BGH-Urteil

Verblisterer fürchten um Vergütung

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Berlin -

Die Preisbindung gilt nicht für Arzneimittel zur Verblisterung. Das hat in der vergangenen Woche der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Demnach darf Ratiopharm Rabatte über Fertigarzneimittel mit Apotheken aushandeln, wenn diese verblistert werden. Beim Bundesverband patientenindividueller Arzneimittelverblisterer (BPAV) ist man nicht zufrieden mit der Entscheidung, im Gegenteil: Vorsitzender Hans-Werner Holdermann kritisiert das Urteil als „naiv“.

In dem Verfahren ging es um Rabatte von Ratiopharm. Der Hersteller hatte mit der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) argumentiert, laut der „aus Fertigarzneimitteln entnommene Teilmengen“ von der Festpreisregelung ausgenommen sind. Die Wettbewerbszentrale wollte das nicht gelten lassen und bekam in den Vorinstanzen recht. Der BGH sah es aber anders und wies die Klage der Wettbewerbszentrale ab. Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor.

Ratiopharm hatte in dem Verfahren argumentiert, dass die patientenindividuelle Verblisterung für die Apotheken mit „erheblichen Zusatzkosten“ verbunden sei: „Ohne den vergünstigten Erwerb vom Hersteller wäre kein Apotheker mehr bereit, den finanziellen und personellen Aufwand zu tragen.“

Dass der BGH dieser Argumentation offenbar folgte, kann Holdermann nicht nachvollziehen. In einem von Rabattverträgen beherrschten Markt würden sich kaum relevante Beträge in den Apotheken generieren lassen. „Eine Finanzierung der Verblisterung über Rabatte funktioniert bei existierenden und eingehaltenen Rabattverträgen nicht“, so Holdermann.

Wenn ein Patient im Durchschnitt Präparate für rund 50 Euro, auf Basis von Herstellerabgabepreisen, erhalte und die Verblisterung 15 bis 20 Euro koste, müssten die Hersteller mindestens 30 Prozent Rabatt geben, rechnet er vor. Das sei aber nicht möglich, da die Krankenkassen über die Rabattverträge bereits rund 80 Prozent erhielten.

Das Problem: Bulkware oder Großpackungen, wie es sie in anderen Ländern gibt, sind in Deutschland nicht erlaubt. Nur zugelassene Arzneimittelpackungen dürften zur Verblisterung genutzt werden, erklärt Holdermann. Auch wenn die Tabletten als lose Ware angeliefert würde, handele es sich dennoch um die zugelassene Packungsgröße. Und für die gelten dann auch die Rabattverträge.

„Ich sehe keine Luft für weitere Rabatte“, so Holdermann. Daher könne die Kostenbelastung bei der Verblisterung auch nicht ausreichend minimiert werden. Zudem würde die Preisunsicherheit bei den Unternehmen noch größer. Aus Holdermanns Sicht haben die Verblisterung und die verblisterten Arzneimittel einen fixen Wert, der nicht den Marktkräften überlassen werden kann. „Hierfür ist die Nachfragemacht und der Wunsch Dritter, am Arzneimittel mitzuverdienen, gegenüber den Leistungserbringern zu groß“, sagt der BPAV-Vorsitzende. „Außerdem stellt es einen Systembruch dar, den wir so nicht wünschen.“

Der Verband wünsche sich feste Spannen, denn auf Sortimente oder Einnahmemengen habe man keinen Einfluss. „Wir müssen uns auf Standards verlassen können“, so Holdermann. Er fordert eine gesetzliche Regelung über eine Dienstleistungsgebühr für die Verblisterung. Dieser feste Preis könne dann auch bei den Krankenkassen abgerechnet werden. „Diese Forderung wird durch das BGH-Urteil noch aktueller.“

Die BGH-Entscheidung bezeichnet Holdermann mit Blick auf das Urteil zum Zuweisungsverbot als „das zweite naive Urteil in Sachen Apotheken in letzter Zeit“. Im März 2014 hatte der BGH entschieden, dass Rezeptzuweisungen aus dem Krankenhaus erlaubt sind, wenn ein unabhängiges Unternehmen zwischen Apotheke und Arzt steht und durch die Zuweisung das Entlassmanagement verbessert wird.

In diesem Fall will der Gesetzgeber einschreiten. Der Bundesrat hatte einen entsprechenden Änderungsantrag zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) eingebracht und damit den BGH korrigiert. In seiner Begründung erklärte der Gesundheitsausschuss, dass es mit Blick auf dessen Urteil notwendig sei klarzustellen, „dass kein privater Dritter eine 'Rezeptvermittlung' in Zusammenhang mit dem Entlassmanagement betreiben darf“. Die Bundesregierung stimmte dem Antrag zu und erklärte, der Vorschlag müsse geprüft werden.

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