Sonnen-Apotheke Wutöschingen

Dauerhafte Notlösung: Fünf Jahre im Container

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Berlin -

Die Apotheke im Container ist normalerweise nur ein vorübergehender Notbehelf – eigentlich hatte Apotheker Bernd Vollminghoff das auch so geplant. Nur leider kommt das Wort „kurz“ in „Provisorium“ nicht vor: Wenn er seine neue Apotheke beziehen kann, wird sein Team nämlich ganze fünf Jahre im Container verbracht haben.

Wie die meisten Provisorien begann auch Vollminghoffs Container-Apotheke mit einem Notstand: Im beschaulichen Wutöschingen unweit der Schweizer Grenze in Baden-Württemberg wurde im April 2013 die einzige Apotheke geschlossen und dem Inhaber wegen massiver Mängel die Betriebserlaubnis entzogen. Damit schlug die Stunde von Apotheker Bernd Vollminghoff, der im Nachbarort Stühlingen die Schloss-Apotheke betreibt und vor hatte, den Standort für eine eigene Filiale zu nutzen.

„Wir haben damals mit dem Hauseigentümer in Kontakt aufgenommen und uns das Gebäude angeschaut“, erinnert er sich. „Da hat mich fast der Schlag getroffen. Das sah aus, als ob da Mietnomaden drin waren, heruntergekommen und viel zu klein. Das war nicht nutzbar. Ich frage mich, wie das der Pharmazierat überhaupt einmal hat durchgehen lassen.“ Die alte Immobilie fiel also aus. Was tun? Ein Mitarbeiter des Kommissionierautomatenherstellers Apostore habe ihn dann auf die Idee mit dem Container gebracht.

Die ist zwar unkonventionell, „aber die Apothekenbetriebsordnung gibt nirgendwo vor, ob man die Apotheke in einer Holzhütte, einem Metallhaus oder einem ganz normalen Gebäude betreibt“, so Vollminghoff. Von der Gemeinde kam indes Rückendeckung, ihr war schließlich auch daran gelegen, die medizinische Versorgung im Ort sicherzustellen. „Das ist ein wachsender Ort, an dem sich auch Industrie ansiedelt. Apotheker und Ärzte zu finden, ist aber auch wegen des Lohngefälles zur Schweiz schwer“, erklärt Vollminghoff.

Vor allem für die älteren Bewohner war es eine Zumutung, für Arzt- und Apothekenbesuche auf die umliegenden Gemeinden auszuweichen. Deshalb sollte eine Lösung gefunden werden: Ein Investor baut ein neues Objekt, in dem sich Zahnärzte, Allgemeinmediziner und eine Apotheke ansiedeln sollen. Bis es so weit ist, herrsche jedoch eine Versorgungslücke. Also schaute Vollminghoff sich in der Region um – und fand MDS Raumsysteme.

Und so wurde nach anderthalb Jahren die Versorgungslücke geschlossen: Im Herbst 2014 eröffnete Vollminghoff seine Sonnen-Apotheke im Containerkomplex – der selbstverständlich allen Regeln der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) entsprechen muss. Deshalb mussten nicht nur Wasser, Abwasser, Strom, Telefon und Internet verlegt, sondern auch für die notwendige Temperaturregulierung gesorgt werden. Geräte, die sowohl als Klima- als auch als Heizanlage dienen, helfen da aus.

So haben Vollminghoff und MDS in neun Containern insgesamt 188 Quadratmeter Apothekenfläche geschaffen, davon 30 Quadratmeter Verkaufsraum, 12 Quadratmeter Labor, 8 Quadratmeter Rezeptur und ein 5 Quadratmeter großer Beratungsraum, der auch als Notdienstfenster und Schleuse für die Nachtanlieferung dient. Rund 10.000 Euro habe ihn Transport und Aufbau gekostet, seitdem fällt nur noch die Miete an. Aber da habe das Unternehmen mit sich reden lassen. Nachdem der erste Zweijahresvertrag ausgelaufen war, konnte er eine geringere Miete verhandeln.

Wichtig sei damals beim Bau die enge Abstimmung mit den Behörden gewesen: „Ich habe die Pläne noch während der Entwicklungsphase immer gleich ans Regierungspräsidium Freiburg geschickt. Die gaben mir dann Rückmeldung und sagten ‚Schieben Sie noch das und das dahin und dahin‘“, erklärt er. „Die waren am Anfang skeptisch, aber fanden es am Ende ganz toll. Zur Abnahme kamen dann gleich zwei Damen, weil sie selbst neugierig waren.“

Das Ergebnis habe dann alle überrascht. „Ich war selbst verwundert, wie hochwertig das Ganze ist“, sagt Vollminghoff. „Die Kunden waren waren erstaunt, weil sie eine viel spartanischere Einrichtung erwartet hatten und auch meine Mitarbeiter hatten vorher nicht gedacht, dass es sich in einem Container so angenehm arbeiten lässt.“

Die Ausstattung lasse zumindest nichts zu wünschen übrig – bis auf einen Automaten. „Wenn man nicht mehr gewohnt ist, mit Schubladen zu arbeiten, ist es natürlich schwerer“, gibt er zu bedenken. Auch die Lagermöglichkeiten sind vergleichsweise begrenzt, doch da schaffe die Hauptapotheke im Nachbarort Abhilfe. Vollminghoff versichert: „Nur weil wir in einem Container sind, sind wir noch lange keine Apotheke light. Die Apothekenbetriebsordnung gilt überall gleichermaßen.“

Dennoch, für immer würde auch er nicht im Container bleiben wollen. „Wenn man so etwas dauerhaft betreiben würde, müsste es größer sein“, sagt er. Und wenn es größer wäre? „Naja, wenn die Dinger halten… Vier, fünf Jahre sind vollkommen in Ordnung, aber die Kollegen freuen sich auch darauf, wieder in einem richtigen Gebäude zu arbeiten.“ Das befindet sich derzeit noch im Bau, ab Herbst soll es bezugsfertig sein – dann ist die Sonnen-Apotheke ziemlich genau fünf Jahre vor Ort.

Seine Erfahrungen würde er gerne teilen. Kollegen, die ähnliches erwägen, rät er zu Mut. „Es waren schon mehrmals Kollegen da, die sich informieren wollten, wie wir das bewerkstelligt haben. Wenn jemand mit dem Gedanken spielt, kann er sich gern immer bei mir melden.“ Bei so viel Liebe zum Blech, wird er den Container da nicht auch ein wenig vermissen, wenn er wieder zwischen Holz und Beton arbeitet? „Wir haben ja viele Bilder gemacht, die kann man sich angucken“, weicht er aus und lacht. „Aber ich werde natürlich gern zurückdenken, schließlich war es eine tolle Zeit, die mir gezeigt hat, was man erreichen kann, wenn man es nur durchzieht. Es war eine richtige und wichtige Entscheidung!“

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