Keine Abrechnung ohne Original

AvP: Apotheker mit Altvertrag könnten Rezepte zurückkriegen APOTHEKE ADHOC, 29.09.2020 15:19 Uhr

Rezepte beisammenhalten: Der AVNR rät von der AvP-Insolvenz betroffenen Apotheken, noch nicht eingesendete Rezepte zu behalten und an das neue Abrechnungszentrum zu schicken. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Es gibt einen kleinen Funken Hoffnung für ein paar Apotheken, die gerade mit der AvP-Insolvenz zu kämpfen haben: Betriebe, die vor 2003 Verträge mit AvP geschlossen haben oder über „ganz aktuelle Verträge“ verfügen, könnten ein Aussonderungsrecht hinsichtlich unbearbeiteter Rezepte haben. Das hat der Apothekerverband Nordrhein (AVNR) nach einem Treffen mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos bekanntgegeben.

Grund für die Möglichkeit, die unbearbeiteten Verordnungen zurückzufordern, sei die Tatsache, dass in den alten Verträgen nach bisheriger Erkenntnis nur eine bedingte Forderungsabtretung vereinbart wurde. Das bedeutet, dass die Forderung des von der Aussonderung betroffenen Rezeptwerts dem jeweiligen Apotheker zusteht und die Forderung nicht von vornherein in die Insolvenzmasse fällt. Hoos sei momentan mit der abschließenden Prüfung befasst und lote Lösungsmöglichkeiten hinsichtlich der Übertragung der Rezepte beziehungsweise der dem Rezept anhaftenden Forderung aus. Er werde dazu „kurzfristig einen Lösungsvorschlag unterbreiten“.

Mit Blick auf die übrigen Verträge prüfe Hoos weiterhin, ob ein Aussonderungsrecht besteht. Der AVNR hat dazu eine eindeutige Meinung, die er Hoos nach eigenen Angaben auch vermittelt hat: „Wir haben gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter insoweit noch einmal unsere rechtliche Auffassung dahingehend ausgeführt, dass allen Apotheken ein Aussonderungsrecht hinsichtlich der Rezepte zusteht, die sich noch unbearbeitet bei der AvP befinden.“ Hoos habe zugesagt, dem AVNR seine rechtliche Einschätzung kurzfristig vorzulegen und Lösungsmöglichkeiten zu eruieren. „Hier sind weitere Gespräche für Anfang nächster Woche geplant.“

Auch Rezepte von AvP-Kunden, die noch in der Apotheke liegen, müssen demnach nicht an das insolvente Unternehmen herausgegeben werden. Hoos habe gegenüber dem AVNR bestätigt, dass er die Verordnungen nicht herausverlangen werde. An jenen Rezepten würden keine Rechte für die Insolvenzmasse geltend gemacht – selbst dann nicht, wenn sie noch vor der Insolvenzantragstellung am 16. September digital an AvP übermittelt wurden, dem Unternehmen allerdings noch nicht im Original vorliegen.

Hoos habe das damit begründet, dass er ohne die Originale der Rezepte keine Abrechnung veranlassen könne. Zudem stünde den betroffenen Apotheken aufgrund ihrer offenen Forderungen ein sogenanntes Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich dieser Rezepte zu, weshalb er diese nicht herausverlange. Der AVNR empfiehlt betroffenen Apothekern deshalb dringend, diejenigen Rezepte, die noch in ihrem Besitz sind, dem neuen Rechenzentrum zur Abrechnung zu übergeben. „Bitte stimmen Sie sich hierzu mit Ihrem neuen Rechenzentrum ab. Wir werden Sie über die weiteren Gespräche mit dem Insolvenzverwalter informiert halten.“

Damit das auch seitens der Kassen funktioniert, ist der AVNR auch an diese herangetreten. Der Verband stehe mit den Primärkassen aktuell in Kontakt, um eine kurzfristige Vereinbarung zu erwirken, damit die von der AvP-Insolvenz betroffenen Apotheken über Ihre neuen Rechenzentren abweichend für den Abrechnungsmonat September eine Abschlagszahlung mit Valutastellung zum 6. Oktober erhalten. Dabei soll sich der Abschlag hilfsweise auf Basis des Abrechnungsmonats Juli berechnen, sofern für den Abrechnungsmonat August keine Rechnung durch AvP den Krankenkassen übermittelt wurde. Der DAV stehe dazu gleichlautend mit den Ersatzkassen im Austausch. Auch hier will der AVNR schon bald weitere Neuigkeiten bekanntgeben.

Der AVNR hatte am Freitag Zahlen einer ersten Erhebung zu den Folgen der AvP-Insolvenz veröffentlicht. Demnach sind allein in NRW etwa 5 Prozent der knapp 4000 Apotheken so stark betroffen, dass hier eine kurzfristige Schließung drohe. Bundesweit seien es 3 Prozent der insgesamt 19.075 Apotheken. Das habe zur Folge, dass in sehr naher Zeit mit einer Verdoppelung des „Apothekensterbens“ zu rechnen sei: Statt 350 könnten rund 700 Apotheken schließen, damit stünden bundesweit auch fast 5000 Arbeitsplätze auf dem Spiel.