ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Die Bußgeld-Odyssee einer Apothekerin Alexander Müller, 09.05.2020 08:10 Uhr

Berlin - 

In der Corona-Krise ist vieles möglich, was vorher unvorstellbar schien. Apotheken sehen aus wie Bankschalter, die Krankenkassen lockern ihre sakralen Rabatverträge und der Botendienst wird bezahlt. BEZAHLT! Alles ist möglich. Alles? Nein, wer nicht aufpasst, rauscht in ein wahres Bußgeld-Inferno.

Stellen wir uns Apothekerin Ingrid M. vor. Deren Kunde wollte sein Rezept per WhatsApp schicken, damit das Arzneimittel sicher da ist, wenn er später kommt. Inge ist skeptisch. Ist das nicht eigentlich verboten? Naja, wird schon schief gehen, ist ja Corona. Das Medikament liegt bereit als der Kunde kommt. Er kommt ohne Maske. Lange Diskussion, er bleibt uneinsichtig. Außerdem hat er das Original-Rezept vergessen.

Sind halt besondere Zeiten, denkt Ingrid, und händigt das Arzneimittel zähneknirschend aus. Sie winkt den nächsten Kunden heran. Der tritt ein, desinfiziert sich die Hände und stellt sich freundlich als Vertreter der Aufsichtsbehörde vor. Er kauft Traubenzucker und stellt ein vierstelliges Bußgeld in Aussicht: Rx-Abgabe ohne Rezept und eben jenen maskenlosen Kunden ohne Vorliegen eines Notfalls bedient.

Im Gehen dreht er sich noch einmal um: „Hoppla, Ihre PTA trägt ja auch keine Maske.“ „Aber wir haben doch Plexiglas“, antwortet Ingrid und klopft von innen gegen die Scheibe, haucht dagegen und poliert mit dem Kittelärmel. Ja, aber die PTA sei ja um die Schutzwand herum gekommen, um etwas aus der Freiwahl zu holen. Und auf dieser Seite des HV-Tischs herrsche unbedingte Maskenpflicht. Das Bußgeldkonto steigt.

Um künftig alle Kunden mit Masken versorgen zu können, kauft Inhaberin Ingrid sehr teuer ein und schlägt läppische 10 Prozent drauf. Wenig später bekommt sie Post vom Staatsanwalt: Die Ermittlungen wegen Wucher laufen, sie soll ihre Einkaufsbelege den Ermittlungsbehörden übersenden. Mit Tränen der Wut in den Augen verlässt Ingrid am Abend die Apotheke, um die letzte Botentour des Tages selbst anzutreten. Weil sie die Maske aus Vorsicht gar nicht mehr abnimmt, fährt sie in der Polizeikontrolle das nächste Bußgeld ein: Verstoß gegen das Vermummungsverbot. Ingrid lacht etwas irre in sich hinein und fragt den Polizeibeamten kichernd, ob er einen Covid-19-Antikörper-Schnelltest bei ihr kaufen möchte.

Zugegeben, das wäre der Worst-Case, aber den können wir ja wie Horst Seehofer einmal durchspinnen. In Wirklichkeit ziehen tatsächlich gerade alle mehr oder weniger an einem Strang. Zum Beispiel wurde von den Kassen relativ geräuschlos die Pauschale für Pflegehilfsmittel erhöht – wegen der gestiegenen Einkaufspreise. Rückwirkend zum 1. April können für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel monatlich 60 Euro statt bislang 40 Euro abgerechnet werden.

Was leider stimmt aus Ingrids Geschichte ist die Sache mit dem Staatsanwalt – allerdings nicht bei geringen Aufschlägen. Aber das Ausnutzen einer Notlage – und das ist die Corona-Pandemie – könnte tatsächlich die Strafverfolgungsbehörden auf den Plan rufen. Aber nur, wenn das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht stimmt. Für gestiegene Einkaufspreise kann schließlich auch kein Apotheker etwas.

Wann wird es einen Impfstoff gegen Covid-19 geben? In dieser Woche kursierten Berichten, wonach ein wirksamer Kandidat gegen in einem israelischen Labor gefunden wurde. Hoffen wir das Beste. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betont weiter, dass er auf Freiwilligkeit setzt und keine Impfpflicht möchte. Und einen Corona-Antikörper-Pass möchte er den Leuten jetzt auch nicht mehr ausstellen.

Den Apothekern hat er nicht nur einen Herz erwärmenden Dankesbrief geschrieben, sondern auch AKWL-Präsidentin Gabriele Overwiening in einem Live-Chat Rede und Antwort gestanden. Er will die Apotheker auch nach der Pandemie nicht vergessen. „Mit dem Botendienst ist die Apotheke vor Ort so oder so unschlagbar gegenüber dem Versandhandel“, findet Spahn. Ja, und man sei übrigens auch sonst immer für die Patienten da, sagte Overwiening. „Wir haben mit der inhabergeführten Apotheke die richtige Struktur, wir haben die richtige Grundhaltung, wir sind für die Menschen da.“

Overwiening ist bislang die einzige Kandidatin auf den zum Jahresende frei werdenden Abda-Chefsessel. Den besetzt derzeit noch Friedemann Schmidt, der zwar nicht bei der Spahn-Runde dabei war, dafür aber im Podcast des Wort & Bild Verlags. Und dort äußerte er nicht nur den Wunsch, dass in Apotheken gegen Covid-19 geimpft werden soll, sondern auch die steile These, dass die Vor-Ort-Apotheke gegenüber dem Versandhandel gestärkt aus der Krise hervorgehen werde. Hoffen wir, dass er diesmal recht behält.

Was wäre wohl derzeit los, wenn es das E-Rezept schon gäbe? Der Bundesrat wünscht sich hierzu noch Klarstellungen, was das Makelverbot angeht. Die Länderkammer kann sich das aber nur wünschen, weil das Gesetz nicht zustimmungspflichtig ist.

Beschlossene Sache sind die bis zum 5. Juni verlängerten Kontaktbeschränkungen, aber auch die regional unterschiedlichen Lockerungen. Die Apotheken sehen mit gemischten Gefühlen auf diese Entwicklung, wie eine aposcope-Studie zeigt. Immerhin, die Stimmung bessert sich. Kann sich aber auch schnell wieder verschlechtern, wenn der eigene Bote sich weigert, einen Mundschutz zu tragen.

Was dann nie eine Lösung ist: Kollegen mit Zolpidem-Keksen oder Oxazepam-Kaffee zu vergiften. So geschehen in einer Klinik, der abstruse Fall wird vor Gericht verhandelt. Statt einer Lösung kann man auch Gel verwenden, zumindest bei der Händedesinfektion. In diesem Sinne: Sauber bleiben, gesund bleiben, schönes Wochenende!