Fremdbesitzverbot

Apothekenprokurist: BGH will Liberalisierungsdebatte

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Berlin -

Dürfen Apotheker Prokuristen bestellen? Diese Frage beschäftigt derzeit die Justiz. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass zumindest eine Anmeldung im Handelsregister nicht von vornherein abzulehnen ist. Denn die Frage, ob eine „schrittweise Liberalisierung des Apothekenrechts“ gewollt sei, müsse auf höherer Ebene geklärt werden.

Im Januar 2015 hatte ein Apotheker beim Amtsgericht Mannheim einen Einzelprokuristen ohne Approbation ins Handelsregister eintragen lassen. Das Registergericht kündigte rund drei Wochen später die Löschung des Eintrags an, weil Apotheker nach §7 Apothekengesetz (ApoG) zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung verpflichtet seien und daher keine Prokura erteilen dürften.

Der inzwischen verstorbene Inhaber und sein Prokurist widersprachen der Löschung, die vom Amtsgericht aber im Oktober 2015 zunächst bestätigt wurde. Das Oberlandesgericht Karlsruhe gab ihrer Beschwerde statt. Zwar dürfe das zuständige Gericht berufsrechtliche Hindernisse bei der Prokuraerteilung prüfen, diese lägen aber hier nicht vor: Grundsätzlich sei es Apothekern nicht versagt, einen Prokuristen einzusetzen, so der Beschluss vom 1. März 2016.

So weit wollte der BGH nicht gehen, doch auch die Richter in Karlsruhe erklärten die Löschung für unrechtmäßig. Denn die Vorgaben des Handelsgesetzbuches (HGB) würden nicht durch andere Bestimmungen eingeschränkt. Wörtlich heißt es dazu in §7: „Durch die Vorschriften des öffentlichen Rechtes, nach welchen die Befugnis zum Gewerbebetrieb ausgeschlossen oder von gewissen Voraussetzungen abhängig gemacht ist, wird die Anwendung der die Kaufleute betreffenden Vorschriften dieses Gesetzbuchs nicht berührt.“

Durch die Trennung sollten das Eintragungsverfahren erleichtert und Rechtssicherheit geschaffen werden, so der BGH. „Daraus folgt, dass das Registergericht die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften, die eine Gewerbetätigkeit beschränken, grundsätzlich weder prüfen muss noch prüfen darf. Die öffentlich-rechtliche Unzulässigkeit vermag daher bei Vorliegen der handelsrechtlichen Eintragungsvoraussetzungen weder die Eintragung im Handelsregister zu hindern, noch eine Amtslöschung zu tragen.“

Für die Erteilung einer Prokura durch einen Apotheker gibt es laut BGH keine handelsrechtliche Beschränkung. Eine Prüfung des §7 ApoG werde weder in handelsrechtlichen noch in anderen Vorschriften besonders angeordnet; ebenso wenig werde die Registereintragung von der Vorlage diesbezüglicher öffentlich-rechtlicher Urkunden abhängig gemacht.

Die Eintragung sei auch weder sittenwidrig noch strafbar, da §7 ApoG weder straf- noch bußgeldbewehrt sei. §23 ApoG stelle zwar den Betrieb oder die Verwaltung einer Apotheke ohne die erforderliche Erlaubnis unter Strafe. „Dieser Tatbestand wird jedoch durch die bloße Erteilung einer (unterstellt) unzulässigen Prokura als solche noch nicht erfüllt, sondern allenfalls erst durch die tatsächliche Nutzung der aus der Prokura resultierenden Befugnisse.“

Laut BGH ist es Sache der zuständigen Behörde, die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften „vor dem Hintergrund der gesetzlichen Entwicklung des Apothekenrechts“ zu überwachen und durchzusetzen; dabei sei eventuell auch eine weitere Sachaufklärung in Bezug auf die konkrete Ausgestaltung des Prokuraverhältnisses“ angezeigt. Dies sei bislang nicht geschehen.

Generell könnten Bedenken zwar im Einzelfall auch den Wegfall der handelsrechtlichen Eintragungsvoraussetzungen zur Folge haben. Die Löschung beruhe dann aber nicht auf dem Fortfall der gewerberechtlichen Zulässigkeit sondern der handelsrechtlichen Voraussetzungen.

Das Argument, dass eine Prüfung der Eintragung unter Verweis auf die „Einheit der Rechtsordnung und die Notwendigkeit der Durchsetzung von im öffentlichen Interesse erlassenen Vorschriften“ angezeigt sei, ließen die Richter nicht gelten. Denn damit würde laut BGH die „beschränkte Funktion des Handelsregisters als Verzeichnis der im Geschäftsverkehr tätigen Kaufleute und ihrer wesentlichen betriebsorganisatorischen Verhältnisse“ verkannt. „Das Handelsregister soll weder dazu dienen, öffentlich-rechtliche Verbote durchzusetzen, noch enthält es eine Aussage über die gewerberechtliche Zulässigkeit des Betriebs.“

Dann wird es grundsätzlich: Generell sei gar nicht klar, ob sich die Unzulässigkeit der Prokuraerteilung überhaupt unzweifelhaft aus dem Gesetz ergebe. Die Frage, inwieweit die Erteilung einer Prokura der Pflicht zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung widerspreche, sei insbesondere seit der beschränkten Zulassung des Mehrbesitzes umstritten.

Teilweise werde vertreten, mit der berufsrechtlichen Verpflichtung zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung sei es generell unvereinbar, einem Mitarbeiter die umfassende und gegenüber Dritten nicht beschränkbare Vertretungsbefugnis eines Prokuristen einzuräumen. Nach anderer Ansicht sei jedenfalls die Prokuraerteilung an einen Nichtapotheker unzulässig.

„Zunehmend wird jedoch unter Verweis auf eine schrittweise Liberalisierung des Apothekenrechts insbesondere durch die Zulassung des beschränkten Mehrbesitzes auch vertreten, dass die Erteilung einer Prokura durch einen Apotheker entweder generell, zumindest aber an einen Filialleiter oder Vertreter zulässig sei“, so der BGH. „Danach wäre die Beachtung der Vorgaben des § 7 ApoG durch die konkrete Ausgestaltung des Prokuraverhältnisses und die Überwachung des Prokuristen sicherzustellen.“

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