Betriebsprüfung

Prokas-Apotheker im Visier des Fiskus

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Berlin -

Betriebsprüfungen sind meist keine angenehme Angelegenheit. Besonders unerfreulich ist der beträchtliche Aufwand einer Prüfung in der Vorweihnachtszeit, wegen der Verjährung zum Jahreswechsel jedoch keine Seltenheit. Derzeit erleiden verstärkt Apotheken mit dem EDV-System Prokas dieses Schicksal. Der Fiskus ist einer Manipulationsmöglichkeit auf der Spur, die es früher in der Apothekensoftware gegeben haben soll. Sogar die Steuerfahndung hat schon in der Awinta-Zentrale vorgesprochen und Daten beschlagnahmt.

Prokas-Anwender bekommen derzeit häufiger Post vom Finanzamt. Vor allem in Nordrhein-Westfalen sollen Apotheken mit der Awinta-Software fast flächendeckend eine Prüfungsanordnung erhalten. Ein weiterer Schwerpunkt der Prüfungen soll Baden-Württemberg sein.

Hintergrund ist ein Fund, den der Fiskus im Rahmen einer Betriebsprüfung gemacht haben soll. Demnach wurde der Einsatz einer Manipulationssoftware in Apotheken nachgewiesen. Mit diesem sogenannten „Zapper“ können Umsätze nachträglich verkürzt werden, ohne dass dies direkt in der Warenwirtschaft dokumentiert wird. Die Auswirkungen des Zappers sind von den Steuerprüfern gleichwohl nachweisbar.

Auf der Suche nach Beweisen hatte die Steuerfahndung Mannheim bereits am 25. November 2014 die Geschäftsräume von Awinta durchsucht. Beschlagnahmt wurden internen Angaben zufolge Kassendaten von Kunden. Die relevanten Buchführungsdaten der Apotheken liegen bei Awinta vor, wenn das Softwarehaus seine Kunden bei der Betriebsprüfung unterstützt.

Die Daten aus der Warenwirtschaft werden von Awinta dazu gemäß den Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) aufbereitet und als CD an die Apotheken verschickt. Eine Sicherungskopie verbleibt bei Awinta – falls es Nachfragen seitens der Kunden gibt. Diesen Umstand hat sich offenbar die Steuerfahndung zu Nutzen gemacht. Unbestätigten Gerüchten zufolge wurden die Fahnder im Oktober erneut in Bietigheim-Bissingen vorstellig.

Ein Sprecher der VSA-Tochter bestätigte eine Durchsuchung, ohne sich zu Details oder zur Anzahl der Besuche zu äußern. Awinta sei in diesem Zusammenhang verpflichtet, Auskünfte zu erteilen, in dem ganzen Verfahren aber lediglich als Zeuge gefragt, nicht als Beschuldigte, betonte der Sprecher. Ein erhöhtes Aufkommen von Betriebsprüfungen am Jahresende sei aufgrund der Verjährung nicht überraschend, Prokas als Marktführer entsprechend mehr betroffen als andere.

Dass eine Manipulationssoftware spezifisch für ein System funktioniert, muss keinesfalls heißen, dass sie aus der Produktion des Softwarehauses selbst stammt. Im Prinzip kann ein fähiger Programmierer einen Zapper für jedes Kassensystem entwickeln. Lauer-Fischer hat bereits bittere Erfahrungen gemacht. Dass der Fiskus auf der Jagd nach Altlasten ist, darauf deuten die Zeiträume hin, die im Rahmen der Außenprüfungen abgefragt werden: Häufig interessiert sich das Finanzamt nicht für die aktuellsten Zahlen, sondern für die Jahre zwischen 2009 und 2011.

In welchem Umfang Zapper in der Praxis tatsächlich genutzt wurden, ist nicht bekannt. Da die technisch hochgerüsteten Steuerprüfer den Einsatz mittlerweile nachweisen können, ist eher nicht von einer großen Fallzahl auszugehen. Gleichzeitig werden Einzelfälle von der Politik gern aufgegriffen, um auf das Thema Steuerhinterziehung aufmerksam zu machen.

Seit Jahren wird über eine schärfere Kontrolle von Registrierkassen diskutiert, insbesondere über die Einführung des Systems Insika (Integrierte Sicherheitslösung für messwertverarbeitende Kassensysteme). Doch eine Befragung vieler Berufsverbände, darunter die ABDA, zeigte auf, dass eine verpflichtende Einführung von INSIKA sehr teuer für die Unternehmen wäre, neben zu erwartenden rechtlichen und technischen Problemen.

Die Bürokratiekosten würden sich nach Berechnungen der Regierung einmalig auf 1,6 Milliarden Euro belaufen, der jährliche Erfüllungsaufwand auf 250 Millionen Euro. Insika allein kommt bei den Plänen der Regierung als Konzept nicht mehr in Betracht. Das Bundesfinanzministerium arbeitet derzeit an einer anderen Lösung.

Für die Einführung von Insika hatte sich vor allem Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) stark gemacht. Er gilt unter den Finanzministern als Hardliner: NRW hat die meisten Steuer-CDs aus der Schweiz gekauft und das Thema Steuerhinterziehung auch im Bund vor sich her getrieben. Auch die Apotheker hat Walter-Borjans schon direkt aufs Korn genommen. Die hohe Konzentration der Prüfungen in NRW könnte damit zusammenhängen.

Ab Donnerstag ist erst mal Ruhe: Die Finanzämter in NRW wahren laut eigener Mitteilung auch in diesem Jahr den „Weihnachtsfrieden“. Per Erlass hat Walter-Borjans die Mitarbeiter der Finanzverwaltung angewiesen, vom 17. Dezember bis zum Jahresende keine Maßnahmen neu einzuleiten, die für die Steuerzahler eine Belastung darstellen können. „Die Finanzämter führen keine Betriebsprüfungen durch und leiten auch keine Vollstreckungsmaßnahmen ein. Ausnahmen gelten, wenn die Finanzverwaltung rasch handeln muss, um Steuerausfälle zu vermeiden“, heißt es aus dem Finanzministerium in Düsseldorf. Steuerbescheide werden in dieser Zeit aber ganz normal versandt.

Bei leichtfertiger Steuerverkürzung beträgt die Verjährung der Festsetzung fünf Jahre, in schweren Fällen – dazu zählt der Einsatz eines Zappers – zehn Jahre. Zum Jahresende verjähren also in 2005 eingereichte Steuererklärungen. Strafrechtlich beträgt die Verjährungsfrist ebenfalls fünf beziehungsweise – in besonders schweren Fällen – zehn Jahre. Die Verjährung beginnt im Strafrecht aber mit dem Datum der Bekanntgabe des Steuerbescheides und läuft taggenau ab.

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