ApoRetrO

Wie 2017 hätte gewesen sein können

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Berlin -

Dies ist ein Geständnis: Ich habe Sie, geschätzte Leser, in diesem Jahr wiederholt an der Nase herum geführt und einigen von Ihnen mit dem satirischen Wochenrückblick ApoRetrO einen Schrecken eingejagt. Sie werden es schon gemerkt haben: Rosa Kittel wurden nicht verpflichtend und so weiter. Heute mal keine Schreckgespenster, sondern die zwar ebenfalls erfundene, aber fröhliche Vorstellung, wie 2017 hätte gewesen sein können, wenn alles für die Apotheker etwas besser gelaufen wäre.

Die Freigabe von Medizinalhanf läuft im perfekten Jahr 2017 so: Jede Apotheke darf täglich über 50 Gramm frei verfügen, ohne Dokumentation und Rechenschaft. Die Identitätsprüfung kann auf Wunsch im Selbstversuch durchgeführt werden. Peace, Bruder.

Frieden statt feindlicher Übernahme. Zwar will sich Amazon den deutschen Apothekenmarkt schnappen und findet auch einen Partner für den ersten Aufschlag. Die Bienen-Apotheke schwärmt für den Konzern aus und holt die Kunden. Die unterbezahlten Prime-Fahrer bringen die Päckchen an die ansonsten womöglich unterversorgte Münchener Bevölkerung. Soweit der Plan.

Doch diesmal hat Amazon einen Fehler gemacht. Eine Schwachstelle im Geheimvertrag mit Bienen-Apotheker Michael Grintz bewirkt, dass mit jeder Transaktion 0,1 Prozent der Amazon-Anteile der Apotheke zufallen. Da beide Seiten mit Blut und Aioli unterschrieben haben, ist der Kontrakt nicht kündbar und bald schon, sehr bald, wird der Versandriese den Apothekern gehören. Denn Grintz hat angekündigt, seinem Berufsstand etwas zurückzugeben und Amazon in eine Genossenschaft zu gleichen Anteilen an die Kollegen zu übergeben. Der Arzneiversand soll dann nur noch von fair bezahlten Pharmazeuten durchgeführt werden.

Und beim Versand werden selbstverständlich sämtliche Lager- und Transportvorschriften auf GMP- und GDP-Standard eingehalten. Keine Kapsel soll mehr schmelzen, keine Paracetamol-Saft mehr gefrieren. Apotheker Christopher Kreiss erhält das Bundesverdienstkreuz am Bande, weil die Behörden erst durch seinen unermüdlichen Einsatz verlernen mussten, einfach wegzusehen.

Bei den Aufräumarbeiten fallen dem Gesetzgeber weitere Missstände auf. Dass nämlich die Finanzierung großer Teile der Geschäftstätigkeit großer Versandapotheken durch Investoren eigentlich gar nicht mit dem Fremdbesitzverbot vereinbar ist und verboten gehört. Also wird sie verboten. Die Korrektur folgt auf dem Fuße. Bei der Gelegenheit wird die reichlich willkürliche Länderliste einer Überprüfung unterzogen und zerrissen.

Das Automaten-Projekt in Hüffenhardt ist schon lange vorher gestorben. Denn die VoIP-Umstellung der Telekom hatte das Projekt so lange außer Gefecht gesetzt, dass alle Beteiligten die Lust daran verloren, bevor Kunden einkaufen oder die Aufsichtsbehörden einschreiten konnten. Heimlich still und leise beerdigen auch die Apothekerverbände ihre digitalen Rezeptsammelstellen. Denn die finden sie eigentlich sowieso doof.

Bei der Bundestagswahl kommt ein ganz tolles Ergebnis heraus. Welches, müssen Sie schon selbst entscheiden. Da hat jeder seine Präferenzen. Nur diesen ganzen Murks mit dem Jamaika-Balkon und dem U-Turn-Schulz konnte man sich zugunsten echter Regierungsbildung sparen. Und ein paar Hundekrawatten weniger im TV. Also bitte: Sie haben die Wahl!

Die FDP jedenfalls hat die Kurve noch bekommen. Beim Parteitag wird der Antrag zur Aufhebung des Fremdbesitzverbots von Apotheken einfach niedergebuht. Parteichef Christian Lindner nimmt plötzlich wieder Farbe an und besinnt sich auf die liberalen Grundsätze der Parteiväter. Freiberufler werden plötzlich wieder hipp in der FDP, Bedenken secondhipp.

Damit wäre natürlich das Rx-Versandverbot kein Problem mehr gewesen. Denn auch die SPD hatte sich inzwischen von der Linkspartei erklären lassen, dass es nicht gerecht ist, wenn es ausgerechnet der Großinvestor leicht gemacht bekommt. Aber für das Verbot besteht ja zum Glück überhaupt keine Notwendigkeit mehr, wegen der Amazon-Geschichte. Und so kann Andrea Nahles die freie Redezeit im Parlament endlich nutzen, um das Pippi-Langstrumpf-Lied komplett zu singen.

Apropos 2 x 3 macht 4: Finanzbeamte dürfen Betriebsprüfungen in Apotheken künftig nicht mehr durchführen widdewiddewie es ihnen gefällt. Die vom Bundesfinanzministerium erlassene Novelle sieht nämlich vor, dass jeder Mitarbeiter des Fiskus zunächst einen Monat in einer Apotheke mitarbeiten muss, um wirklich zu verstehen, worum es geht. 75 Prozent geben nach der ersten Woche auf, weil es ihnen zu komplex ist. Die anderen sind bei den folgenden Betriebsprüfungen weit weniger nervig.

Im Herbst dann das Honorargutachten. Die Prüfer von 2hm finden heraus, dass die in den vergangenen Jahren geschlossenen Apotheken nicht zu viel verdient haben. Nach der im Bundestag einstimmig durchgesetzten Honorarreform ist ABDA-Präsident Friedemann Schmidt so gerührt, dass er bei seiner Video-Botschaft keinen Ton herausbringt.

Der Deutsche Apothekerverband (DAV) bietet der Apothekengewerkschaft Adexa von sich aus eine Anpassung des Gehaltstarifvertrags an. Weil gleichzeitig die Länder endlich wieder die Finanzierung der PTA-Schulen übernehmen, wird der Beruf zum „Ausbildungsplatz des Jahres 2017“ gekürt.

Die Apotheker bekommen etwas zurück: Der Bundesgerichtshof (BGH) entscheidet gar nicht in der Skonto-Frage, sondern spielt den Ball direkt zum Gesetzgeber zurück. Der soll die Honorare von Apothekern und Großhändlern genauer definieren und bei der Gelegenheit gleich anheben. Und das passiert dann auch.

Und dann der Pfusch-Apotheker. Schon jetzt, lange vor einem Urteilsspruch, darf man wohl von dem größten Apothekenskandal der Geschichte sprechen. Wenn nur ein Teil der Vorwürfe gegen Peter S. stimmen, gibt es nur eine positive Variante dieser furchtbaren Geschichte: dass sie nie passiert wäre.

Die Redaktion von APOTHEKE ADHOC wünscht Ihnen, dass 2018 mindestens so gut wird wie dieses fiktive 2017 und die nötige Gelassenheit, wenn doch nicht alles so läuft. Bleiben Sie uns gewogen!

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