Vermögensschaden durch IT-Umstellung

Apotheker droht Apobank mit Klage

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Berlin -

Über Pfingsten hatte die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (Apobank) ihr Kernbanksystem gewechselt. Dabei war es zu massiven Problemen und Ausfällen gekommen, die teilweise bis heute anhalten. Man befinde sich in der „Stabilisierungsphase“, heißt es von der Genossenschaftsbank. Davon spürt allerdings Apotheker Askan Fahr-Becker von der Bahnhof-Apotheke in Fulda noch nicht viel. Zwar kommt er an sein „normales“ Konto inzwischen heran. Aber das Geld für die Bezahlung der großen Rechnungen liegt auf dem Apozins-plus-Tagesgeldkonto. Und darauf hat der Apotheker online immer noch keinen Zugriff. Jetzt denkt er darüber nach, die Apobank wegen des entstandenen Vermögensschadens zu verklagen.

Seit Generationen unterhält die Apothekerfamilie Fahr-Becker ihre Konten bei der Apobank; er selbst hält als Genosse auch Anteile an der Apobank. Jetzt will er den Vorstand der Genossenschaftsbank verklagen: „Wegen Vermögensschadens“, so Fahr-Becker. Nicht wegen seines persönlichen Ärgers über die Probleme mit dem Zugang zu seinen Konten, „sondern ich will wissen, was die IT-Umstellung tatsächlich gekostet hat“. Es gebe Gerüchte über eine Kostenexplosion im Zusammenhang mit den anhaltenden Problemen bei der Apobank, erzählt der Apotheker.

Er selbst hat wegen seiner Konto-Probleme einen Brief an Aufsichtsratchef Dr. Frank Ulrich Montgomery und den Vorstand geschrieben und der Bank ein Ultimatum gestellt: „Seit Ihrer in großen Teilen missglückten Umstellung Ihrer IT-Syteme sind 22 Tage vergangen und seit 22 Tagen haben meine Frau und ich keinen direkten Zugang zu unseren drei Apozins-plus-Konten. Das heißt, wir können ohne Hilfe Ihrer Filiale keinen müden Euro bewegen. Dieser Zustand ist unerträglich und nicht hinnehmbar. Ich setze Ihnen daher eine Frist bis Mittwoch 17 Uhr, diesen Fehler zu beheben. Sollte Ihnen das nicht möglich sein, werde ich die Bafin bitten, diese Zustände zu überprüfen und die Frage zu klären, ob Ihre Vorstände nach dieser Pleite noch in der Lage sind,0 eine Banklizenz auszuüben.“ Bis jetzt liegt dem Apotheker keine Antwort vor.

Jedes Mal, wenn Fahr-Becker eine größere Rechnung begleichen will, muss er jetzt seine Apobank-Filiale anrufen, die dann einen Betrag auf sein Girokonto umbucht. „Die sind auch verzweifelt, weil die TI-Umstellung immer noch nicht funktioniert“, erzählt der Apotheker. „Jeder Anruf kostet mich mindestens 30 Minuten, weil ich offenbar nicht der einzige Hilfesuchende bin“, so Fahr-Becker weiter. X-Mal hat er auch bei der zentralen Hotline der Apobank angerufen – ohne großen Erfolg: Jedes Mal habe ihm ein Mitarbeiter mitgeteilt, daß er ausgerechnet für dieses Problem nicht zuständig sei: „Jedes Mal wurde mir versprochen, mich weiter zu verbinden. Dann wurde die Verbindung unterbrochen.“ Noch immer würden ihm keine Absender von Überweisungen angezeigt, oder die Kontozugänge nach Datum sortiert, ärgert sich der Apotheker.

 

Und er ist nicht der einzige Kunde, der seit mehr als drei Wochen keinen Zugang zu seinem Konto hat. Ein Kollege, der namentlich nicht genannt werden will, berichtet, dass er keinen Aktivierungscode erhalten habe. Nach seiner ersten Mail an die eigens eingerichtete Adresse [email protected] teilte man ihm mit, er könne weiterhin das Online-Banking mit dem mobileTAN-Verfahren nutzen. Da aber keine SMS ankam, hakte er nach und verwies auf die Dringlichkeit. Das ist mittlerweile mehr als eine Woche her, eine Antwort kam nicht mehr. Stattdessen wurde ihm nun angezeigt, dass sein Konto gesperrt sei. Am Automaten konnte er auch kein Geld mehr abheben.

Die Umstellung verursachte massive Probleme, die teilweise bis heute anhalten: Überweisungen blieben hängen, Abbuchungen wurden zurückgewiesen, Kunden konnten nicht auf ihre Konten zugreifen. Bei Daueraufträgen und einigen Überweisungen wird in der Kontoübersicht der Absender anstelle des Empfängers angezeigt, sodass eine Zuordnung nur schwer möglich ist. Fotoüberweisungen funktionieren in der App ebenfalls nicht.

