Aussonderungsrechte bei AvP

Hoos widerspricht Apothekerverband Alexander Müller, 19.10.2020 15:01 Uhr

Dr. Jan-Philipp Hoos, vorläufiger Insolvenzverwalter von AvP, fühlt sich bezüglich etwaiger Aussonderungsrechte von Apothekerverband Nordrhein falsch verstanden. Foto: White & Case
Berlin - 

Der Apothekerverband Nordrhein kümmert sich um die von der AvP-Insolvenz betroffenen Apotheker. Die Mitglieder wurden jetzt mit einer Einschätzung der eigens beauftragten Kanzlei Glade Michel Wirtz (GMW) versorgt. Darin ist von Aussonderungsrechten der Apotheker die Rede, die Kanzlei beruft sich auf den vorläufigen Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos. Doch der widerspricht der Darstellung deutlich und sieht sich falsch wiedergegeben.

GMW geht in einem sechsseitigen Schreiben auf zentrale Fragen des Insolvenzverfahrens ein – vor allem auf die viel zitierten Aussonderungsrechte. Die Apotheker hoffen darauf, dass ihre Ansprüche aus der Rezeptabrechnung direkt zugewiesen werden können. Weil dieses Geld aber dann in der Insolvenzmasse für alle anderen Gläubiger fehlen würde, ist die Frage heikel. Insolvenzverwalter Hoos hatte sich daher mit klaren Aussagen bislang zurückgehalten.

GMW behauptet aber, Hoos sehe ein Aussonderungsrecht für Apotheken mit Verträgen vor 2003 oder ab 2020, da in den AGB dann eine aufschiebende Bedingung bezüglich der Abtretung vorgesehen sei. Der Anspruch gehe erst an AvP über, wenn die Apotheke ihr Geld hat. Kurz: Ohne Zahlung sei die Bedingung nicht eingetreten und die Apotheke bleibe Inhaberin der Forderungen. „Diesen Apotheken dürfte dann bezüglich der Rezepte und der Kostenerstattungsansprüche ein Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter zustehen. Dieses Aussonderungsrecht wird auch von Herrn Dr. Hoos anerkannt beziehungsweise bestätigt“, schreibt die Kanzlei.

Auf die vom Verband verschickten FAQ angesprochen, widerspricht der vorläufigen Insolvenzverwalter mit Nachdruck: „Diese Aussage ist weder von mir autorisiert, noch gibt sie meine Rechtsauffassung wieder.“ Hoos hatte sich im Insolvenzverfahren bislang eher zurückhaltend zu möglichen Aussonderungsrechten geäußert, aber noch keine Entscheidung in dieser Frage bekannt gegeben. Die von den GMW-Anwälten getätigte Aussage sei „nicht im Geringsten abgestimmt“, so Hoos. Er rechnet mit einer Klarstellung des Verbands beziehungsweise der beauftragten Kanzlei.

Diese ist bislang noch nicht erfolgt. Die Kanzlei Glade Michel Wirtz hatte Vertreter des AVNR zu Gesprächen mit dem Insolvenzberater begleitet. Der Verband weist seine Mitglieder aber ausdrücklich darauf hin, dass die von der Kanzlei zusammengestellten FAQ sich nicht auf konkrete Vertragsverhältnisse beziehen können und daher eine umfassende anwaltliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen könnten.

Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger kommt nach einer intensiven Prüfung in seiner Kanzlei zu dem Schluss, dass das Aussonderungsrecht gesperrt ist. Denn selbst bei nicht abgetretenen Forderungen inklusive einer Treuhandabsprache zwischen Rechenzentrum und Apotheke gibt es Bellinger zufolge ein Problem, wenn AvP die Treuhandabsprache verletzt hat. Und genau das ist nach seinen Recherchen systemimmanent bei AvP gewesen. Tatsächlich habe das Rechenzentrum sogar in den AGB die Ermächtigung festgehalten, dass Banken Zugriffe auf die Abwicklungsgelder der Krankenkassen haben – offenkundig zur Zwischenfinanzierung.

Bellinger verweist auf zwei Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH). Für ein Aussonderungsrecht sei nach demnach Bedingung, dass der Zahlungseingang für die Apotheke ungeschmälert auf dem Konto von AvP bis zur Auszahlung liege. Sei zwischendurch nicht genug für die Auszahlung dieses Betrages auf dem Konto, sei der Aussonderungsanspruch darauf für immer weg. Bellinger geht davon aus, dass die Konten bei AvP zwischendurch im Soll geführt wurden, bis wieder Geld von den Krankenkassen einging. In diesem Fall hätte sich AvP nicht an die Treuhandabsprachen gehalten.