Großhandelskonditionen

Gutachten: Maximal 37,80 Euro Rabatt für Apotheken

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Berlin -

Wenn der Gesetzgeber gewollt hätte, dass die Großhändler den Apothekern Skonto zusätzlich zum Höchstrabatt geben dürfen, hätte er es ins Gesetz schreiben müssen. Das ist die Kernaussage jenes Rechtsgutachtens, dass der Großhandelsverband Phagro vor Monaten in Auftrag gegeben hat, um in der Konditionendebatte die Deutungshoheit zu haben. Die Autoren haben aber noch eine unangenehme Überraschung parat: Bei Hochpreisern dürfen die Apotheken demnach maximal 37,80 Euro Rabatt erhalten.

Mit dem Terminstellenservicegesetz (TSVG) hat der Gesetzgeber auf das Skonto-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) reagiert. Damit wurde klargestellt, dass der pauschale Honoraranteil von 70 Cent nicht an die Apotheken weitergegeben werden darf, sondern Rabatte nur aus dem variablen Teil von 3,15 Prozent zulässig sind. Umstritten ist seitdem aber weiterhin, ob der Deckel auch Skonti einschließt. Selbst unter den beteiligten Ministerien und zwischen den Koalitionsfraktionen gab es hierzu unterschiedliche Auffassungen.

Der Phagro vertritt die Position, dass Skonto und Rabatt gleich zu behandeln sind und daher in Summe nicht über 3,15 Prozent liegen dürfen. Gestützt wird diese Auffassung von einem Gutachten, das der Phagro bei der Kanzlei Gleiss Lutz in Auftrag gegeben hatte. Das Werk wurde zunächst nur den Mitgliedsfirmen zur Verfügung gestellt. Jetzt erscheint der Aufsatz der Rechtsanwälte Dr. Reimar Buchner und Dr. Enno Burk im juristischen Fachblatt „Wettbewerb in Recht und Praxis“.

Der BGH hatte in seinem Urteil vom 5. Oktober 2017 festgestellt, dass es im Gesetz keine Preisuntergrenze gibt, die Großhändler also auch ihre gesamte Marge an die Apotheken weitergeben dürften. Zwar erkannte der Senat die Regelungsabsicht des Gesetzgebers, die 70 Cent von Rabatten auszunehmen, der Wortlaut gebe das aber nicht her – und nur auf diesen komme es an. Konkret ging es um die Formulierung, dass der Großhandel die gesetzlichen Zuschläge erheben „darf“ – und nicht „muss“.

Gleiss Lutz argumentiert, dass die Wortlautauslegung keineswegs „objektiv zwingend“ war, da sich die Formulierung „darf“ statt „muss“ nur auf den prozentualen Zuschlag bezogen habe und sowohl vom Festzuschlag als auch der Umsatzsteuer durch das Wort „zuzüglich“ abgetrennt gewesen sei: „Die Unterscheidung zwischen dem fakultativen variablen Zuschlag einerseits und dem Festzuschlag (bei dem die Erhebungspflicht bereits aus dem Wortsinn folgt) und der Umsatzsteuer andererseits kam deshalb auch nach der bisherigen Fassung bereits im Wortlaut zum Ausdruck.“ Hätte man die Vorschrift im Wortlaut anders interpretieren wollen, hätte dem Großhandel also auch ein Verzicht auf die Umsatzsteuer freigestanden, „was wohl auch vom BGH nicht gewollt war, in der Entscheidung aber nicht erörtert wird“.

Immerhin: Der Gesetzgeber hat mit dem TSVG auf das Urteil reagiert und die 70 Cent durch eine entsprechende Formulierung im Imperativ festgezurrt. Gleiss Lutz sieht insofern keinen Spielraum mehr, weil höhere Rabatte zwangsläufig zu Lasten des Festzuschlag gewährt werden können.

Der Gesetzgeber habe jetzt eine verbindliche Preisuntergrenze festgelegt – und der mögliche Rabatt ist laut Gleiss Lutz sogar gedeckelt. „Sowohl Rabatte als auch Skonti sind nur noch im Rahmen des variablen prozentualen Zuschlags von 3,15 Prozent, höchstens 37,80 Euro, erlaubt“, so das Fazit der Gutachter. Das heißt, die absolute Rabattsperre liegt bei 37,80 Euro. Damit würde für Apotheken der Bezug von Hochpreisern extrem unattraktiv. Dazu ein Beispiel: Für ein Arzneimittel für 5000 Euro bekommen Apotheken 150 Euro Nachlass bei 3 Prozent Rabatt. Die Großhändler beklagen allerdings selbst immer, dass man für 37,80 Euro Hochpreiser nicht handeln kann.

