ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Versender ergreifen Maßnahmen

, Uhr
Berlin -

Sicherheit geht vor. Weil auch die Versandapotheken ihre Mitarbeiter vor einer Corona-Infektion schützen wollen, werden jetzt in vielen Betrieben Maßnahmen eingeführt. Zum Standard gehören mittlerweile Plexiglasscheiben, die zwischen dem Mitarbeiter in der Auftragsbearbeitung und seinem Monitor aufgebaut werden. Handschuhe beim Arzneimittel verpacken und Mundschutz in der Hotline sind ebenfalls gängig.

Die Versandapotheken leisten derzeit Erstaunliches: Fast ganz allein stemmen sie die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung, die sich seit Wochen nicht mehr aus dem Haus traut. Umso wichtiger ist es, dass ihr Betrieb in der Krise unter allen Umständen aufrechterhalten wird. Und deshalb muss das Team gesund bleiben.

„Unsere Mitarbeiter sind unser wertvollstes Gut“, sagt der Chef einer Versandapotheke. „Naja, eigentlich unsere vollautomatisierten Hochregallager und die künstliche Intelligenz hinter dem dynamic pricing, aber die Mitarbeiter, also die sind auch wichtig.“ Und deswegen werden sie besonders geschützt. Hustet ein Kunde während des Bestellvorgangs auf seine Tastatur, ist das Gegenüber hinter der Plexiglasscheibe zwischen sich und der Bestellannahme sicher. „Natürlich können wir eine Ansteckung nicht vollständig ausschließen, aber dieses Risiko sind wir bereit einzugehen. Wir stehen schließlich in der ersten Linie und übernehmen diese Verantwortung gerne“, so der Oberversender.

Den Mundschutz für die Kollegen in der Hotline findet er persönlich übertrieben. „Hier ruft sowieso nie einer an für eine Beratung, höchstens mal jemand von Focus Money für den Versandapothekentest.“ Trotzdem wurde auch diese Maßnahme umgesetzt. Und je nach Entwicklung ist man beim Versender bereit, weitere Schritte zu gehen, will sagen, weniger: „Sollte es zu einer Ausgangssperre kommen, können wir die Ware natürlich nicht mehr reinen Gewissens ausfahren lassen. Phase 2 sieht daher vor, dass sich die Kunden ihre Medikamente hier bei uns abholen. Das ist ja erlaubt, genauso wie der Gang zum Arzt.“

Nur eine Maßnahme hat überhaupt nicht funktioniert: Die Sache mit dem Abstandshalter für die Aktionäre wurde einfach ignoriert. Die kuscheln sich alle ganz eng an ihre CEOs und hoffen auf den großen Schub. Und ihre Hoffnung wird von den Verantwortlichen gefüttert, weil auch die Anstandshalter gerade nicht funktionieren.

Jetzt mal Spaß beiseite und ganz ehrlich: Ist das wirklich der richtige Zeitpunkt, um sich als Versandapotheke selbst zu feiern? Telemedizin mag ja eine sinnvolle Ergänzung in der aktuellen Situation sein. Aber sich damit so in den Vordergrund zu drängeln, wie es Christian Buse vom BVDVA oder Christian Mauve von Mauve mit seinen Webshops in dieser Woche getan haben, ist schon zynisch gegenüber all den wirklich Systemrelevanten.

Die bringen in Praxen und Apotheken ihre Leistung, weil es ohne sie überhaupt nicht ginge. Sie sind dem Risiko einer Ansteckung ausgesetzt, sie stellen die Desinfektionsmittel her und fahren den Botendienst hoch, damit die gefährdeten Kunden nicht aus dem Haus müssen. Also bitte das Hohelied auf den Versandhandel in diesen Tagen lieber im Keller anstimmen. #singthefuckathome

Aber nein, Zur Rose-Chef Walter Oberhänsli spricht von einem „Corona-Effekt“, der die Verlagerung von Offline zu Online beschleunige. Die Krise – die man sehr ernst nehme – sei eine einzigartige Gelegenheit, zum Katalysator für das Geschäftsmodell zu werden, rechtzeitig zur Einführung des E-Rezepts. Das war jetzt keine Satire, das ist wirklich so gesagt worden. In diesem Sinne sollten die Versender jedem Päckchen einen Schokoriegel beilegen und Ihren Kunden so einen gut eingestellten Diabetes ermöglichen. Denn von Chronikern hätten sie viel länger etwas…

Ich weiß gar nicht, warum ich mich so aufrege: Noweda-Chef Dr. Michael Kuck hat es doch schon in einem Wort zusammengefasst: „Geschmacklos.“ Dabei haben die Großhändler selbst mit der Corona-Krise zu kämpfen, weil einerseits die Bestellungen massiv ansteigen, andererseits das eigene Personal von den bundesweiten Schul- und Kitaschließungen betroffen ist. Noweda, Gehe, Phoenix, Alliance, alle sind im Krisenmodus. Bei der Shop-Apotheke ist so viel zu tun, dass die Geschäftsleitung erwägt, die Bestellmengen zu deckeln.

Die Rechenzentren befürchten dagegen, dass den Apotheken eine Finanzierungslücke droht und appellieren an die ABDA, mit dem GKV-Spitzenverband eine Sonderzahlung auszuhandeln. Immerhin haben die Krankenkassen schon eingesehen, dass eine strikte Durchsetzung der Rabattverträge derzeit kontraindiziert ist. Mittlerweile gibt es sogar bei Paracetamol Engpässe. Aus dem Bundesgesundheitsministerium kommt der Rat an die Apotheken, nur noch handelsübliche Mengen zu verkaufen.

Es gibt so unendlich viel mehr über Corona, noch am Freitagabend kam die Höchstmengen-Regleung des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) dazu. Zu viel für den Wochenrückblick, daher mein Tipp: Klicken Sie auf www.apotheke-adhoc/coronavirus, dort finden Sie alle Beiträge zu dem Thema. Oder hören Sie sich das zweite Podcast-Interview mit dem Pneumologen Dr. Kai-Michael Beeh an (auch als Video). Hier geht es zu den nützlichen Downloads und hier zum Passierschein A38. Bleiben Sie gesund, bleiben Sie zu Hause! Schönes Wochenende!

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Lesen Sie auch
Mehr zum Thema
„Ich habe eine Rechnung für ‚Nichtstun‘ erhalten.“
Audit verweigert: AfP will 326 Euro
Feld nicht den Versendern überlassen
Card Link: Gedisa bringt standeseigene Lösung
Mehr aus Ressort
regelmäßige Überwachung
Behörde droht mit Revision
Korrekturgrund 367
AOK startet Engpass-Retax

APOTHEKE ADHOC Debatte