Während die Apobank dies zunächst als Darstellungsprobleme herunterspielte und den Umzug insgesamt als gelungen bezeichnete, wurden die Bugs aber immer offenkundiger. Erst Mitte Juni räumte die Apobank Probleme ein und entschuldigte sich auf ihrer Homepage: „Wir sagen Entschuldigung! Der Start unseres neuen Online-Bankings ist nicht geglückt – deshalb bieten wir Ihnen aktuell nicht den Service, den Sie von uns gewohnt sind. Das bedauern wir sehr. Wir alle arbeiten mit Hochdruck daran, die Störungen zu beheben.“

Einer Sprecherin zufolge hatte man gerade zu Beginn selbst nicht damit gerechnet, dass die Einschränkungen so groß sind. Mittlerweile läuft vieles besser, aber noch sind nicht alle Störungen behoben. Um die Kunden zu unterstützen, bietet die Bank neben der Entschuldigung auf der Homepage jetzt auch Hilfestellungen an, zum Beispiel in Form von Erklärvideos, etwa zur Aktivierung der apoTAN+.

 

Wie groß der Schaden bei der Bank ist und ob gar rechtliche Auseinandersetzungen drohen, kann heute noch nicht gesagt werden. Fest steht aber schon jetzt: Der IT-Umzug hat mehr Geld verschlungen als ursprünglich geplant. Von bis zu einer halben Milliarde Euro wird gemunkelt. Die Sprecherin bestätigte, dass es sich insgesamt um einen „mittleren dreistelligen Millionenbetrag“ handele.

Im Geschäftsbericht für das Jahr 2019 ist die Kostenexplosion schon vermerkt: „Der Sachaufwand inklusive Abschreibungen stieg dagegen sehr deutlich auf 423,9 Mio. Euro (2018: 325,2 Mio. Euro). Maßgeblich hierfür waren Aufwendungen für die IT-Migration, höhere regulatorische Aufwendungen sowie Investitionen zur Optimierung unserer Kreditprozesse und für strategische Projekte. Der Anstieg im Sachaufwand lag vor allem wegen der Kosten für die IT-Migration deutlich über seinem Planwert.“ Und in der Prognose hieß es: „Der Verwaltungsaufwand wird 2020 maßgeblich von den Investitionen in die IT-Migration bestimmt. Ohne die Kosten der IT-Migration ginge der Aufwand sehr deutlich zurück. Unter Berücksichtigung der Umstellungskosten wird der Sachaufwand spürbar steigen.“

Die Entscheidung für die Einführung des neuen IT-Systems und den neuen Partner hatten Vorstand und Aufsichtsrat „nach Abwägung aller strategischen, qualitativen und Risikogesichtspunkte“ am 29. September 2017 getroffen. Als Rückgrat sollte das IT-System des neuen Anbieters die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells unterstützen. „Das neue System wird für uns als Spezialbank und zugleich EZB-regulierte Bank zugeschnitten und damit den speziellen Anforderungen gerecht, die sich aus unserem Geschäftsmodell ergeben: Es erlaubt uns, neue Themen flexibel und bei Bedarf auch unabhängig vom Kernbanksystem umzusetzen. Bereits 2020 soll die Migration auf das neue System stattfinden. Es kommt also viel Arbeit auf uns zu. Hierbei können wir auf die außergewöhnliche Einsatzbereitschaft und den Teamgeist unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählen, den wir bei bisherigen Großprojekten bereits erleben durften.“

 

Jetzt wurde mitgeteilt, dass Vorstand Olaf Klose die Genossenschaftsbank verlässt. Zwar erfolgt die nunmehr bestätigte Trennung offiziell in gegenseitigem Einvernehmen. Da Klose für die Privatkunden zuständig war und der Vertrag zum 19. Juni aufgelöst wurde, liegt ein Bezug zur missglückten IT-Umstellung aber auf der Hand. Der Aufsichtsrat habe dem Wunsch Kloses entsprochen, seinen im Jahr 2021 auslaufenden Vorstandsvertrag nicht zu verlängern und ihn von seinen Aufgaben zu entbinden, heißt es in einer Mitteilung der Bank. Auslöser seien „unterschiedliche Vorstellungen über die strategische Ausrichtung des Privatkundengeschäfts“.

Ein Nachfolger für das Privatkundenressort ist laut Bank noch nicht bestellt. Die Leitung übernimmt für eine Übergangszeit Vorstand Holger Wessling, der das Ressort Großkunden und Märkte verantwortet. Vorsitzender des Vorstands ist Ulrich Sommer, sein Stellvertreter ist Dr. Thomas Siekmann. Eckhard Lüdering verantwortet im Vorstand das Ressort Kredit und Bankbetrieb. In seinen Bereich fiel die Umstellung.

 

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