ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Hüffenhardt 2.0 Alexander Müller, 27.04.2019 07:49 Uhr

Berlin - 

So könnte sie aussehen, die neue DocMorris-Apotheke. Entschuldigung, die Nicht-Apotheke von DocMorris. Denn wo „nur“ Versandhandel drinsteckt, muss auch Versandhandel draufstehen. Was sagt es uns eigentlich, wenn man sich als Apotheke nicht den Anschein einer Apotheke geben darf?

DocMorris hätte mit seinem Automatenprojekt ja auch in eine stillgelegte Fleischerei ziehen können, in einen verlassenen Schlecker oder eine verwaiste Bankfiliale. Aber in Heerlen hatte man schon immer einen Hang zum Dramatischen und ein Händchen für eine gute Inszenierung. Und so wurde natürlich eine ehemalige Apotheke in Hüffenhardt als Zuhause für den sprechenden Kommissionierer gewählt. Nach dem Motto: Seht her, die Apotheker haben euch schon aufgegeben, aber wir retten die Versorgung im ländlichen Raum.

Dann ist da immer diese dumme Sache mit den Gesetzen. In eine Apotheke gehört ein Apotheker, Rezepturen sollen mühevoll angefertigt und kraftraubende Nachtdienste defizitär geschoben werden. Das ist nichts für Kapitalgeber. Aber zum Glück hatte sich ja das Bundesverwaltungsgericht schon vor Jahren im dm-Fall großzügig gezeigt bei der Abgrenzung der Spielarten des Versandhandels.

So ist aus der Sicht von DocMorris auch die Arzneimittelabgabe mit telemedizinischer Beratung nur eine Spielart des Versandhandels. Nur dass hier eben nicht die Arzneimittel zum Kunden geschickt werden, sondern sich der Kunde in einer stillgelegten Apotheke die Medikamente abholt, die schon vorher da waren. Dem Verwaltungsgericht Karlsruhe war das nicht kreativ genug, der Automat bleibt vorerst verboten.

Was ist für DocMorris zu tun? Für die nächsten Automatenprojekte sollten vorzugsweise aufgegebene Postschalter verwendet werden, dann ist der Bezug zum Versandhandel schon ein Stückchen näher. „Wir sind KEINE Apotheke“, könnte an der Medikamentenabgabestelle klar erkennbar sein, sicherheitshalber auch noch Hinweisschilder mit den Botschaften: „HIER berät Sie niemand“ oder „Nix Rezeptur und auch keine Umschau“. Das Apotheken-A darf natürlich nicht zu sehen sein, man könnte über ein gotisches V nachdenken, für Versandhandel. Damit die Leute auch wirklich wissen, dass sie keine Apotheke mehr haben.

Anderenorts haben sie zwar noch eine Apotheke, die hat aber kein Valsartan. Zuletzt waren auch die letzten Generikahersteller defekt. Selbst TAD war leer gekauft. Doch dann kam unverhofft wieder eine Ladung Valsacor in der Apotheke an, es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Erstaunlich: Auch nach dem Skandal aus dem vergangenen Sommer behauptet Valsartan noch immer den zweiten Platz.

Vielleicht steigt der Absatz demnächst sogar noch an. Die Hersteller vermuten – aus welchen Gründen auch immer – einen Anstieg des Rx-Umsatzes nach Einführung des E-Rezepts. Viel bedenklicher: Ein Großteil hätte nichts dagegen, wenn der Arzt die Verordnung direkt an eine Versandapotheke schickt, die dann bequem nach Hause liefert (respektive bequem in der Ex-Fleischerei einlagert).

Was die Studie der Marketingagentur Dr. Kaske noch ergeben hat: Sollten die heutigen Apothekenkunden mit der Einführung des E-Rezepts tatsächlich den Onlinemarkt auch für ihre Rx-Arzneimittel nutzen, würde das – im schlimmsten Szenario – für 7000 Apotheken das Ende bedeuten. Die parallel durchgeführten Befragungen unter Verbrauchern und Apothekern stimmen nicht unbedingt hoffnungsvoll. Andererseits spricht auch nichts dagegen, dass die Apotheker gemeinsam ein starkes Plattform-Konzept durchsetzen, das die Kunden am Ende vielleicht sogar komfortabler finden.

Besondere Vorstellungen von der Einführung des E-Rezepts hat man auch bei der Siemens BKK. Wenn die ganze Rezeptabrechnung digital funktioniert, könnte man sich die Rechenzentren doch eigentlich sparen. Und die Rezeptprüfung samt Retaxation auch – die Kontrolle findet dann live bei der Abgabe statt. Man benötigt allerdings eine KI mit ziemlich hohem IQ, um jeden denkbaren Einzelfall in der Praxis abzubilden, den die Apotheker und PTA Tag für Tag lösen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) steht nicht nur beim Thema Digitalisierung des Gesundheitswesens mit beiden Füßen auf dem Gaspedal. Das TSVG ist durch, mit Inkrafttreten wird wieder über die Konditionen diskutiert werden, mit Großhändlern und Importeuren. Die diskutieren überhaupt gern. Die Apotheker wollen am Donnerstag noch einmal über das sogenannte Apothekenstärkungsgesetz aus dem BMG sprechen, das nicht zuletzt dank Dr. Elmar Mand schon vor der Einfahrt ins Kabinett ziemlich Schlagseite hat. Das Misstrauen sitzt tief.

Erst danach wird sich die ABDA mit Spahns nächstem Entwurf, der Reform der PTA-Ausbildung, befassen können. Über die verhinderte Super-PTA habe ich an dieser Stelle schon in der vergangenen Woche berichtet. Und dann hat der Minister ja auch noch ein Reformgesetz für die Krankenkassen in der Pipeline. Und wie findet der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbands die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums? „Ohne Maß und ohne Vernunft, falsch und gefährlich.“

Wenn Ihnen das alles zu viel wird: Erstens: Tipps gegen das „zugefallene Ohr“. Zweitens: Suchen Sie sich doch einen anderen Job. Ob der Apothekerinnengatte (oder die Apothekergattin) dann die zukunftsfeste Alternative ist, müssen sie selbst entscheiden. Überhaupt: Sind Paare im Betrieb gut fürs Klima? Für die beiden wichtig: Am Wochenende nicht zu viel über die Arbeit sprechen. Also, psssssst.