Brief an Spahn und Spahn

Apotheker retaxiert Retax

, Uhr
Berlin -

Krankenkassen können bei der Rezeptprüfung zuweilen pingelig sein. Doch als Apotheker Wolfram Schmidt jetzt wegen einer Formalie retaxiert wurde, drehte er den Spieß um und pochte seinerseits auf die Einhaltung gewisser Standards. Und damit das Ganze auch etwas bringt, hat er Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) über den Vorfall informiert.

Der Retax-Brief kam in diesem Fall von der Abteilung „Apotheken-Abrechnung“ des Kassendienstleisters SpectrumK im Auftrag der Landwirtschaftlichen Krankenkasse (LKK). Schmidt, Inhaber der Mühlen-Apotheke im niedersächsischen Northeim, schildert, worum es bei dem Vorgang aus dem vergangenen Jahr geht: Beim verordneten Prednisolon wurde demnach nicht das wirtschaftlichste Präparat abgegeben, sondern die Sonder-PZN für Akutversorgung auf der Verordnung vermerkt.

Allerdings hat Schmidt offenbar etwas vergessen: Ist in einem dringenden Fall die unverzügliche Abgabe eines Fertigarzneimittels erforderlich, schreibt § 14 Rahmenvertrag nämlich nicht nur den entsprechenden Vermerk vor, die Apotheke hat dies auch „separat abzuzeichnen und das vereinbarte Sonderkennzeichen aufzutragen“. Allerdings bietet der Rahmenvertrag bei unbedeutenden Formfehlern mittlerweile Schutz: Wenn die Apotheke entweder nur das vereinbarte Sonderkennzeichen oder nur einen Vermerk auf der Verordnung aufträgt oder einen objektivierbaren Nachweis im Beanstandungsverfahren erbringt, soll von einer Retaxation abgesehen werden.

In seinem Widerspruch weist Schmidt auf die Ungenauigkeit hin, dass für ihn der Grund für die Retaxierung schon gar nicht ersichtlich sei. Angegeben ist: „Sonder-PZN für Akutversorgung/pharmazeutische Bedenken wurde verwendet, Abzeichnung der Verordnung mit Datum und Unterschrift fehlt“. Schmidt findet: „Der Absetzungsgrund ist nicht eindeutig definiert.“ Das von ihm verwendete Sonderkennzeichen stehe ausschließlich für die Akutversorgung und habe nichts mit pharmazeutischen Bedenken zu tun.

Und auch inhaltlich kann er die Einwände der Kasse nicht nachvollziehen: „Das Sonderkennzeichen gibt eindeutig den Grund meines Handelns wieder. Das Rezept ist mit Abgabedatum und Abzeichnung versehen, insofern sollte die Abrechnung zulässig sein.“ Eine zusätzliche Datumangabe sei weder im Rahmenvertrag noch im maßgeblichen Arzneimittelliefervertrag vorgesehen.

Schmidt legt wie sonst die Kassen Wert auf Formalitäten: SpectrumK möge mitteilen, an wen er ein gerichtliches Widerspruchsverfahren zu richten habe, das gehe aus dem Retax-Schreiben nämlich nicht hervor. Zudem sei schon gar nicht nachvollziehbar, warum die Prüfstelle im Auftrag der LKK Niedersachsen auftritt. Schmidt bittet um einen schriftlichen Nachweis, „natürlich unterschrieben und mit Datumsangabe“, spielt er den Ball zum Kassendienstleister zurück. Außerdem vermisst der Apotheker eine explizite Einspruchsfrist. SpectrumK hatte nur auf „die Einspruchsfrist gemäß Ihres gültigen Arzneimittelliefervertrags“ verwiesen. Laut Schmidt hat diese Formulierung keinen Rechtsbestand.

Schmidt verweist zudem auf die Formfehler-Regelung im Rahmenvertrag: „Selbst wenn ein geringer formaler Fehler vorliegen sollte, haben Sie gemäß aktueller Rechtsprechung die Verhältnismäßigkeit in keiner Weise gewahrt. Die Patientin der LKK Niedersachsen befand sich in palliativer Behandlung, wie der ausstellenden Praxis zu entnehmen ist, und musste unverzüglich versorgt werden. Mehr hat mein Unternehmen nicht getan, aber auch nicht weniger, weshalb die Verweigerung der vorgesehenen Vergütung absolut unverhältnismäßig ist.“ Er gehe davon aus, dass die Fehlerfeststellung damit gegenstandslos ist, schreibt Schmidt abschließend.

Seine Antwort hat Schmidt an Apothekerkammer und -verband geschickt, außerdem an Arnd Spahn, den Vorstandsvorsitzenden der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) – und an Gesundheitsminister Jens Spahn. Diesen bittet er in einem eigenen Brief, den geschilderten Vorgang bei künftigen Gesprächen zu berücksichtigen. „Es kann nicht sein, dass es Aufgabe der Apotheken ist, einen fehlenden i-Punkt zu finden oder wie hier ein Sonderkennzeichen, das alles begründet, was man zusätzlich vermerken könnte, zu kommentieren, um eine unzweifelhaft im Sinne des § 1 Apothekengesetz (‚Den Apotheken obliegt die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung‘) erbrachte Leistung auch vergütet zu bekommen.“

Über den Einzelfall hinaus bittet Schmidt Spahn zudem, „durch Ihre Mitarbeiter/innen prüfen zu lassen, wie solche Fehlentwicklungen der Bürokratie gestoppt werden können und den Vorgang auch dem Bundesgesundheitsausschuss mit dieser Zielsetzung vorzulegen.“ Eine Antwort hat er bislang nicht erhalten.

 

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Neuere Artikel zum Thema
Mehr zum Thema
Kein Einfluss auf GKV-Finanzen
Regresse: BMG begründet Bagatellgrenze
Mehr aus Ressort
Kassennachschau wird „massiv zunehmen“
QR-Code verhindert Kassensturz

APOTHEKE ADHOC Debatte