ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Taschenrechner für die Impfstoffbestellung Alexander Müller, 17.04.2021 07:59 Uhr

Der Vaccilator für die Berechnung der Impfstoffbestellung. Montage: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Drei Vials von dem, ein Vial von dem anderen, Impfzubehör für alle und für die Marianne noch ein Schokoeis mit Sahne. Corona-Impfstoffe bestellen will gelernt sein. Um den Vorgang zu vereinfachen, bringen die Großhändler gemeinsam ein technisches Hilfsmittel auf den Markt: den Vaccilator.

Die Berechnung der Bestellung von Corona-Impfstoffen gerät zur neuen Lieblingsbeschäftigung in Apotheken. Zum Glück sitzt ein verlässlicher Partner mit im oft beschworenen Boot: die Großhändler. Deren Teams in den Niederlassungen machen sich um etwaige Ausgangssperren sowieso keine Gedanken – die Nächte an den Wochenenden verbringen sie neuerdings damit, die wertvollen Vakzine im Kühlhaus zu kommissionieren, damit in der folgenden Woche in den Praxen weiter geimpft werden kann.

Und mehr noch: Um die Apotheken bei den wöchentlich wechselnden Vorgaben der Verteilarithmetik zu unterstützen, kommt jetzt ein eigener Taschenrechner. Der Vaccilator hat eine eigene Taste für den „Zuteilungsschlüssel“. Übersichtlich lassen sich zudem mit den Tasten 6 und 10 impfstoffspezifisch Vials in Dosen umrechnen und umgekehrt. Die Taste 42 liefert die Antwort auf die große Frage „nach dem Leben, dem Universum und allem“ – und bestellt Comirnaty und Vaxzevria im richtigen Mengenverhältnis.

Sehr Praktisch ist außerdem die Funktion „Impfzubehör“ – schließlich müssen die Apotheken auch das für den Großhandel mit abrechnen, das heißt vorstrecken. Weil aufgrund der nach wie vor herrschenden Impfstoffknappheit auch bei exaktem Bestellverhalten praktisch nie geliefert wird wie geordert, hat der Vaccilator noch die Taste „Unbekannt“. Damit lässt sich berechnen, was die Apotheke möglicherweise an Impfstoff erhält. Achtung, die Angabe erfolgt in Vials. Über die Taste „Bestellen“ wird der Auftrag abgeschickt. Dann heißt es nur noch hoffen, dass sich zwischen Order und Anlieferung der Verteilschlüssel oder die Impfempfehlungen für bestimmte Altersgruppen nicht geändert haben.

Die traurige Wahrheit ist, dass es keinen Vaccilator gibt, ja nicht einmal die hauseigene und hochpotente Apotheken-EDV kann die Bestellung richtig abbilden. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hat noch am Donnerstag die Geschäftsführer:innen der Landesverbände darüber informiert, man arbeite „unter Hochdruck“ an einem Leitfaden zur Abrechnung. Bis dahin sollten die Rezepte bitte noch zurückgehalten werden. Spätestens Anfang KW 16 sollen diese Fragen geklärt sein.

Macht nichts, für so profane Dinge wie Abrechnung und Geld eintreiben haben die Apotheken ohnehin keine Zeit. Der Praxis erklären, warum sie Impfstoffe nur in bestimmten Mengenverhältnissen bestellen kann, steht auf der Tagesordnung. Und auch wenn die Standesvertretung der Kassenärzt:innen mit am Tisch saß, als das vereinbart wurde – kommt es im Einzelfall zu extrem unschönen Auseinandersetzungen zwischen Praxis und Apotheke. Dabei können die nun am allerwenigsten dafür. Irgendein Scherzbold oder großer „Per Anhalter durch die Galaxis“-Fan wird sich diesen 42-Scherz ausgedacht haben. Besonders spaßig, wenn nur 2/42 kommen.

Das Problem ist aber größer: Weil viele prinzipiell Impfwillige plötzlich wählerisch bei der Vakzinvergabe werden, stehen die Ärzt:innen vor einer ganz neuen Herausforderung. Patient:innen Ü60 möchten lieber auf Biontech warten, als sich den Impfstoff von AstraZeneca spritzen zu lassen, der erst nicht für sie geeignet schien, dann doch und jetzt ausschließlich für sie vorgesehen ist. Also wollen die Ärzte keinen Astra-Impfstoff mehr bestellen. Was tun? Erst heiß es, die Apotheken sollten die Praxen komplett sperren. Viel Vergnügen! Nach einer Krisensitzung im Bundesgesundheitsministerium (BMG) wurde die 45:55-Regel wieder abgeschafft.

Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass Termine nicht wahrgenommen werden und Impfstoff übrig bleibt. Damit der nicht im schlimmsten Fall verfällt, führen einige Praxen Wartelisten mit Interessierten. Ein Apothekenteam hat sich so schon den Schuss geholt. Der Effekt: Besser als Weihnachtsgeld.

Zu lange auf Geld gewartet hat eine Corona-Teststelle. Weil die Vergütung ausbleibt, werden vorerst keine neuen Termine vergeben. Aber keine Sorge: Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat versprochen, dass bald gezahlt wird. Und seine Versprechen hält er immer.

Am Donnerstag war es so weit: Die letzten FFP2-Coupons wurden in Apotheken eingelöst. Pünktlich zum Stichtag hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) entschieden, dass die Apotheken zu Marketingzwecken doch auf die Einziehung der Eigenbeteiligung hätten verzichten können. Bedrückend ist, dass diese Gerichtsposse nicht einmal der größte Irrsinn an der Nummer war. Die Apotheken sind trotzdem mit der Verteilaktion zufrieden – übrigens auch mit der Abrechnung über das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS), über das jetzt auch die Impfstoffe abgerechnet werden sollen (s.o.). Noch kann kein Doppelstrich unter die FFP2-Rechnung gezogen werden, aber die ersten BAS-Zahlen deuten darauf hin, dass der Bund deutlich weniger als die angepeilten 2,5 Milliarden Euro ausgeben wird.

Die Apotheken hätten sich eine Verlängerung der Aktion gewünscht – wegen der Maskenpflicht und weil viele der Ansicht sind, dass die zusätzlichen Einnahmen so manche Offizin vor der Insolvenz bewahrt haben. Noch eine gute Nachricht zum Schluss: Die Ersatzkassen verlängern die Friedenspflicht bei DJ-Retaxen. Und die Pharmazieräte wollen den Botendienst immer noch besser machen. Ausgeliefert. Schönes Wochenende!