ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Eine wunderbare neue Freundschaft

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Berlin -

DocMorris will zurück auf den Marktplatz, im Netz ist es so einsam. Weil der erste Ausflug der Marke in die Fläche nicht uneingeschränkt erfolgreich war, soll die Stärke der Apotheken vor Ort diesmal voll ausgenutzt werden. Hoffentlich lassen sich die Apotheken auch voll ausnutzen.

Die neue Partnerschaft sieht so aus, dass die DocMorris-Kunden ihre Arzneimittel auch in einer stationären Partnerapotheke abholen können. Klassische Arbeitsteilung: Der Versender nimmt den Auftrag an, das Team vor Ort kümmert sich um Beschaffung, Beratung und Betreuung. Natürlich müssen auch die Gewinne geteilt werden.

Damit die Kunden auf der Straße auch wissen, wo sie DocMorris außerhalb des Worldwideweb finden, sollen die Partner den Namenszusatz „Doc“ vor ihren Apothekennamen packen. DocEulen-Apotheke, DocHubertus-Apotheke, DocMörser-Apotheke. Kooperationen oder Franchise-Systeme lassen sich mit ein bisschen Fantasie bestimmt easy integrieren. Doxy-Apotheke zum Beispiel oder Lindoc-Apotheke.

Und weil Kommunikation mit einem echten Gegenüber in der Regel besser funktioniert, gibt es noch folgende Überlegung: Die Apotheken vor Ort sollen das komplette Retouren- und Beschwerdemanagement übernehmen, im Gegenzug verwaltet DocMorris die Kundendaten. Auch die aufreibende Lobbyarbeit in Berlin will der Versender seinen neuen Kumpels abnehmen, die dafür doch sowieso nie wirklich gebrannt haben. Dafür müssen die Apotheker den Müll rausbringen. Eine absolut faire Partnerschaft eben.

Beziehungspause. DocMorris plant nicht wirklich, Apotheken von einer Namensänderung zu überzeugen. Was stimmt: Die Plattform soll so ausgebaut werden, dass Kunden alle möglichen Gesundheitsservices erhalten. Die Apotheken vor Ort sollen auch tatsächlich eingebunden werden und laut DocMorris-CEO Olaf Heinrich ist es keine Option, dass Apotheken auf dem Marktplatz Geschäfte machen können, ohne dafür zu zahlen. Gewinne müssten geteilt werden, so Heinrich. „Marktübliche“ Gebühren im OTC-Bereich und Zugang zu bestimmten Medikationsdaten gegen Cash. Klingt immer noch wie Satire für Sie? Tja, manchmal ist das schwer zu trennen.

Noch ein Beispiel für unglaublich klingende Geschichten: Beim E-Rezept will DocMorris keine Boni gewähren, hier gehe es um faire Wettbewerbsbedingungen. Muttergesellschaft Zur Rose räumt derweil zu Hause auf – nach den ganzen Zukäufen ist es wohl etwas unübersichtlich geworden. Töchterchen Apo-Rot vertickt sogar schon Apothekenkosmetik an Douglas. Kommt bei den Herstellern nicht nur gut an.

Eine inzwischen mehrjährige Realsatire ist der Eiertanz der Politik um das EuGH-Urteil zu Rx-Boni. Von 2016. Keine Antwort auf den Kollaps der Preisbindung. Stattdessen werden die Apotheker immer noch mit dem Heilsversprechen eines Rx-Versandverbots vertröstet. Zumindest die Regierung bekennt in der Sache eindeutig Farbe: Das Kabinett hat in seiner Gegenäußerung dem entsprechenden Ansinnen des Bundesrats eine klare Abfuhr erteilt. Nein, in dieser Legislaturperiode wird es kein RxVV geben, denn weder der Minister spielt mit, noch ließe sich die SPD-Fraktion davon überzeugen.

Zum Alternativplan eines Rx-Boni-Verbots hat sich die EU-Kommission auch nach neun Treffen mit Vertretern des Bundesgesundheitsministeriums noch nicht erklärt. In einer anderen Frage hat Brüssel dagegen sehr schnell entschieden: Gegen die Megafusion von Gehe und Alliance Healthcare Deutschland (AHD) gibt es keinerlei Bedenken. Ohne Auflagen durchgewinkt. Die Überprüfung seitens des deutschen Bundeskartellamts ist damit reine Formsache.

Ebenso klar ist die EU-Kommission bei natürlich hergestellten CBD-Produkten. Die sollen nämlich unisono als Betäubungsmittel eingestuft werden, alle Anträge von Herstellern gemäß der Novel-Food-Verordnung wurden gestoppt. Wenn es dabei bleibt, könnte das das Ende für den Großteil des seit Jahren wachsenden Marktes für CBD-Öle, CBD-Nahrungsergänzungsmittel und CBD-Lebensmittel bedeuten.

Schnelle Entscheidungen können auch im Apothekenalltag sehr nützlich sein. Wenn zum Beispiel das Wasser knöchelhoch in der Offizin steht und in der Tiefgarage die Autos treiben. Dann gewinnt, wer vorbereitet ist und weiß, was er zu tun hat. Unbedingt dieses Video mit dem Versicherungsexperten Michael Jeinsen anschauen (oder anhören). Trockenes Thema, witziger Typ!

Wichtiges Thema, trockener Typ: Die Abda hat ihre Halbjahresbilanz veröffentlicht: Die Zahl der Apotheken ist weiter gesunken: 168 Standorte weniger. Dabei dürfte für viele gelten, was diese Inhaberin über ihre Apotheke sagt, die sie nicht einmal verschenkt bekommt: „Wenn meine Apotheke schließt, wird das hier eine große Lücke reißen.“ Und als Folge der Corona-Pandemie rechnen sogar immer mehr Inhaber damit, Personal abbauen zu müssen. Zumindest für den Worst Case baut der Gesetzgeber offenbar vor: Das Insolvenzrecht soll so entschärft werden, dass eine Restschuldbefreiung im Schnellverfahren möglich wird. Apotheker müssten dann im Sanierungsfall wenigstens nicht auch noch mit ihrem Privatvermögen haften.

Zum Schluss noch Statistik: Zehn Pharmahersteller vereinen 41 Prozent des Umsatzes hierzulande auf sich. Wer die Aufsteiger und Verlierer sind, hat das Marktforschungsunternehmen Iqvia zusammengestellt. Wissen Sie, wer der Aufsteiger des Jahres ist? Viel Spaß beim Raten und: Schönes Wochenende!

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