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Mitternachtapotheke ärgert Notdienstkollegen Eugenie Ankowitsch, 02.03.2017 10:07 Uhr

Berlin - 

Seit zehn Jahren bieten drei Apotheken in Hamburg an 365 Tagen im Jahr Medikamente bis Mitternacht. Mit seinem Konzept sorgt Apotheker Holger Gnekow, Inhaber der Privilegierten Adler-Apotheke, nach wie vor für Verärgerung bei den Kollegen. Jeder habe seine eigene Strategie, um sich von der Konkurrenz abzugrenzen, entgegnet er seinen Kritikern.

Mit langen Öffnungszeiten bis Mitternacht habe man sich sich vor allem gegen die Konkurrenz aus dem Internet behaupten wollen, sagt Gnekow. Aber nicht nur: Das Angebot sollte auch dazu dienen, sich vor Ort zu positionieren. Gerade nach der Aufhebung der Preisbindung für OTC-Arzneimittel hätten viele Kollegen versucht, sich über „Dumping-Preise“ von den Konkurrenten – sowohl aus dem Internet als auch vor Ort – abzuheben.

„Wir wollten das nicht“, sagt der Pharmazeut. Stattdessen habe man auf Kompetenz und Serviceorientierung gesetzt und eben unter anderem die Öffnungszeiten erweitert. An 365 Tagen im Jahr können Hamburger und Besucher der Hansestadt ihre Medikamente von 8 bis 24 Uhr bei der Privilegierten Adler-Apotheke besorgen.

Schon bald folgten die Vita-Apotheke in Eimsbüttel von Julia Scheel und die Arkadenapotheke im Hamburger Stadtteil Harburg von Eva-Maria und Lühr Weber. Die drei Apotheken im Westen, Osten und Süden der Stadt kooperieren miteinander. Auf dem gemeinsamen Internetportal www.medikamente-bis-mitternacht.de können Patienten schon von Zuhause oder unterwegs aus prüfen, ob ihr Präparat verfügbar ist – und es dann reservieren, vorbestellen und bei einer der drei Apotheken abholen.

Auf die Strategie der drei Apotheken reagierten Kollegen schon vor zehn Jahren verärgert: Claus Greger, damals Vorstand des Apothekervereins und selbst Apotheker, kritisierte in der Zeitung „Die Welt“ das Konzept und warf den beteiligten Apotheken „unlautere Mittel" vor. Noch heute erinnert sich der Apotheker an die Werbung der Adler-Apotheke: 24 Stunden habe ganz groß auf den Bussen der Stadt gestanden und lediglich ganz klein das wichtige Wörtchen „bis“. So sei der Eindruck entstanden, als ob die Apotheke rund um die Uhr geöffnet hätte. „Irreführend“ nennt Greger die Werbung. Zwar sei Gnekow „in vielen Dingen ein Vordenker“, jedoch nicht unbedingt kollegial.

So berichtete die „Welt“ kurz nach der Einführung, dass die Privilegierte Adler-Apotheke etwa mit Hotels, Notdienstambulanzen und Taxizentralen in der Stadt zusammenarbeite: „Wenn Sie ein Taxi rufen, um sich zur Notdienstapotheke bringen zu lassen, bringen die Sie aus dem ganzen Stadtgebiet zu uns“, wurde Gnekow zitiert. Heute bestreitet der Apotheker solche Kooperationen. Die Kunden kämen, weil sich herumgesprochen habe, dass die Apotheken täglich bis 24 Uhr offen hätten. Viele Kunden würden sich eben die Recherche nach einer Notdienstapotheke sparen. Außerdem entfalle die Notdienstgebühr von 2,50 Euro, die viele Apotheken nachts erheben.

„Der Notdienst in Hamburg ist ohne Zweifel dazu geeignet, den Bedarf an Arzneimitteln vollständig zu decken“, findet Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Apothekervereins und Inhaber der Holthof-Apotheke. Die langen Öffnungszeiten bis Mitternacht seien nicht nötig und würden die Apotheken in der Nähe gefährden. Denn die Kundschaft, die bei Gnekow und seinen Kollegen einkaufe, sei eigentlich die Klientel, die den anderen Apotheken im Notdienst fehle: Während vor Mitternacht gewöhnlich noch einige Kunden in die Apotheken kämen, fänden sie während der Nachtstunden nur vereinzelt hin. Dennoch müssen die Apotheken im Notdienst teures Personal einsetzen.

Das Argument lässt Gnekow aber nicht gelten. „Wir picken keine Rosinen“, sagt er. „Die Zeiten, in denen die meisten Apotheken lediglich bis 18 Uhr offen hatten, sind längst vorbei.“ Heute würden die meisten Kollegen bis 20 oder sogar 21 Uhr öffnen. Außerdem habe jeder Apotheker eben eigene Strategien, um sich von der Konkurrenz abzugrenzen. Auch Graue räumt ein: „Es steht ja jedem Apotheker frei, solange zu öffnen“. Allerdings könnten nur die wenigstens Apotheken einen solchen Service finanziell und personell stemmen, ergänzt er.

Die Hürden für Apotheken, die ebenfalls solch lange Öffnungszeiten anbieten wollen, seien sehr hoch, gibt auch Gnekow zu. So sei ein großes Warenlager eine wichtige Voraussetzung. Auch über genügend Personal müsse man verfügen. Das Konzept funktioniere zudem nur in einem Einzugsgebiet mit mindestens 500.000 Einwohnern. Für die Adler-Apotheke sei die Idee aber aufgegangen: Der abendliche Betrieb ist laut Gnekow sehr erfolgreich. „Wir sind zufrieden. Es funktioniert.“ Das Konzept sei nicht nur aus Service-Gesichtspunkten wichtig, auch wirtschaftlich lohne sich das Ganze.

Dass in der Privilegierten Adler-Apotheke besonders viel Wert auf eine qualifizierte Beratung gelegt wird, zeugt der Umstand, dass sowohl bei der Beratung als auch im Labor nur Approbierte eingesetzt werden. Gnekow beschäftigt eigenen Angaben nach keine einzige PTA. Das sei eben ein weiteres Alleinstellungsmerkmal seiner Apotheke. Zu Stoßzeiten seien alle zehn HV-Tische, über die die Adler-Apotheke verfügt, von Pharmazeuten besetzt, die die Kunden beraten. Schon Pharmaziestudenten unterstützt Gnekow mit einem Büchergeld. Mit dem „CareConnector“ hat er einen eigenen Medikationsplan entwickelt.