Vorsatz muss geklärt werden

Fall Benzo-Apotheker wird neu aufgerollt

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Berlin -

Das Verfahren gegen einen Apotheker wegen der illegalen Ausfuhr von Betäubungsmitteln (BtM) muss neu aufgerollt werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) verwies die Sache zurück an das Landgericht Landshut (LG). Die Karlsruher Richter stellten aber auch klar, dass man sich als Apotheker nicht ohne eigenes Nachdenken auf schmale Auskünfte von Rechtsanwälten der eigenen Kammer verlassen darf.

Das Landgericht hatte Ende Januar 2018 bereits sieben Mitglieder einer Bande verurteilt, die BtM in die USA verkauft hatten. Vier beteiligte Ärzte hatten nach Ferndiagnose die Betäubungsmittelrezepte ausgestellt, verordnet waren Wirkstoffe wie Diazepam, Lorazepam, Tetrazepam oder Zolpidem. Die beteiligten Apotheken verschickten die Medikamente an Kunden in den USA. Ärzte und Apotheker achteten laut Gerichtsakten darauf, dass die jeweils zulässige Höchstmenge für drei Monate pro Kunde nicht überschritten wurde. Ansonsten gingen die Rezepte „in das System zurück“. Keiner aus der Gruppe hatte allerdings eine Berechtigung zur Ausfuhr von Betäubungsmitteln.

Der Apotheker, dessen Fall vor dem BGH verhandelt wurde, soll zwischen Juni 2007 und August 2008 in 7129 Fällen Tabletten mit den genannten Wirkstoffen ins Ausland verbracht haben. Dafür bekam er eine Provision zwischen ein und zwei Prozent, an den erheblichen Gewinnen zwischengeschalteten Aktiengesellschaft hatte er dagegen keinen Anteil. Bei 19 seiner Lieferungen überstiegen die verschickten Medikamente die Grenzen zur nicht geringen Menge. Sein Verfahren war abgetrennt worden, weil das Gericht feststellen musste, in welchem Umfang er beteiligt war.

Ein Anwalt hatte dem Apotheker ein vermeintliches Gutachten präsentiert, dass die Rechtmäßigkeit des Handels belegen sollte, ihm dieses allerdings nicht ausgehändigt. „Zudem erhielt der Angeklagte von der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz die telefonische Auskunft, gegen den Versand von Medikamenten ins Ausland auf der Grundlage von Rezepten bestünden keine Bedenken“, so der BGH.

Jeder kennt den Ausspruch: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Allerdings kennt die Rechtsprechung auch den „unvermeidbaren Verbotsirrtum“ – in diesem Fall kann der Täter nichts für seine Fehleinschätzung. Diese Hürde ist allerdings hoch – und wurde im konkreten Fall nach Einschätzung des BGH auch gerissen. Denn der Täter muss „alle seine geistigen Erkenntniskräfte einsetzen, Zweifel durch Nachdenken oder durch Einholung verlässlichen und sachkundigem Rechtsrats beseitigen." Auch darf der Täter „nicht vorschnell auf die Richtigkeit eines ihm günstigen Standpunkts vertrauen“. Maßgebend seien die jeweils konkreten Umstände, Bildungsstand, Erfahrung und berufliche Stellung.

Für den konkreten Fall bedeutet das: „Der Rat eines Rechtsanwalts ist nicht ohne weiteres bereits deshalb vertrauenswürdig, weil er von einer kraft ihrer Berufsstellung vertrauenswürdigen Person erteilt worden ist.“ Erkennbar vordergründige und mangelhafte Auskünfte könnten den Täter nicht entlasten. Bei komplexen Sachverhalten müsse man eben ein detailliertes Gutachten einholen.

Auch auf die telefonische Auskunft der Apothekerkammer durfte sich der Apotheker nicht ohne weiteres verlassen: „Unzutreffende Auskünfte unzuständiger Behörden“ zählen nur dann als Ausrede, wenn sich für den Täter die fehlende Zuständigkeit und Beurteilungskompetenz nicht aufdrängt. Einem Apotheker müsse jedoch bekannt sein, dass der Handel mit Benzodiazepinen wegen der erhöhten Suchtgefahr einer besonderen betäubungsmittelrechtlichen Kontrolle unterliegt und Erlaubnis bedarf. Der Apotheker hätte laut Urteil auch erkennen können, dass er sich für die Erteilung einer solchen Genehmigung an das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hätte wenden müssen.

In diesem Punkt hatte die Revision des Apothekers also keinen Erfolg. Dennoch wurde die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Der BGH hat das Urteil der Vorinstanz teilweise aufgehoben. Es geht vor allem um die 19 Fälle, bei denen nicht nur der Versand an sich illegal war, sondern auch die definierten Höchstmengen überschritten wurden. Das Landgericht habe den Tatvorsatz des Angeklagten hier nicht tragfähig belegt, so der BGH.

Entscheidend war laut BGH, welches Potenzial für eine Abhängigkeitserkrankung die Medikamente in sich bargen und ab welcher Dauer die Einnahme die Gefahr des schädlichen Missbrauchs mit sich brachte. Damit hätte sich das LG auseinandersetzen müssen, um einen Vorsatz des Apothekers zu belegen. „So aber fehlt eine Begründung, warum der Angeklagte bei einer Berechnung anhand eines dreimonatigen Zeitraums einen schädlichen Missbrauch zumindest für möglich hielt und sich damit abfand.“

Bei der Frage des Vorsatzes geht es vereinfacht gesagt unter anderem um die Frage, ob die 7148 Ausfuhrgeschäfte als einzelne Tathandlungen gezählt werden oder zusammen beurteilt werden müssen. Der BGH gibt dem LG folgenden Hinweis: „Der Schuldspruch ist daher auf das Grunddelikt der unerlaubten Ausfuhr von Betäubungsmitten (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Variante 5 BtMG) und auf Tateinheit abzuändern.“ Der Schuldspruch an sich wegen unerlaubter Ausfuhr von Betäubungsmitteln werde von den Feststellungen getragen.

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