Apotheker gibt klein bei

Da habt ihr eure Schnäppchen! Silvia Meixner, 18.09.2018 08:00 Uhr

Berlin - 

Jahrelang hat der Berliner Apotheker Thomas Bong gegen Schnäppchen gekämpft. Seit drei Monaten bietet er sie an. Zweimal in der Woche. „Nicht freiwillig“, sagt er. Aber wenn die Konkurrenz ringsum die Preise senkt, kann man dauerhaft nicht dagegenhalten.

„Ich habe jahrelang versucht, den Kunden zu erklären, dass Beratung und meine Zeit mehr wert sind als drei Euro zu sparen“, sagt er. Vergeblich. Immer wieder forderten die Kunden Preisnachlässe ein. Weil sie es einfach einmal versuchen wollten oder dasselbe Produkt im Internet um 3,20 Euro günstiger gesehen hatten. „Meine Mitarbeiter sind bei den Preisen flexibel mitgegangen und den Kunden gelegentlich entgegengekommen“, sagt Bong. Wenn das Produkt im Internet etwa fünf Euro billiger war, einigte man sich in der Mitte und beide Seiten waren zufrieden.

Bong ist grundsätzlich gegen Schnäppchen. Aber seine Lage in der Wilmersdorfer Straße in Berlin gibt eine Protesthaltung nicht länger her. Die Apothekendichte im Bezirk Charlottenburg ist hoch; lässt der Apotheker hier nicht mit sich handeln, gehen die Kunden eben zur Konkurrenz. Irgendeiner wird sich schon auf einen Deal einlassen.

Zudem werden die Wilmersdorfer Arcaden, in denen sie sich befindet, gerade renoviert. Die Arbeiten dauern noch bis Sommer 2019. Das ist eine lange Zeit, wenn weniger Kunden vorbeilaufen als zuvor. Obwohl die Bong-Apotheke strategisch günstig gleich am Eingang liegt und einen weiteren Eingang an der Aussenseite der Arcaden hat. „Mit den Schnäppchen zeigen wir unseren Kunden auch, dass wir bleiben. Es ist eine schwierige Situation hier. Im Einkaufscenter liegt der Leerstand derzeit bei 50 Prozent“, erläutert Bong.

Um nicht täglich Schnäppchenjägern ausgesetzt zu sein, gibt es in seiner Apotheke nur an zwei Tagen in der Woche Sonderangebote. Am Mittwoch und Freitag sind „Spartage“, es gibt 20 Prozent Preisnachlass auf alle Artikel, die nicht verschreibungspflichtig oder bereits reduziert sind. Informiert werden die Kunden online via Website, manche stehen schon am Vortag in der Offizin und fragen nach, was es am nächsten Tag günstig geben wird.

Bong steht der eigenen Entscheidung zwiespältig gegenüber und will abwarten, wie die Bilanz nach einem halben oder einem Jahr aussieht. Zwar kommen an den Schnäppchentagen mehr Kunden als an normalen Tagen, der Umsatz relativiert sich aber durch die Preisnachlässe. Womit wir wieder beim Thema Beratung wären. „Wenn sich die Apotheke vor Ort halten will, muss man sich die Zeit für die Beratung nehmen“, ist er überzeugt, „denn nur dadurch können wir uns vom Internet abheben.“ Seinen Mitarbeitern predigt er unermüdlich: „Schenkt den Kunden Euer Wissen, denn nur das sichert langfristig Euren Arbeitsplatz.“

Zu einer perfekten Beratung gehört für ihn nicht nur, dass die Mitarbeiter kompetent sind und sich Zeit nehmen, sondern auch ein perfekter Lieferservice, der Umstand, vieles vorrätig zu haben und die Freundlichkeit des Personals. „Ich möchte in meiner Apotheke keine Massenabfertigung haben.“

Die Jagdlust nach Schnäppchen erklärt sich der Apotheker so: „Es ist einfach ein Trend, Schnäppchen sind in Mode.“ Privat verzichtet er darauf: „Ich kaufe immer vor Ort, bestelle nichts online.“ Und er handelt nicht um den Preis eines Pullovers. „Durch das Internet sind Menschen daran gewöhnt, ständig Preise zu vergleichen.“

Parallel zu seiner Arbeit in der Offizin engagiert sich Bong seit 20 Jahren als Vorsitzender der AG Wilmersdorfer Straße. Die Geschäftsinhaber treffen sich einmal im Monat, um aktuelle Probleme und Pläne zu besprechen. „Wir kümmern uns um die Straße“, sagt er. Die hat viele Aufs und Abs erlebt, mal war sie schmuddelig, dann wieder ein bisschen netter. Derzeit bietet sie ein freundliches Bild, man kann in Straßencafés sitzen, Einkäufe erledigen, das Angebot ist breit gefächert.

Trotz des Schnäppchen-Ärgers ist Bong von Herzen gern Apotheker. „Mein Vater war Arzt und Apotheker und er hat mir geraten, Apotheker zu werden. Dafür bin ich ihm bis heute dankbar“, erzählt er. „Man hat als Apotheker jeden Tag Erfolgserlebnisse. Ich stehe seit über 48 Jahren in der Apotheke.“ Wer die Bong-Apotheke betritt, erblickt links in der Ecke einen gemütlichen Korbstuhl. „Viele Kunden nehmen gern darin Platz.“ Er hat eine besondere Geschichte: „Es war der Lieblingsstuhl meiner Mutter, die im Alter von 96 Jahren verstorben ist. Immer, wenn ich sie besuchte, saß sie darin und hat mich begrüßt“, erzählt Bong. Kunden sollen ihn gern nutzen. Es gibt nur ein Problem: Wenn man einmal darin sitzt, steht man nur sehr ungern wieder auf.