Saarland

Apotheke zwangsgeschlossen, Arzt weg, Bürgermeister verzweifelt

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Berlin -

Normalerweise geht erst der Arzt, dann der Apotheker. In der kleinen saarländischen Ortschaft Hemmersdorf hat sich die Reihenfolge umgekehrt: Im kommenden März schließt der letzte Arzt aus Altersgründen seine Praxis. Die Apotheke im Ort ist seit Kurzem geschlossen – zwangsweise. Dann ist Hemmersdorf eine medizinische Wüste. „Das schmerzt schon“, beklagt Ortsvorsteher Dietmar Zenner diese Entwicklung in der 2200 Einwohner kleinen Ortschaft.

Dabei hatte vor knapp drei Jahren alles so hoffnungsvoll begonnen: Nach langem Suchen fand sich endlich wieder ein Pharmazeut, der die Nied-Apotheke wieder eröffnen wollte. Nach 30 Jahren hatte sich einige Monate zuvor der einzige Apotheker in Hemmersdorf in den Ruhestand verabschiedet. Weil er keinen Nachfolger finden konnte, hatte er seine Apotheke abmelden müssen. Das Ladenlokal war leer. Monika Colbus, der das Haus gehört, suchte sofort einen Nachmieter.

Zunächst hatte Zenner bei Apotheken der Region herumgefragt. Auch bei der Apothekerkammer angeklopft: „Für mehr als eine Art Auslieferungslager bestand aber kein Interesse", so Zenner. Erst eine Anzeige brachte Erfolg: Im fernen Lörrach in Baden-Württemberg wurde Apotheker Massoud Afrouzeh auf Hemmersdorf aufmerksam. Man telefonierte und war sich schnell einig. Im Februar eröffnete Afrouzeh die Nied-Apotheke neu.

Aber von Anbeginn stand das Projekt unter keinem guten Stern: Die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) setzte inzwischen andere Rahmenbedingungen. Die geforderte Barrierefreiheit war technisch kaum realisierbar: Eine Rampe für die drei Stufen hätte den Kellereingang versperrt. Mit Unterstützung von Albert Metzinger, Behindertenbeauftragter in Rehlingen-Siersburg und Sprecher der kommunalen Behindertenbeauftragten im Saarland, rang man der damals für die Genehmigung zuständigen Gesundheitsbehörde eine Ausnahme ab. Eine Klingel reichte schließlich aus.

Aber rasch gab es Ärger mit der Vermieterin: Afrouzeh wollte die alte Nied-Apotheke verschönern, die alten Tapeten entfernen und durch Putz ersetzen. Aber bezahlen wollte Colbus dafür nicht. So gab es Streit, man überwarf sich und schließlich kündigte Colbus den Mietvertrag für die Apotheke zum Jahresende 2017. „Ein Schuss vor den Bug“, wie sich Ortsvorsteher Zenner erzählt, der sich als Vermittler immer wieder in den Streit einschaltete.

Doch auch sonst gab es Probleme. Die seit Sommer 2016 für die Apothekenüberwachung zuständige Apothekerkammer meldete sich gleich vier Mal bei Afrouzeh. Mit den Vorschriften nahm es der Apotheker nicht so genau: Im Lager fanden sich 187 Packungen abgelaufener Arzneimittel. Einige soll der Apotheke an Patienten abgegeben haben. Die Dokumentation von Rezepturen ließ auch zu wünschen. Auch sollen Kippen auf dem Boden gelegen haben. Vor einigen Wochen wurde die Schließung der Apotheke angeordnet. Afrouzeh legte bis heute keinen Widerspruch ein.

Dass die Apothekenkammer sich nicht stärker für die Erhaltung der Betriebe gerade in kleinen Orten einsetzt, kann der Ortsvorsteher nicht verstehen. Besonders da die Nied-Apotheke großen Zulauf hatte: „Zwischen 70 und 100 Kunden am Tag. Und die Kunden waren sehr zufrieden, Herr Afrouzeh hat ein unwahrscheinlich hohes Fachwissen.“ Auch Bürger aus Niedaltdorf, Biringen und Oberesch nutzten die Apotheke. „Das war für unser Dorf sehr wichtig“, betont Zenner, „und der Apotheker war auch sehr gut integriert.“

Zenner hätte dem Iraner gerne mehr Zeit gelassen: „Afrouzeh ist fachlich ein Super-Apotheker. Vielleicht war er aber etwas überfordert.“ Er habe die Apotheke ganz alleine geführt. „Die Umsätze waren gut“, so Zenner, der stets engen Kontakt zum Pharmazeuten hielt. Aber irgendwann sei Afrouzeh an seine Schmerzgrenze gekommen, auch die Belastung durch die Nacht- und Notdienste hätten dazu beigetragen. Allerdings: „Afrouzeh ist kein einfacher Zeitgenosse“, so Zenner. Der Apotheker habe seine eigene Auffassung von der Ausübung seines Berufes gelebt.

Aufgeben will der Ortsvorsteher nicht: Jetzt macht sich Zenner wieder auf die Suche nach einer medizinischen Versorgung für die 2200 Hemmersdorfer. „Als Ortsvorsteher habe ich bereits Mitte des Jahres die Apothekenkammer angeschrieben und darauf hingewiesen, wie wichtig eine Apotheke hier im Ort ist“, schildert Zenner. Auch der Gesundheitsministerin hat er die Situation geschildert. Zenner hofft, dass die medizinische Versorgung im Ort auf irgendeine Weise erhalten bleiben kann: „Und wenn es auch nur eine gelegentliche Sprechstunde ist.“

In Großgemeinde Rehlingen-Siersburg gibt es eine Gemeinschaftspraxis. Irgendwie will er versuchen, in Hemmersdorf eine „Zweigstelle“ einzurichten. Am liebsten sähe es Zenner, der sich inzwischen mit dem Apothekenrecht gut auskennt, wenn darin auch Arzneimittel abgegeben werden könnten. Ein Rezeptsammelstelle hält er nicht für ausreichend. In 4,3 Kilometer Entfernung versorgt die Sankt Martin Apotheke die Großgemeinde. Alle 60 Minuten verbindet eine Regionalbahn Hemmersdorf mit dem Zentrum von Rehlingen-Siersburg.

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