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Apotheker müssen Verzicht lernen Alexander Müller, 09.03.2019 07:15 Uhr

Berlin - 

Fastenzeit, Zeit der inneren Einkehr, Zeit des Verzichts. Und überall im Land fragen sich Apotheker, worauf sie eigentlich noch alles verzichten sollen. Gute Vorschläge kommen von allen Seiten: Kunden, Kassen, Kommission.

Zum Beispiel die Sache mit der Gleichpreisigkeit, darauf könnten die Apotheker doch wirklich verzichten. Und zwar nicht bis zu den Osterglocken, sondern dauerhaft, findet die EU-Kommission. Das tun sie offiziell zwar schon seit dem EuGH-Urteil im Oktober 2016 (und de facto schon länger). Aber in Brüssel findet man, dass jetzt auch der deutsche Gesetzgeber verzichten soll.

Und um dem ganzen offiziell Nachdruck zu verleihen, wurde das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland jetzt wieder aufgegriffen. Just in dem Moment, als die Regierung sich anschickt, endlich auf den Spruch aus Luxemburg zu reagieren. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sucht einen Weg aus der Boni-Falle und bekommt von der Kommission den Hinweis, wo es nicht lang geht. Die einen sehen darin einen Warnschuss, die anderen nehmen es gelassener. Was soll den passieren? Eine Klage und dann noch ein EuGH-Urteil?

Jedenfalls bringt das Schreiben aus Brüssel neue Würze in das ohnehin schon spannende Gesetzgebungsverfahren. Was plant Spahn mit den Apothekern? Geht die seit zweieinhalb Jahren tobende Narrenzeit bei der Boni-Ungleichheit weiter? Bekommen die Apotheker zum Ausgleich Kamelle in Form einer Honorarerhöhung? Oder beginnt jetzt die bittere Fastenzeit? Von der ABDA war gestern nichts zu hören. Sogar die eigenen Leute werden ungeduldig: Der Hessische Apothekerverband verlangt eine sofortige Stellungnahme. Aber Berlin hatte frei wegen Weltfrauentag.

Dabei ist ja in der Apotheke eigentlich jeden Tag Frauenkampftag. Jeden Tag kämpft das überwiegend weibliche Personal gegen und mit der Unbill des Systems, krakeligen Arztklauen, klauenden Kunden oder Kassen und noch ausreifender Sicherheitstechnik. Ohne Frauen läuft in der Offizin: nichts. Manche Inhaberin ist von Frauenpower so überzeugt, dass sie auf eine Frauenquote von 100 Prozent setzt.

Von solchen Quoten ist die Industrie noch weit entfernt. Aber auch auf Managementebene gibt es heute sehr viele erfolgreiche Frauen. Ob OTC-, Pharma- oder Generikahersteller, Mittelständler oder Weltkonzern: Ein Blick in die Pharmabranche zeigt, dass wichtige Positionen oft weiblich besetzt sind. Diese Managerinnen sollten Sie kennen! Und fünf von Ihnen können Sie in unserem Podcast zuhören.

Zurück zur Fastenzeit: Was passiert, wenn Apotheker oder PTA Verzicht darin üben, die Packungen im Zuge der Abgabe aus dem Securpharm-System auszutragen? Die ernüchternde Antwort: eigentlich nichts. Daten nicht ausgebuchter Packungen werden automatisch ein Jahr nach Ablauf des Verfalldatums aus dem Securpharm-System ausgebucht. Womöglich ist die NGDA-Datenbank demnächst voll mit längst abgegebenen Zombi-Packungen. Allerdings wird die Aufsicht ein Auge darauf haben, dass Securpharm auch in den Apotheken ordnungsgemäß umgesetzt wird. Sind ja nicht im Karneval.

Würden Versandapotheken öfter auf Versandkosten verzichten, wäre der Einkauf bei ihnen für die Kunden auch viel lukrativer. Aber so? Die E-Commerce-Plattform Mydealz hat 100 Versandapotheken verglichen: Die Branchenführer haben Lücken im Sortiment. Und vor allem wegen der Versandkonditionen zahlen die Schnäppchenjäger oft drauf. Asche auf euer Versenderhaupt.

Kassenchefs sind keine Großmeister im Fasten. Müssen sie aber auch nicht. Man kann ja notfalls bei den Chefgehältern ein bisschen tricksen, damit sie nicht zu üppig aussehen. Und wer jetzt sagt, die Kassenchefs würden im Vergleich zu anderen Managern gar nicht so viel verdienen, hat recht und kann sich fragen, an welchem Ende er gerne anpacken würde.

Der Ärger über „die da oben“ sollte Leistungserbringer an der Basis aber nicht auf dumme Gedanken bringen. In diesem Fall ist aber offenbar genau das passiert: Die Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen (ZBVKG) hat gegen einen Apotheker aus Frankfurt und zwei seiner Kunden beim Landgericht Frankfurt Anklage wegen gewerbsmäßigen Betruges erhoben. Er soll Rezepte über hochpreisige Medikamente wie Exjade, Ferriprox, Desferal, Humira, Betaferon und Privigen abgerechnet haben, obwohl die Medikamente nicht an die Versicherten abgegeben wurden. Und dieser Eso-Arzt bekommt auch bald wieder Ärger, weil er vielleicht ein bisschen zu viel vom Weltraum verseht. Lieber verzichten.

Worauf Hersteller nie verzichten können, das ist die Empfehlung in der Apotheke. Aber wer hat bei Apothekern und PTA die Nase vorn? Bei der großen Erkältungsstudie von APOSCOPE wurden mehr als 500 Mitarbeiter aus der Offizin befragt. So viel sei verraten: Der Switch hin zum Medizinprodukt wird von den HV-Fachleuten nicht so gern gesehen.

Und jetzt wünsche ich allen, heute besonders den Leserinnen, ein schönes Wochenende. Und übertreiben Sie es mit dem Fasten nicht. „Es ist besser zu genießen und zu bereuen, als zu bereuen, dass man nicht genossen hat.“ (Giovanni Boccaccio)