Streit um „Sofortbedarf“

Corona-Posse: Bundeswehr retaxiert „Blitz-Rezept“

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Berlin -

Woran würden Sie denken, wenn eine Verordnung mit dem Hinweis „Sofortbedarf“ versehen ist? Vermutlich an einen Akut- oder Notfall, der eine dringende Versorgung notwendig macht. Birgit Möllenkamp weiß es mittlerweile besser – denn sie musste sich tief in die Materie einarbeiten, nachdem ihr wegen des Vermerks ein Rezept auf Null gekürzt wurde.

In dieser Woche erhielt die Inhaberin der Sonnen-Apotheke in Mettingen bei Osnabrück von ihrem Rechenzentrum ein Rezept über Delix im Wert von 16 Euro zurück, das zulasten der Bundeswehr abgerechnet werden sollte. Weil die Belieferungsfrist überschritten sei, sei einer Vergütung der Leistung nicht möglich, schrieb das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr mit Sitz in Strausberg bei Berlin.

„Es wurden Leistungen berechnet, die über die vom Truppenarzt eingetragene Gültigkeitsdauer hinausgehen“, hieß es zur Erläuterung. „Die Frist beginnt mit dem Ausstellungstag und endet mit Ablauf des übernächsten Tages, unabhängig ob Wochenendtage oder Feiertage dazwischen liegen. Fällt das Fristende auf einen Sonnabend, Sonntag oder einen am Erklärungs- oder Leistungsort staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.“

Das klang in seiner Ausführlichkeit sehr entschlossen, aber Möllenkamp erinnerte sich dunkel daran, dass es doch einen Arzneiliefervertrag mit der Bundeswehr gab. Und tatsächlich: 1996 hatten Verteidigungsministerium und Deutscher Apothekerverband (DAV) eine entsprechende Vereinbarung geschlossen, in der auf knappen sechs Seiten alle wesentlichen Abgabevorschriften enthalten sind.

In §3 Abs. 12 heißt es: „Die Mittel dürfen nur abgegeben werden, wenn die Verordnung innerhalb von 2 Monaten nach der Ausstellung der Verordnung in der Apotheke vorgelegt wird. Ist auf der Verordnung eine abweichende Gültigkeitsdauer angegeben, ist diese maßgeblich.“

Möllenkamp griff zum Telefonhörer und rief beim Bundesamt an. Die Sachbearbeiterin war – „wegen coronabedingten Einschränkungen“ – nicht zu erreichen, eine andere Kollegin instruierte sie nun, dass es – ebenfalls wegen Corona – interne Anweisungen in der Behörde gebe, dass Rezepte mit dem Vermerk „Sofortbedarf“ nur zwei Tage gültig seien.

Die Apothekerin konnte diese Argumentation nicht nachvollziehen und entgegnete nun, dass der Liefervertrag ja eine andere Frist vorgebe und dass dieser ihres Wissens nach – auch trotz Corona-Pandemie – nicht fristlos gekündigt worden sei. Ob der Vermerk „Sofortbedarf“ nicht vielmehr so zu verstehen sei, dass die Angehörigen der Bundeswehr damit ausnahmsweise in eine zivile Apotheke gehen dürften, wenn das Arzneimittel in der Bundeswehrapotheke nicht oder nicht schnell genug zur Verfügung stehe.

Diesen Einwänden wusste nun wiederum die Sachbearbeiterin wohl nichts entgegenzusetzen, jedenfalls wurde Möllenkamp nach interner Rücksprache versichert, dass das Rezept nun doch bezahlt würde, wenn sie es erneut einreichen würde.

„So sinnlos wie nur irgendwas!“, schimpft Möllenkamp, nachdem sie den Vorgang geschildert und eine kurze Pause gemacht hat. „Aber das ist ja unser ‚Spezialgebiet‘! Man ist einfach nur noch sauer, dass alle möglichen Stellen einem die Arbeit schwer machen und sich dann auch noch mit ‚Corona‘ rausreden! Nur von Ärzten, Apothekern, Pflegern, Polizisten und auch Soldaten wird wohl eine Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit verlangt.“

 

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