Nebenwirkungen

Apotheker sollen für Vioxx haften Alexander Müller, 04.01.2008 16:23 Uhr

Berlin - 

Eine Berliner Rechtsanwaltskanzlei fordert derzeit im Namen vermeintlich Vioxx-geschädigter Patienten von Apothekern ein so genanntes Haftungsanerkenntnis. Der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände liegen bereits neun solcher an Apothekenleiter adressierten Schreiben vor. Der Cox-2-Hemmer Vioxx (Rofecoxib) des US-Konzerns Merck war Ende September 2004 in Deutschland vom Markt genommen worden, nachdem weltweit bei mehreren Patienten schwere kardiovaskuläre Nebenwirkungen, zum Teil sogar mit Todesfolge, aufgetreten waren.

In einem der Schreiben, das APOTHEKE ADHOC vorliegt, erklärt der Anwalt, dass bereits im Jahr 2000 verstärkt auf die Bedenklichkeit des Arzneimittels hingewiesen worden sei: „Bei Durchführung einer gewissenhaften Produktbeobachtungspflicht in Form der Durchsicht von allgemein zugänglichen Fachpublikationen war bzw. hätte Ihnen bekannt sein müssen, dass die Abgabe dieses Medikaments an den Arzneimittelverbraucher mit bedenklichen Nebenwirkungen verbunden ist, vor denen eindringlich zu warnen gewesen wäre.“ Der unterlassene Warnhinweis sei im vorliegenden Fall mitursächlich für den eingetretenen Arzneimittelschaden gewesen. Der Apotheker wird in dem Schreiben aufgefordert, die Haftung innerhalb von zwei Wochen der Sache nach anzuerkennen.

Die ABDA rät dringend, ein solches Haftungsanerkenntnis nicht abzugeben. Es könne zwar nicht ausgeschlossen werden, dass betroffene Apotheker gerichtlich belangt werden, wenn sie das Anerkenntnis nicht abgeben. Generell sieht die ABDA die Beweislast aber nicht bei den Pharmazeuten. Derzeit sei es nicht notwendig, auf das Schreiben der Kanzlei zu reagieren. Allerdings sollten die Apotheker vorsorglich ihre Haftpflichtversicherung und die Berufsorganisation informieren, heißt es in einem Schreiben einer Apothekerkammer an ihre Mitglieder.

Inwieweit Apotheker tatsächlich rechtlich angegriffen werden können, ist für die Standesorganisationen derzeit noch nicht abzuschätzen. Anders als bei der Gefährdungshaftung des pharmazeutischen Unternehmens setze eine haftungsrechtliche Inanspruchnahme der abgebenden Apotheke ein Verschulden voraus, heißt es im Schreiben der Kammer. Da in den konkreten Einzelfällen nicht bekannt sei, wann das Präparat abgegeben wurde, gehe man bis zu einem Beweis des Gegenteils davon aus, dass ein Verschulden nicht gegeben ist. Zumindest bei einer Abgabe des Medikaments vor dem 1. Oktober 2004 könne dem Apotheker ein Verschuldensvorwurf nicht gemacht werden.

In den USA hatte sich Merck im November 2007 mit Vioxx-geschädigten außergerichtlich auf Zahlungen in Höhe von umgerechnet mehr als drei Milliarden Euro geeinigt. Die Berliner Kanzlei vertritt Presseberichten zufolge rund 100 Patienten. Die ABDA rechnet daher mit weiteren Schreiben an Apothekeninhaber.