Modellvorhaben

Grippeschutz: Kein Pieks ohne Honorar?

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Berlin -

Mitte November hat der Bundestag das Masern-Schutzgesetz verabschiedet. Die Reform sieht neben einer Impfpflicht für Kinder in 
Gemeinschaftseinrichtungen auch Modellprojekte zur Grippeschutzimpfung in Apotheken vor. Der Bundesrat muss Ende Dezember noch zustimmen, damit das Gesetz im März in Kraft treten kann. Angelaufen ist bereits die Diskussion über die Umsetzung. In der kommenden Woche wird sich der ABDA-Vorstand damit befassen. Viele Fragen sind offen, es gibt Chancen, aber auch Sorgen. Und die Ärzte mauern weiter gegen die Impfungen in Apotheken.

Zuerst meldete sich der Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) zu Wort. Verbandschef Dr. Stefan Hartmann drückt aufs Tempo und drängt die Landesapothekenkammern, das Berufsrecht schnellstmöglich zu ändern: „Die Patienten werden uns dieses Engagement danken. Auch die Ärzte werden es uns danken, wenn sie sich verstärkt um die wirklich Kranken kümmern können und die Praxissprechzeiten nicht zusätzlich ausdehnen müssen.“

Von solcher Dankbarkeit sind jedenfalls die Mediziner in NRW weit entfernt. „Hier in Nordrhein sind wir mit dem Präsidenten der Apothekerkammer einig, dass wir bei der bewährten Aufgabenteilung bleiben, zumal deren Berufsordnung solche Modellversuche zurzeit gar nicht zulässt“, erklärte Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer, jetzt laut Ärzte Zeitung bei der Kammerversammlung in Düsseldorf.

Viele Apotheker würden sich das Impfen gar nicht zutrauen und den Aufwand und das Haftungsrisiko im Vergleich zum Ertrag eher kritisch beurteilen, sagte er. Henke verwies darauf, dass die Ständige Impfkommission (Stiko) die jährliche Impfung gegen Grippe für alle empfiehlt, die ein erhöhtes Risiko haben. Dazu gehören Menschen ab 60 Jahren, chronisch Kranke jeden Alters, Schwangere sowie Bewohner von Alten- und Pflegeheimen und medizinisches Personal. „Und das sollen jetzt Menschen sein, die aufgrund angeblich fehlender Impfsprechstundenzeiten lieber in die Apotheke gehen?“

Auf Nachfrage, wie man es mit den Pilotprojekten zu Grippeschutzimpfungen halten will, verweist die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) auf einen gemeinsamen Impf-Appell mit den Ärzten aus dem Mai, also noch vor der aktuellen Gesetzgebung: „Impfen gehört zum Besten, was je für die Gesundheit entwickelt wurde. Denn wer erfolgreich geimpft ist, wird erst gar nicht krank und trägt zugleich zum Schutz der Menschen in seiner Umgebung bei. Es ist deswegen gut, dass der Gesetzgeber im Fall der Masern gegen Nachlässigkeit und fehlinformierte Impfskepsis vorgehen will“, so die gemeinsame Erklärung von Henke und dem inzwischen ausgeschiedenen AKNR-Präsidenten Lutz Engelen.

Dabei seien sich Apotheker- und Ärzteschaft einig, dass jede Berufsgruppe ihre besondere Kompetenz einbringe. „Die klassische Arbeitsteilung unserer Heilberufe zum Wohle der Patienten hat sich bewährt“, meinten die beiden Kammerpräsidenten vor sechs Monaten. Impfungen müssten daher auch künftig bei Ärzten stattfinden, genauso wie Apothekern als Experten für Arzneimittel das Recht zur Abgabe apothekenpflichtiger Humanarzneimittel im heutigen Umfang erhalten bleiben müsse. „Wir brauchen keine Impfungen in Apotheken und kein Dispensierrecht für die Ärzteschaft“, so Henke und Engelen im Mai. Ob diese Aussage angesichts der Gesetzesänderung noch Bestand hat, will man bei der AKNR erst im Vorstand diskutieren, heißt es dort. Ob man in Nordrhein Pilotprojekte zu Grippeschutzimpfungen umsetzt, ist daher offen.

