Schnelltests in Kitas und Schulen

Apothekerin auf Test-Tour: „Wir sind von 0 auf 100 gestartet“

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Berlin -

Eigentlich hatte Apothekerin Beatrix Ullrich gar nicht vor, im großen Stil Coronatests durchzuführen. Doch dann wurde ihr gesagt, dass man sie braucht. Seit Montag ist die Inhaberin der Schwarzwald-Apotheke Bad Säckingen deshalb fast jeden Tag unterwegs und testet dutzende Menschen am Tag vor Ort, bisher in Kindertagesstätten, ab kommender Woche auch an allen Schulen in ihrer Stadt. Leicht sei das nicht, sagt sie – aber sie sei sich sicher, dass selbst kleinere Apotheken das stemmen können. „Es ist alles eine Frage der Organisation“, sagt sie.

Baden-Württemberg geht voran bei der Einbindung der Apotheken in die landesweite Teststrategie. Dazu gehört neben dem „Böblinger Modell“, das unter der Ägide von Apotheker Dr. Björn Schittenhelm entstand, nicht zuletzt auch der großflächige Einsatz von Apotheker*innen bei der Testung von Kindertagesstätten und Schulen, um deren Offenhaltung zu ermöglichen. Seit Montag sind die Kolleg*innen deshalb im ganzen Land unterwegs und machen Abstriche bei Lehrer*innen, Erzieher*innen und anderem Personal in den Einrichtungen. Eine von ihnen ist Ullrich, die bereits für fünf Kitas und ab kommender Woche für acht Schulen verantwortlich ist. Eigentlich habe sie gar keine Tests anbieten wollen. „Die Nachfrage war hier nicht so hoch und ich habe mit der Apotheke eigentlich auch gerade genug andere Sachen zu tun“, sagt sie.

Doch dann erfuhr sie vom Bedarf bei der Testung von Bildungs- und Erziehungseinrichtungen im Ländle. „Ich habe vergangenen Mittwoch an einer Online-Schulung des LAV teilgenommen und da wurden wir dringend aufgerufen, dabei zu helfen“, erzählt sie. „Da war für mich sofort klar, dass ich das mache – nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass der Verband will, dass pharmazeutische Dienstleistungen künftig bezahlt werden und wir hier die Möglichkeit haben, zu zeigen, wie wichtig unsere Arbeit ist.“

Mittwoch Zusage, Montag Testbeginn – viel Zeit für eine ruhige Vorbereitung bleibt da nicht. „Wir sind von 0 auf 100 gestartet“, sagt Ullrich. Zuallererst musste dabei geklärt werden, wo sie überhaupt Test durchführen soll. Hier war mal wieder der kurze Dienstweg von größtem Nutzen: Denn Ullrichs Tochter Julia ist Inhaberin der Schwarzwald-Apotheke im benachbarten Murg und wurde bereits kurz zuvor vom dortigen Bürgermeister gefragt, ob sie sich bei der Testung von Kindergärten und Schulen engagieren will. Träger der dortigen Kitas ist die Erzdiözese Freiburg. „Die Dame der Erzdiözese freute sich, dass die Kitas in Murg getestet werden, fragte dann aber, was sie denn mit denen in Bad Säckingen machen soll. Da sagte ihr meine Tochter, dass das doch kein Problem sei, ihrer Mutter hat ja dort eine Apotheke.“

Mit ein paar Telefonaten war die Beauftragung durch die Erzdiözese geklärt, ebenso konnte sie auch die Beauftragung für die acht Schulen in Bad Säckingen auf den Weg bringen, wo die Testungen kommende Woche starten. Ungleich komplexer ist es allerdings, die Testungen samt abgestelltem Personal in den Arbeitsalltag zu integrieren. Fünf Kitas testet Ullrich allein in dieser Woche. Und ab Montag kommen acht Schulen hinzu. „Wir haben diese Woche erst einmal kleine Gruppen gebildet, um erst einmal festzustellen, wie viel Zeit wir eigentlich pro Einrichtung brauchen“, erklärt sie. Jeweils zu zweit fahren sie dazu vormittags in die Kitas und testen dort das Personal, und zwar nicht nur Erzieher*innen, sondern sämtliche Beschäftigte inklusive Hausmeister*innen und Köch*innen.

Denn sie alle erhalten vom Land zwei Berechtigungsscheine pro Woche, mit denen sie sich testen lassen können. Ähnlich wie die Berechtigungsscheine für den Bezug kostenloser FFP2-Masken sind die nicht an eine Einrichtung gebunden, sondern können prinzipiell überall eingelöst werden. Und selnbst die Testung in Kita oder Schule selbst ist keinesfalls verpflichtend. „Es handelt sich um ein Angebot des Landes, das auf freiwilliger Basis wahrgenommen werden kann“, erklärt Ullrich. Das heißt jedoch keineswegs, dass die Vor-Ort-Testung nur ein Zusatzangebot wäre – ganz im Gegenteil. „Das Angebot wird wirklich sehr, sehr gut angenommen“, schwärmt Ullrich. „Denn so können sich die Mitarbeiter ohne großen Aufwand während der Arbeitszeit testen lassen und müssen nicht in ihrer Freizeit erst irgendwohin fahren. Wir haben von den Kitas bereits das Feedback bekommen, dass sie sehr dankbar dafür sind.“ Denn eine Testung innerhalb der Arbeitszeit sei außerhalb schlicht nicht möglich. Die Belegschaft könne schließlich nicht während der Arbeitszeit einfach mal eine Stunde verschwinden, es muss ja auf die Kinder aufgepasst werden. „Außerdem finde ich, man sollte auch den ökologischen Aspekt nicht vergessen: Es macht einen großen Unterschied, ob wir irgendwohin fahren und da 20 Leute testen, oder ob 20 Leute einzeln mit dem Auto in ein Testzentrum fahren.“