Das Gutachten geht im Weiteren noch der Frage nach, ob unabhängig vom Rabatt „echte Skonti” erlaubt sein können, weil sie ein Ersatz für die vorfällige Zahlung sind: Den Autoren zufolge würde der Zweck damit erneut in Frage gestellt, weil dann dem „vorbehaltlosen Normbefehl, dass der Festzuschlag auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zu erheben ist“, nicht mehr entsprochen werde: „Denn effektiv wird von dem Abnehmer nicht dieser Mindestpreis vergütet, sondern der Mindestpreis minus eines Skontos. Der Wortlaut spricht deshalb dafür, dass sowohl Rabatte als auch Skonti nur bis zur maximalen Höhe des prozentualen Zuschlags, aber nicht darüber hinaus gewährt werden dürfen, weil sie dann den Mindestpreis bestehend aus Abgabepreis, Festzuschlag und Umsatzsteuer reduzieren.“

Die Gesetzesbegründung hat allerdings eine merkwürdige Formulierung, die über das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) eingeführt wurde: „Rabatte und die im Handel allgemein üblichen Skonti können nur auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers und Rabatte nur im Rahmen des prozentualen Zuschlags gewährt werden.“ Ein redaktionelles Versehen? „Weshalb der variable prozentuale Zuschlag ausschließlich für die Gewährung von Rabatten und nicht auch von Skonti nutzbar sein soll, sondern nur der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, leuchtet nicht ein und ist auch aus der Begründung des Regierungsentwurfs nicht ansatz weise erklärbar“, schreibt Gleiss Lutz dazu.

Die Gutachter verweisen darauf, dass im Referentenentwurf diese Diskrepanz zwischen Wortlaut und Begründung noch nicht da gewesen war und „anscheinend nachträglich ein anderer Anwendungsbereich ‚untergeschoben‘ werden“ sollte. Auch eine Stellungnahme der SPD wird aufgeführt; schließlich wird auf die Intervention von Wirtschaftsminister Peter Altmaier hingewiesen.

Am Ende gehe es aber um den objektiven Willen des Gesetzgebers und nicht um „subjektive Vorstellungen einzelner am Gesetzgebungsverfahren beteiligter Ministerien oder Personen“. „Dies gilt erst recht dann, wenn sie – wie die nachträglich im Regierungsentwurf vorgenommenen Änderungen – nicht nur dem Gesetzeswortlaut widersprechen, sondern auch in sich widersprüchlich sind und auch die gegenteilige Auffassung in den Gesetzesmaterialien dokumentiert ist.“

Sinn und Zweck der Neuregelung sprechen aus Sicht der Gutachter gegen eine Unterscheidung von Skonto und Rabatt. „Zwar mag der Skonto bei kaufmännischer Betrachtung kein Rabatt auf die Ware sein, weil er unabhängig von deren Preis im Gegenzug zur vorfristigen Zahlung des Rechnungsbetrages eingeräumt wird, und damit das Gegenstück zu Verzugszinsen ist. […] Wird der Skonto aber nur zur Honorierung einer noch rechtzeitigen Zahlung gewährt, wird kein Liquiditätsvorteil honoriert.“

Materiell handele es sich dann eher um einen Rabatt; die Apotheken erhielten einen weiteren Gewinn, wofür nach BMWi-Gutachten „keine Rechtfertigung oder Notwendigkeit ersichtlich ist“.

Unabhängig davon würden aufgrund des weiten Interpretationsspielraums unvermeidbar Abgrenzungsschwierigkeiten auftreten, „zumal auch die Beurteilung der Handelsüblichkeit von Konditionen einem steten Wandel unterliegt“.

Fazit der Gutachter: „Der Wortlaut der Norm ist eindeutig und steht einer weitergehenden Differenzierung zwischen Rabatten einerseits und sogenannten ‚echten Skonti andererseits, die als Zahlungskondition für die vorfristige Zahlung gewährt werden, entgegen.“

Die Autoren gehen selbst davon aus, dass Lieferanten, die sich „auf die Gewährung hoher Skonti zusätzlich zum prozentualen Zuschlag spezialisiert haben“, mit dieser Begründung weiterhin entsprechende Konditionen anbieten werden, die über den prozentualen Zuschlag beziehungsweise die Obergrenze hinausgehen werden. „Bei einer Auslegung der Norm nach den anerkannten juristischen Auslegungsmethoden kann diese Sichtweise jedoch schwerlich überzeugen. Sie ist daneben auch verfassungsrechtlich nicht geboten.“

Damit haben jetzt auch die im Phagro zusammengeschlossenen Großhändler ihr Gutachten in der Öffentlichkeit. AEP – im ersten Skonto-Prozess beklagt – will an seinem Kombimodell festhalten und hat ebenfalls schon ein Gutachten hierzu vorgelegt. Spannend, ob es jetzt wieder Verfahren geben wird. Vor allem das Direktgeschäft und hier besonders die Reimporteure könnten dem Vernehmen nach ins Visier genommen werden.

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