Nullretaxationen

Die Straßennamenretax Alexander Müller, 09.03.2018 10:06 Uhr

Berlin - 

Eine Retaxation über 26,66 Euro ist normalerweise nichts, was Apotheker Dr. Thomas Künzer aufregt. Doch in diesem Fall hat er einen Anwalt mit der Klärung beauftragt. Denn die angeblich offensichtliche Rezeptfälschung – das ist der Retaxgrund – wurde auch bei anschließend von Künzer durchgeführten Tests von niemandem erkannt.

Der Patient kam mit einem Rezept über zweimal Zopiclon AbZ 7,5 mg, 20 Stück in die Apotheke. Die Überschreitung der Höchstdosis war mit Ausrufezeichen und dem Hinweis „wegen Urlaub“ begründet. Das Präparat wird zwar regelmäßig auf Privatrezepten verordnet, in Künzers Sertürner Apotheke in Köln aber aufgrund der räumlichen Nähe zur Ambulanz der psychiatrischen Landesklinik häufig auch zu Lasten der Krankenkassen verschrieben.

In diesem Fall soll es sich um einen Versicherten der AOK Rheinland/Hamburg gehandelt haben. Name und Anschrift des Patienten waren allerdings erfunden. Und genau das hätte Künzer aus Sicht der Kasse auch auffallen müssen. Telefonisch wurde er von einer Mitarbeiterin der Kasse darauf hingewiesen, dass die Xantener Straße getrennt geschrieben wird und nicht wie auf dem Rezept in einem Wort.

Davon ist in dem offiziellen Schreiben der Kasse nicht die Rede. Hier wird die Retaxation begründet mit: „erkennbare Fälschung oder erkennbarer Missbrauch“. Die Folge ist eine Vollabsetzung des Betrags.

Künzer will das nicht hinnehmen: „Ich habe das beanstandete Rezept mehreren erfahrenen Apothekern und PTA mit der Frage nach dem Retaxgrund gezeigt. Keiner ist auf die Idee gekommen, dass das Rezept gefälscht ist“, so der Apotheker gegenüber APOTHEKE ADHOC. Selbst der Kölner Kreisvertrauensapotheker mit mehr als 30 Jahren Offizinerfahrung sei nicht misstrauisch geworden.

Aus Sicht der Mitarbeiterin der AOK Rheinland/Hamburg hätte Künzer dagegen allein wegen der Verordnung von Zopiclon misstrauisch werden müssen. Denn vor solchen Fällen sei von offizieller Seite explizit gewarnt worden. Tatsächlich gibt es ein entsprechendes Rundschreiben der Amtsapothekerin der Stadt Köln – vom 29. September 2016.

Darin wurde in der Tat vor gefälschten Zopiclon-Rezepten aus der betroffenen Praxis gewarnt und zwar in genau der betroffenen Dosierung. Allerdings heißt es in dem Schreiben auch, dass die „Fälschungen schwer ersichtlich sind, da formalrechtliche Vorgaben, insbesondere nach der Arzneimittelverschreibungsverordnung korrekt übernommen werden“. Die Rezepte würden oft im Notdienst eingereicht sowie bei Apotheken, die sich nicht in der Nähe der Arztpraxis befänden.

Künzer findet es vor allem auch nachvollziehbar, dass sich seine Mitarbeiterin nach so langer Zeit nicht mehr an das Schreiben erinnerte. Der Apotheker fühlt sich schikaniert: „Ich frage mich, worauf die Apotheken bei ihrer täglichen Suche nach Formfehlern sonst noch achten müssen, um nicht retaxiert zu werden. Vielleicht muss ich bei nächster Retaxation daran glauben, weil die Papierqualität des Rezeptblattes die in irgendeiner Verordnung festgelegte Qualität nicht erfüllt. Und natürlich frage ich mich auch, warum die Arztpraxis nicht sorgfältiger mit ihren Blankorezepten umgeht und von der AOK nicht belangt wird.“