Auch bei der ABDA in Berlin stellen sich noch viele Fragen. Ein Sprecher verweist allerdings auf den letzten Apothekenklima-Index zum Apothekertag im September. Danach erklärten sich 35 Prozent der Befragten zu Grippeschutzimpfungen in Apotheken bereit. Man werde daher genügend impfwillige Apotheker finden: „Die Diskussion läuft.“ Bei Modellvorhaben müsse ja auch nicht jeder Kammerbezirk mitmachen, heißt es bei beschwichtigend zur Kausa Nordrhein.

Ob der ABDA-Vorstand in der kommenden Woche das Thema Grippeschutzimpfungen abschließend behandelt, ist offen, aber nicht wahrscheinlich. Zu viele Fragen stehen im Raum: Muss die Berufsordnung für Apotheker tatsächlich geändert werden, wie Henke glaubt? Einige Kammerberufsordnungen schließen die Heilkunde aus: „Apothekerinnen und Apothekern ist die Ausübung der Heilkunde verboten“, heißt es beispielsweise in der Berufsordnung der Berliner Kammer. Das hindert laut ABDA aber nicht an einer Beteiligung an Modellversuchen, da es sich nur um zeitlich wie regional befristete Vorhaben handelt. Das muss noch weiter diskutiert werden.

Unklar ist auch, wie viele Apotheken an regionalen Modellvorhaben teilnehmen müssen, damit diese zu belastbaren Ergebnissen führen können. Und wie viele Modellvorhaben sind dazu bundesweit erforderlich? Je mehr Modellvorhaben, umso größer der Ärger der Ärzte, lautet die politische Gleichung. Die Sorge um Konflikte zwischen teilnehmenden Apothekern und Ärzten sind natürlich auch in der ABDA-Zentrale bekannt – dass beispielsweise ein am Modellvorhaben teilnehmender Apotheker die Arztpraxis beliefert und deshalb um seinen Auftrag fürchten muss.

Bei der ABDA verweist man zwar auf die Erfahrungen mit grippeschutzimpfenden Apothekern in Frankreich und der Schweiz. Dort seinen keine Patienten aus Praxen in die Apotheken abgewandert, sondern bisher nicht geimpfte Patienten in die Apotheken gekommen. Allerdings weiß man bei der ABDA auch, dass man solche Dinge in der politischen Diskussion gerne übergeht.

Und dann wäre da noch das Honorar: Das Gesetz sieht nur vor, dass Krankenkassen mit Apothekern und deren Interessenvertretern Modellvorhaben auflegen müssen, wenn sie dazu aufgefordert werden. In den Verträgen dazu sind die Voraussetzungen für Durchführung, Vergütung und Abrechnung zu regeln. Alles ist also Verhandlungssache und da sind die Erfahrungen mit den Kassen nicht immer positiv.

Die ABDA hält es für selbstverständlich, dass für Grippeschutzimpfungen in Apotheken von den Kassen nicht nur der Impfstoff bezahlt wird: „Ohne Honorar kein Pieks.“ Wie die Kassen darüber denken, bleibt abzuwarten. Man verweist auf andere Modellvorhaben wie ARMIN. Auch dort gebe es ein Honorar für die teilnehmenden Apotheken. Neben einem Honorar geht es der ABDA auch um eine „Startfinanzierung“, wenn beispielsweise in Apotheken Impfräume eingerichtet werden müssen.

Viele sensible Frage sind also noch offen. Bis März, dem geplanten Termin für das Inkrafttreten des Gesetzes, bleibt Zeit für deren Klärung. Die nächste Impfsaison startet ohnehin erst im September. Der Impfstoff muss aber bereits im Frühjahr geordert werden.

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