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Bitte verhalten Sie sich krank Alexander Müller, 07.09.2019 08:06 Uhr

Berlin - 

Dass man Kunden nicht mit Geld bestechen darf, damit sie einem ihr Rezept bringen, haben wir verstanden (Uitzonderingen bevestigen de regel). Auch den Brötchenbann haben wir verinnerlicht. Aber warum noch mal ist jetzt das 100-Prozent-Rx-freie Gewinnspiel verboten? Weil jubelnde Kunden die Beratung stören. Hier ein Lösungsvorschlag.

Das Berufsgericht für Heilberufe in Köln kritisierte den „Event-Charakter“ eines Gewinnspiels. Weil die Kunden sofort über ihren Hauptgewinn informiert werden, verhindern unvorhergesehene „Freudenreaktionen“ aus Sicht der Richter eine seriöse Arzneimittelversorgung.

Um ein Urteil zu sprechen, versetzen sich die Richter ja immer in die Lage eines durchschnittlich gebildeten Verbrauchers. Was schwebte ihnen in dieser Szene vor? Ein Freudenschrei des Gewinners, gar mit Sprung auf den HV-Tisch? Ein Tänzchen im Schaufenster? Zu viel jedenfalls, damit Herr Krause nebenan noch in Ruhe zu seinem Betablocker beraten werden kann.

Wo ist die Grenze? Die Apotheke wird oft als letzter Ort des sozialen Miteinanders verstanden. In allen Apotheken, die ich kenne, wird mit den Kunden auch mal gelacht und gescherzt. Ist das überhaupt zulässig oder angemessen, wenn der Kunde nebenan Krebs hat? Oder ist schon ein hartnäckiger Fußpilz die Grenze, ab der sich Frohsinn in der Apotheke nicht mehr gehört? Vielleicht sollten die Inhaber einen Zettel ins Schaufenster kleben mit der Botschaft: „Bitte verhalten Sie sich krank.“

Bei aller Würdigung der Würde des Berufsstandes: Kann man es einem Inhaber nicht zutrauen, selbst dafür zu sorgen, dass in seiner Apotheke Patienten angemessen versorgt werden, dass er einen Weg für sich findet zwischen Heilberuf und Kaufmann? Der gesunde Menschenverstand hätte den Richtern nämlich auch flüstern können, dass eine Apotheke von den Gewinnspielzockern allein nicht leben kann und im Wettbewerb schon sicherstellen wird, dass sich niemand allzu sehr gestört fühlt. Überhaupt: Will das Berufsgericht den Apothekern nicht auch vorschreiben, Lieferengpässe auszuschließen. Sonst ärgert sich am Ende noch ein Kunde zu laut und mindert die Seriosität der Institution.

Was macht man mit einem Kunden, der ein Pokémon in der Apotheke sucht? Sie wissen schon, Pokémon Go. Nach diesem Vorbild hat sich ein Apotheker tatsächlich ein Gewinnspiel ausgedacht. Nur müssen die Kunden hier Kürbisse jagen und fotografieren. Ob das die anderen Kunden stört? Keine Ahnung. Jedenfalls hat die Aktion den positiven Nebeneffekt, dass die Kunden in der Sichtwahl Staubwischen. Muss man mal durchrechnen, ob sich dafür nicht ein berufsrechtliches Verfahren sogar lohnt.

Außer die Aufsicht greift durch und hängt einem einen warnenden Zettel ins Schaufenster: „Achtung: In dieser Apotheke werden Sie nicht in Ruhe beraten.“ Das ist meines Wissens noch nicht vorgekommen. Aber in diesem Fall gab es Probleme mit der Eigenproduktion und der Warnzettel wurde Realität.

Ein deutliches Warnsignal an die Inhaber und mehr noch an die politisch Verantwortlichen sind die Ergebnisse einer aktuellen aposcope-Umfrage in der. Reihe ACAlert. Demnach haben drei von vier PTA Angst vor Altersarmut und tatsächlich die wenigsten etwas zurückgelegt. Drei von ihnen haben uns anonym ihre Geschichte erzählt und über das liebe Geld haben wir auch in der neuen Folge WIRKSTOFF.A besprochen – jetzt eine Dosis Podcast holen!

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will, dass die Apotheken neue Dienstleistungen übernehmen können und dass sie, wenn sie die übernehmen, auch mehr Geld bekommen sollen. Aber Dr. Patricia Ex, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Managed Care (BMC), findet, dass keine Apotheke Bestandsschutz hat – neue Dienstleistungen sind quasi Pflicht.

Was Jens Spahn nicht will, ist ein Rx-Versandverbot. Der Gesundheitsausschuss des Bundesrats findet die Idee dagegen gar nicht so schlecht und liefert neue Argumente. Sie können ja ein Gewinnspiel starten, ob sich der Minister noch umstimmen lässt. Von Kollege Altmaier hat er sich ja schließlich auch umstimmen lassen, wie man an der Importquote ablesen kann.

Sollte die Wette mit dem Rx-Versandverbot schief gehen und es bei der halbgaren Boni-Verbotslösung bleiben, die Spahn den Apothekern zuletzt vorgeschlagen hat, bittet die ABDA schon im Voraus um Nachsicht. Ein Deutscher Apothekertag, an dem nur gestritten wird – davon hat doch keiner was. Nach vorne schauen und die Seriosität der Institution DAT nicht gefährden. In diesem Sinne: Schönes Wochenende!