Laut einer aktuellen aposcope-Umfrage will nur ein Viertel der Inhaber*innen in ihren Apotheken testen – hauptsächlich, weil sie weder über ausreichende Räumlichkeiten noch über genug Personal verfügen. Eine zunehmende Zahl an Apotheker*innen hat aber auch wegen einer anderen Frage Vorbehalte: Sie fühlen sich verheizt, wenn sie plötzlich die gesamte Bevölkerung testen sollen, selbst aber nicht priorisiert geimpft werden.

Dass er sich nicht würde engagieren wollen, kann man Apotheker Peter Theilacker wahrlich nicht vorwerfen. Bereits seit Mitte Januar führt er PoC-Antigentests in seiner Stadt-Apotheke in Karlsruhe durch. „Ich habe große Räumlichkeiten und Mitarbeiter, die das gern und gut machen“, sagt er. Er sei für ihn Ehrensache, sich da einzubringen – auch weit über das Mindestmaß hinaus. „Wir schieben nicht einfach den Abstrichstab hinein und schicken die Leute gleich wieder weg, sondern wir klären sie auch umfassend auf.“ Das heißt: Beratung über die verschiedenen Testarten, die Interpretation des Ergebnisses, das richtige Verhalten und dergleichen weiter. „Das Ganze kostet dann bei mir 39 Euro, aber das zahlen die Menschen aber auch gern, weil sie sich hier gut aufgehoben und beraten fühlen.“

Doch kürzlich erhielt seine Motivation einen argen Dämpfer: Denn seit Montag sind in Baden-Württemberg die Schulen wieder offen. Damit der Unterricht nicht zum Superspreader-Event wird, soll eine umfangreiche Testung vor allem der Lehrkräfte Sicherheit bringen. Auch daran beteiligt sich Theilacker: „Wir testen Lehrer zweimal die Woche. Grundsätzlich finde ich das auch eine gute Idee – aber dann sagen die zu mir freudig, dass wir uns ja eh bald nicht mehr sehen, weil sie ihren Impftermin schon haben. Bei mir sei das ja sicherlich auch so“, erzählt der Inhaber. „Da muss ich denen dann sagen, dass das keinesfalls so ist und dass ich noch gar keine Ahnung habe, wann ich denn eine Impfung bekommen werde. Ich mache den Abstrichhengst für die Lehrer und bin selbst in der Priorisierung noch hinter ihnen.“

Theilacker macht das wütend – er wendete sich an Kammer und Verband, bekam von dort aber keine vielversprechende Rückmeldung. „Die Kammer kümmert sich darum, ob das QMS schön gemacht ist und ob zwei oder drei Rezepte im Berichtsheft stehen, aber bei einer so grundlegenden Frage für unseren Berufsstand hört man außer ein paar Einzelstimmen nichts“, klagt er. Er wolle gar nicht klagen, dass Lehrer schon Impftermine erhalten, ganz im Gegenteil, das finde er richtig und wichtig. „Aber wer sich verstärkt dem Virus aussetzt, der sollte auch priorisiert geimpft werden.“ Andere Heilberufler hätten es doch auch geschafft, durch Einsatz ihrer Standesvertretungen eine Heraufstufung in der Priorisierung zu erlangen, weil sie exponiert sind. Insbesondere der Vergleich mit den Hausärzten wurmt ihn. „Wenn sie beim Arzt im Treppenhaus einmal husten, lässt der die Rollläden runter. Aber wir sollen hier 13 Stunden am Tag barrierefrei die Leute testen und bekommen selbst keine Priorisierung.“

Es sei notwendig, die Apotheker mindestens in die Priorisierungsgruppe 2 aufzunehmen, fordert Theilacker. „Es geht dabei um den fairen Umgang mit unserem Beruf. Mit dem AstraZeneca-Impfstoff impfen sie schon die Affen im Zoo, aber wir müssen immer noch warten“, sagt er. „Wenn ich eine wichtige und zentrale Rolle einnehme und man Wert legt auf meine Arbeit, dann muss man mir auch die entsprechende Ausrüstung dafür geben. Ansonsten bin ich nicht bereit, dafür meinen Kopf hinzuhalten.“

Das sieht auch Michael Aniol so, geht aber noch einen Schritt weiter – beziehungsweise geht den ersten Schritt anders als Theilacker gar nicht. „Ich werde so lange keine Tests in meiner Apotheke durchführen, bis wir Inhaber und unsere Angestellten geimpft sind“, sagt der Inhaber der Herz-Apotheke in Wolfenbüttel. „Einen Imagegewinn der Apotheken auf Kosten der Gesundheit meiner Mitarbeiter werde ich nicht mittragen.“ Auch er habe sich bereits an Kammer, Verband und Abda gewandt, aber noch keine brauchbare Antwort erhalten. Er verweist ebenfalls auf die Standesvertretung: „Die Abda forciert das und die Verbände sagen einhellig ja – und tragen das dann auf dem Rücken der Mitarbeiter aus. Die Ärzte haben es doch auch geschafft, wegen ihrer Exposition hochgestuft zu werden.“ Doch auch die Politik habe bei dem Thema einmal mehr versagt, denn statt auf eine langfristige und durchdachte Strategie zu setzen, werde mal wieder mit Schnellschüssen gearbeitet, die dann eben solche Unzulänglichkeiten offenbaren. „Das Thema war doch schon letzten Sommer akut, statt aber Strukturen vorzubereiten, wird jetzt kurzfristig verkündet, dass wir auch noch kostenlose Selbsttests abgeben sollen, noch bevor die überhaupt zugelassen sind. Da wird eine Sau durchs Dorf getrieben, noch bevor das Dorf überhaupt steht!“

Dabei sei die Vorgehensweise nicht nur eine „Missachtung der Menschen in der Apotheke“, wie Theilacker sagt, sondern auch den Getesteten gegenüber eine unnötige Gefährdung. „Das würden die meisten Menschen doch selbst nicht gut finden. Wir fummeln denen in der Nase und im Rachen rum und sind selbst nicht einmal immunisiert.“ Den „großen Skandal“ sehe er aber wie sein Kollege Aniol vor allem darin, dass Kammern und Verbände bisher nichts unternommen haben, um zumindest für die Apotheker, die sich durch das Testen verstärkt dem Virus aussetzen, einen ausreichenden Impfschutz zu verlangen. „Ich glaube nicht einmal, dass die Politik uns die Impfung verwehren würde – wir müssten sie nur endlich einfordern.“

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