Buchvorstellung

Märchen vom Apotheker

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Berlin -

Wer hätte es gedacht: Ludwig Bechstein hat nicht nur Märchen gesammelt, sondern auch als Apotheker gearbeitet. Mit diesem Teil von Bechsteins Leben beschäftigt sich der Chemiker Dr. Georg Schwedt im Buch „Der Märchenpoet Ludwig Bechstein als Apotheker“.

Bechsteins bekanntestes Werk ist sein „Deutsche Märchenbuch“, das 1845 erstmals veröffentlicht wurde. Darin enthalten sind Bechsteins Überarbeitungen von Märchen der Gebrüder Grimm, beispielsweise Dornröschen, Hänsel und Gretel sowie Aschenputtel, die bei Bechstein allerdings Aschenbrödel heißt.

Schwedt fasst in seinem Buch die Lebensgeschichte des Märchenschreibers: Bechstein wurde 1801 als uneheliches Kind in Weimar geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Seine Eltern starben, als er erst neun Jahre alt war. Daher wurde er von seinem Onkel adoptiert, dem Forstwissenschaftler Dr. Matthäus Bechstein. Der riet seinem Neffen von einem naturwissenschaftlichen Studium ab, weil dieser schon als Gymnasiast lieber am liebsten Gedichte schrieb.

Bechstein entschied sich für die Pharmazie. Damals war Apotheker ein Ausbildungsberuf: Von 1818 bis 1821 ging er in der Arnstädter Apotheke unter der Galerie in die Lehre und wurde vom Inhaber Johann Kühn ausgebildet. Bechsteins Ausbildungsapotheke existiert noch heute: Sie wird seit 2009 von Sebastian Wild geführt. Allerdings befindet sich die Apotheke nicht mehr in den gleichen Räumlichkeiten: In den 1970er Jahren ist sie vom Markt 14 in das Gebäude Markt 15 umgezogen.

In den Erzählungen „Der Lehrling zum König Salomo“, erschienen 1832, und „Der Gehülfe zum König Salomo“ aus dem Jahr 1835 setzte sich Bechstein schriftstellerisch mit seiner Zeit in der Arnstädter Apotheke auseinander. Das Buch von Schwedt legt den Schwerpunkt auf diese beiden Geschichten und erklärt den pharmazeutischen Hintergrund der Begriffe, die Bechstein verwendet. So gibt Schwedt Einblicke in die Pharmazie des frühen 19. Jahrhunderts.

Im Mittelpunkt von Bechsteins Erzählungen steht ein Lehrling namens Ludolph, der in der Arnstadter Apotheke zum König Salomo ausgebildet wird. Bechstein fasst jedes der vier Lehrjahre des angehenden Apothekers in einem Kapitel zusammen. Es zeigt sich, dass Ludolph während seiner Ausbildung keineswegs zufrieden war. Zum einen wollte er ohnehin am liebsten schreiben. Zum anderen hatte er sich darauf gefreut, mit Chemikalien experimentieren zu dürfen. Diese Hoffnung machte sein Lehrer, der Apothekenprovisor Semen, gleich zunichte: Dazu seien die Stoffe viel zu teuer.

Aus den Erzählungen geht hervor, dass 1820 in Apotheken offenbar bereits eine ähnliche Betriebsphilosophie galt wie heute: „Gegen die Kunden wirst du stets höflich und zuvorkommend seyn, und gegen die Herren Aerzte respektvoll und dienstwillig, denn die Herren Aerzte sind die Grundpfeiler der Apotheke“, schärft Inhaber Starck seinem Lehrling gleich am ersten Ausbildungstag ein. Es sei wichtig, dass genug Rezepte in der Apotheke eingelöst würden. Und die Konkurrenz schlief schon damals nicht: Starck betont, dass es in Arnstadt noch zwei weitere Apotheken gebe.

Die Ausbildung war nicht leicht; Starck und Semen schimpften oft mit dem Lehrling. Ludolph zerbrach regelmäßig Gefäße oder vergaß, aufgebrauchte Arzneimittel wieder aufzufüllen. Schließlich verwechselte er ein Präparat: Anstelle des als Abführmittel verwendeten Weinsteinrahms gab er Salpeter ab – Kaliumnitrat, das gegen Entzündungen half. Letztlich renkte sich alles wieder ein; Ludolph übernahm nach der vierjährigen Ausbildung die Stelle von Semen als Provisor.

In Bechsteins Erzählungen werden einige ehemalige pharmazeutische Standardwerke, Heilpflanzen und Wirkstoffe erwähnt, auf die Schwedt in seinen Erläuterungen im Anschluss an die einzelnen Kapitel genauer eingeht. Zu den Fachbüchern gehört das Apothekerlexikon von Samuel Hahnemann, laut Schwedt der Begründer der Homöopathie.

Auch damals übliche Handgriffe aus der Herstellung, die in Bechsteins Erzählungen vorkommen, erklärt Schwedt: Beispielsweise handelt es sich beim Malaxieren um einen Schritt in der Pflasterherstellung; erkaltete Pflaster werden dabei in die passende Form gedrückt.

Wie Ludolph in den Erzählungen blieb auch Bechstein nach der Ausbildung noch zwei Jahre als Gehilfe in der Apotheke unter der Galerie. 1826 wechselte er in die Hof-Apotheke in Meinungen; schließlich war er ab 1828 Provisor der Schwan-Apotheke im Kurort Bad Salzungen.

Doch die Pharmazie schien Bechstein nicht auszufüllen: Er studierte mit einem Stipendium des Herzogs von Sachsen-Meinungen in Leipzig und München Philosophie, Geschichte und Literatur. Ab 1831 arbeitete er als Bibliothekar, später auch als Archivar. Er starb 1860 in Meinigen.

Professor Dr. Georg Schwedt ist Chemiker und lehrte an den Universitäten Göttingen, Stuttgart und Clausthal. Zudem ist er Autor zahlreicher Fachbücher. Außerdem veröffentlichte er 1998 das Buch „Goethe als Chemiker“. Im vergangenen Jahr erschien „Der Apotheker J.P.J. Monheim über die Thermal- und Schwefelwässer von Aachen und Burtscheid“.

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