Die Zahl 20 ist dabei nicht aus der Luft gegriffen, sondern Ullrichs Erkenntnis aus der ersten halben Testwoche: So viele Personen kann sie pro Stunde und Einrichtung testen. Das liege aber auch daran, dass die Vorarbeit meist sehr gut sei: „Wir kriegen für die Tests in der Regel einen Personalraum oder ein Büro zur Verfügung gestellt. Mehr als einen Tisch und einen Stuhl brauchen wir aber auch nicht. Meist haben die Einrichtungen die Berechtigungsscheine schon bereitgelegt, sodass wir nur die Unterschriften für die Einwilligungserklärungen einsammeln müssen.“ Im Zwei-Minuten-Takt könne dann getestet werden – wobei es in Einzelfällen auch ein paar Sekunden länger dauern kann.

Denn manche Menschen gehen durchaus mit Respekt zum Abstrich, seien manchmal sogar etwas nervös. Da ist dann einerseits die Beratungsqualifikation der Apothekerin gefragt, andererseits einfache Psychologie. „Ich mache das dann so, dass ich ihnen sage, sie sollen den Kopf in den Nacken legen, an die Decke schauen und durch den Mund atmen“, erklärt Ullrich. „Dann sind sie so darauf konzentriert, durch den Mund zu atmen, dass sie den Abstrich kaum merken. Natürlich gibt es dabei ab und zu eine Träne, aber es hat noch nie geblutet und mir ist auch noch niemand umgekippt.“ Viele seien aber auch schon erfahren und hätten in anderem Kontext bereits einen Abstrich hinter sich – dort kann dann routiniert vorgegangen werden.

Sind alle Abstriche gemacht, sammelt Ullrich die Berechtigungsscheine ein und kann sie später über den Nacht- und Notdienstfonds über eine eigens dafür vorgesehene PZN abrechnen. 30 Euro erhält sie pro Test. „Das ist klar definiert, das hat der Verband hier so ausgehandelt.“ Inwiefern das den organisatorischen und personellen Aufwand deckt, wird sich noch zeigen müssen, aber Ullrich zeigt sich bisher zufrieden. Stemmen könne sie das personell jedenfalls ganz gut, auch wenn es nicht immer einfach sei – auch weil sie natürlich immer ein Backup braucht. Schließlich könne eine test-Tour nicht ausfallen, nur weil eine Kolleg*in gerade im Urlaub oder krankgeschrieben ist. „Ich habe mit 20 Mitarbeitern, von denen die meisten Vollzeit arbeiten, schon eine größere Apotheke“ sagt sie. Außerdem habe sie die letzten Wochen und Monate ohnehin mit weniger Kundenverkehr klarkommen müssen. „Ganz problemlos kann man das nicht abbilden, aber es beeinträchtigt den Apothekenbetrieb auch deshalb nicht, weil viele Mitarbeiter in letzter Zeit Minusstunden angesammelt haben, die man so gut abbauen kann.“

Allerdings, so betont sie, sei das keinesfalls nur für größere Betriebe zu schaffen. „Meine Tochter hat eine ganz kleine Apotheke mit nur vier Mitarbeitern und sie schafft das auch. Das ist alles eine Frage der Organisation.“ Noch weiter verbessert werden soll ihre Organisation bereits in den kommenden Tagen: Dann werde eine Landingpage freigeschaltet, die Anmeldung und Verwaltung der Daten vereinfachen soll. Das werde den Aufwand mit den Einverständniserklärungen spürbar verringern, hofft sie. Und das werde auch gebraucht, denn die Schulen, die nächste Woche hinzukommen, haben einen spürbar höheren Testbedarf – allein am Gymnasium seien es zwischen 50 und 80 Mitarbeiter*innen pro Woche. Doch der Aufwand lohne sich, versichert Ullrich: „Ich habe das Gefühl, die Erzieherinnen sind sehr froh, dass sie wieder arbeiten können. Auch deshalb gibt es eine so hohe Bereitschaft sich testen zu lassen“, sagt sie. „Und auch die Lehrerinnen setzen große Hoffnung in die Tests, dass die wieder etwas Kontinuität in ihrer Arbeit bringen. Denn gerade in der Grundschule gibt es so viele Dinge, die man im Homeschooling einfach nicht vermitteln kann.“

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