Podcast über Fehlerkultur

Eine Folge voller Fehler APOTHEKE ADHOC, 19.08.2021 09:27 Uhr

Eine Folge voller Fehler
Eine Folge voller Fehler – NUR MAL SO ZUM WISSEN
Berlin - 

Worüber wird ziemlich ungern, wahrscheinlich zu selten und oft auch falsch gesprochen? Über Fehler. Warum sie passieren und wie jede:r selbst und das Team damit umgeht. Deshalb haben sich ADHOC-Herausgeber Thomas Bellartz und Chefredakteur Alexander Müller in der neuen Folge ihres Podcasts NUR MAL SO ZUM WISSEN einmal eingehend mit der Fehlerkultur befasst – in Apotheken und anderswo.

Fehler gehören zum Alltag – kleine und große. Manchmal können auch kleine Fehler große Auswirkungen haben, wie der Fall Annalena Baerbock zeigt. Ungenauigkeiten in der Biografie haben einen gefühlt unverhältnismäßig großen Einfluss auf die politische Karriere. Auch über das Grinsen von Armin Laschet im Hochwassergebiet wurde kurzzeitig mehr diskutiert als über die Flutkatastrophe.

Ein Fehler als Abweichung von der Norm ist laut Müller nicht per se etwas Schlechtes. Apotheker:innen als Naturwissenschaftler wissen, dass die Evolution ohne „Fehler“ nicht möglich wäre. Und auch in ihrer eigenen Wissenschaft beruhte die Entdeckung des Penicillins auf einem sehr berühmten Fehler.

Trotzdem sollten in einem Apothekenteam Fehler so gut wie möglich vermieden werden. Immerhin geht es hier um die Gesundheit von Menschen, zuweilen um Leben und Tod. Bellartz erinnert an den tragischen Fall in einer Kölner-Apotheke, wobei Lidocain statt Glukose abgegeben wurde und eine Mutter und ihr ungeborenes Kind starben. Das Verfahren läuft noch. Gerade solche folgenschweren Fehler würden dazu führen, dass man sich alle Strukturen anschaut, die Abläufe, das interne Kontrollsystem. Das führt Bellartz zu der Frage: Dürfen wir uns in der Apotheke eine Fehlertoleranz überhaupt leisten?

„Ich glaube, man kann die Frage gar nicht stellen, ob wir uns das leisten können“, entgegnet Müller. Denn wo immer Menschen am Werk seien, würden Fehler gemacht. Und auch Computer – da von Menschen gemacht – seien nicht fehlerfrei. „Wir können die Fehlerhäufigkeit nur auf ein Minimum reduzieren und das ist die Verpflichtung von allen. Und je höher das zu schützende Gut, desto intensiver muss das betrieben werden. Ich glaube, das wird im Gesundheitswesen sehr gut gemacht.“

Eine Frage der guten Fehlerkultur ist es Müller zufolge dann, dass sich die Mitarbeiter:innen – genauso wie die Chefs und Chefinnen – trauen, Fehler zuzugeben. „Dann kann man daraus lernen. Kreativ auf Fehler zu schauen, das ist ganz wichtig und sich zu fragen: Warum ist das jetzt eigentlich passiert? Welche Fehler haben wir im Vorfeld gemacht, die zu diesem Fehler geführt haben?“

Die Apotheken mit ihren Pflichtfortbildungen und einer strengen Überwachung sind strukturell schon gut gegen Fehler abgesichert. Aber Bellartz ist überzeugt, dass das nicht reicht: „Da kann man sich nicht darauf verlassen, dass der Pharmazierat vorbeikommt, sondern es auch darum, dass man selbst Verantwortung übernimmt. Ich glaube, Fehler und Verantwortungsübernahme haben viel miteinander zu tun. Aber dann muss man sich eben darauf verlassen können, dass man nicht jedes Mal eins auf die Nase bekommt.“

Etwas, das die Standesvertretung der Apotheker:innen aktuell nicht besonders gut vorlebt. Wenn der Deutsche Apothekerverband (DAV) das Desaster mit den Impfzertifikaten als großen Imagegewinn für die Apotheken feiert und keine weiteren Konsequenzen aus der Affäre ziehen will, dann ist das für die Podcaster ein Beispiel absolut mangelhafter Fehlerkultur. Bellartz erkennt darin eine klassische Management-Strategie: „Einfach gar nicht auf Fehler eingehen.“

Ein anderer Umgang ist die Beschönigung, wenn etwa bei Ärzt:innen vom „Kunstfehler“ gesprochen werde. „Das klingt so, als wenn er der Meister mal eben mit dem Pinsel ausgerutscht wäre, aber eigentlich ist es ein Behandlungsfehler. Der Arzt hat sich nicht so verhalten, wie es hätte machen müssen“, so Müller. Beide sind aber überzeugt, dass dieses Überhöhen der „Halbgötter in Weiß“ überwunden wird in Zeiten von Zweitmeinungen und tendenziell informierten Patient:innen.

Der Podcast NUR MAL ZUM WISSEN erscheint immer donnerstags überall, wo es Podcasts gibt sowie als Video-Podcast bei Youtube mit ergänzendem Bildmaterial. Jetzt reinhören!

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