Bundesgerichtshof

Schadenersatz wegen Rezeptverstoß

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Berlin -

Geben Apotheker verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Rezept ab, droht nicht nur Ärger mit Kammer und Aufsicht, sondern möglicherweise auch eine Schadenersatzforderungen von Konkurrenten. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Rezeptpflicht können sich Apotheker gegenseitig kontrollieren – und zur Kasse bitten.

Die Karlsruher Richter haben eine Apothekerin zunächst zur Zahlung von 1099 Euro an einen benachbarten Kollegen verpflichtet, weil sie den Blutdrucksenker Tri-Normin 25 ohne Verordnung abgegeben hatte. Doch das betrifft zunächst nur die Kosten für die Unterlassungserklärung. Der klagende Apotheker hat laut BGH zusätzlich Anspruch auf Schadenersatz. Etwaige Forderungen müssen vermutlich in späteren Verfahren geklärt werden, wenn sich die Parteien nicht außergerichtlich auf Zahlungen einigen.

Einen konkreten Schaden nachzuweisen, sei zwar normalerweise alles andere als einfach, erklärt Rechtsanwalt Florian Steiner von der Kanzlei Schotthöfer & Steiner, der den klagenden Apotheker vor Gericht vertritt. Im konkreten Fall sei die Konstellation jedoch günstig, da die beklagte Apothekerin durch Zeugenaussagen belastet werde.

Die Kundin hatte den Blutdrucksenker nämlich zuerst in der Apotheke des Klägers verlangt und war an den ärztlichen Notdienst verwiesen worden. Anschließend hatte sie das Präparat in der benachbarten Apotheke doch ohne Rezept erhalten – was sie dem Apotheker bei einem neuerlichen Besuch auch verkündete. Vor Gericht hat sie Steiner zufolge in erster Instanz sogar zugegeben, deswegen dauerhaft die Stammapotheke gewechselt zu haben.

Der Apotheker hatte die Kollegin schon länger im Verdacht, dass Verstöße gegen die Verschreibungspflicht keine Ausnahme seien. Daher hatte er zunächst eine Unterlassungserklärung ohne finanzielle Forderungen verlangt – ohne Erfolg. Die Sache ging vor Gericht, mit bekanntem Ausgang. Parallel hatte der Apotheker Strafanzeige gestellt. Aus den Zeugenaussagen der befragten Mitarbeiter soll sich Steiner zufolge ergeben, dass tatsächlich wiederholt Rx-Präparate ohne Vorlage einer Verordnung abgegeben wurden.

Der BGH hat dem Apotheker auch Anspruch auf Auskunft gegenüber der Kollegin zugestanden. Angesichts des laufenden Ermittlungsverfahrens rechnet Steiner hier mit wahrheitsgetreuen Angaben. Auf dieser Grundlage könnten dann Schadensersatzforderungen geltend gemacht werden. Beispielsweise könnten die Vorjahresumsätze der Kundin herangezogen werden, deren Fall das Verfahren ausgelöst hat.

Laut dem Urteil des BGH sind Verstöße gegen die Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) auch wettbewerbsrechtlich relevant. Hintergrund ist eine Regelung im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG), wonach sämtliche Marktverhaltensregeln herangezogen werden können, die aus anderen Gesetzen resultieren. Viele wettbewerbsrechtliche Verfahren im Apothekenbereich drehen sich daher um Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz (AMG), die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), das Heilmittelwerbegesetz (HWG) oder die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO).

Anlass für ähnliche Fälle dürfte es somit auch in Zukunft geben. Mancher Apotheker hat von Kunden den Satz gehört, beim Kollegen würden sie das Rx-Medikament auch schon einmal ohne Rezept erhalten. Womöglich werden sich mehr Apotheker als früher nach dem BGH-Urteil für Details interessieren.

Eine Welle gegenseitiger Abmahnungen erwartet Steiner aber nicht. Dafür sei der verhandelte Einzelfall zu speziell. Auch bei der Wettbewerbszentrale geht man nicht von einer Vielzahl entsprechender Klagen aus. Schließlich müssten Unterlassungsklagen sehr genau definiert werden, so Rechtsanwältin Christiane Köber.

Ein generelles Verbot der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne Vorlage eines Rezeptes beispielsweise sei wettbewerbsrechtlich mit einer Unterlassungserklärung kaum durchsetzbar, so Köber. Denn immerhin gebe es die zulässige Ausnahme in der AMVV. Demnach dürfen Apotheker in Notfällen auch ohne Rezept verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben. Eine telefonische Genehmigung des behandelnden Arztes ist ebenfalls ausnahmsweise möglich.

Sicherer ist es Köber zufolge, den Verstoß sehr konkret abzumahnen. Später kann dann gegebenenfalls ein „kerngleicher Verstoß“ geltend gemacht werden, damit eine Vertragsstrafe oder ein Ordnungsgeld verhängt werden können.

Auch mit dem Beweis ist es nicht immer einfach: Testkäufe unter Kollegen sind zwar erlaubt, aber es gibt Grenzen. Wenn der Testkäufer als sogenannter „agent provocateur“ ein unlauteres Verhalten durch zu nachhaltiges Einwirken erst provoziert, kann dies als Rechtsmissbrauch gewertet werden.

Das Konstruieren einer persönlichen Notlage etwa kann in diesen Bereich fallen. Allerdings gebe die Rechtsprechung auch Testkäufern in Apothekern hier relativ großen Spielraum, berichtet Steiner. Die Umstände des Einzelfalls seien entscheidend.

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