ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Apotheke darf nicht schließen

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Berlin -

20. Dezember, es geht auf Mitternacht zu, doch die Schlange vor der Apotheke will einfach nicht kürzer werden. Drinnen steht Inhaber Frank seit rund 16 Stunden hinter dem HV-Tisch. Er ist so erschöpft, dass er sich immer wieder mit der Stirn gegen die Plexiglasscheibe lehnt. Aufhören kann er nicht, die Patienten müssen versorgt werden. Und warum ist er ganz allein im Handverkauf? Weil Corona ist und sein Team überall gebraucht wird. Das ist der Preis der eigenen Kompetenz.

Da ist zum Beispiel PTA Michael. Der steht am umfunktionierten Lieferanteneingang unter einem Pavillon und verteilt FFP2-Masken. Einen Vorrat von 15 Stück soll jeder Corona-gefährdete Patient zu vergünstigten Preisen bekommen. Ehrensache, dass die Apotheken bei der Ausgabe helfen. Ehrensache, mal wieder.

Seine beiden Kolleginnen Jutta und Tanja sind im Impfzentrum im Einsatz. Sie sorgen dafür, dass der Corona-Impfstoff aufbereitet. Klar, wer könnte das besser als PTA? Und ihr Chef konnte ihnen die Bitte auch nicht abschlagen, sich hier zu engagieren. Erstens weil sie an etwas Historischem unmittelbar teilhaben wollten und zweitens, weil der im Zentrum gebotene Stundenlohn aus einem durchschnittlichen Apotheken-Betriebsergebnis nicht zu finanzieren ist. Also sind die beiden freigestellt. (Und sie werden ihrem Chef sicherheitshalber nicht berichten, was die Ärzte in den Impfzentren verdienen.)

Eigentlich könnte die Apothekerin mit Mitinhaberin Tamara im Handverkauf aushelfen. Aber sie hat sich zur Impfapothekerin fortbilden lassen. Und jetzt wurde endlich endlich der Grippeimpfstoff geliefert, von dem Minister Spahn schon so lange spricht. Also wurde schnell die interessierten Kunden abtelefoniert und zum Pieks ins Beratungszimmer bestellt. Besonders gefreut hat sich die Apothekerin, dass „ihr“ Hausarzt höchstpersönlich aufgetaucht ist, um sich von ihr impfen zu lassen. Hat sich gleich mit einer Spritze revanchiert, so geht heilberufliche Zusammenarbeit.

Warten wir einen Monat ab und sehen, was die Realität uns bringt. Fest steht, dass die Apotheker in diesem Jahr so gefragt und gefordert sind wie lange nicht. Bis 27 Millionen Menschen dürften Anspruch auf FFP2-Masken haben. Und der Großhandel soll die bis zu 400 Millionen Masken irgendwie beschaffen. In Bremen hat die Verteilung die Apotheken schon auf eine harte Probe gestellt – sie haben sie gemeistert.

Was die Warteschlangen betrifft – die gibt es tatsächlich schon vor Apotheken. Und die Inhaber sind kreativ darin, Lösungen zu finden. Zwischenzeitlich stand im Raum, dass weniger im Raum stehen dürfen. Aber die Flächenregel – nur ein Kunde pro 20 Quadratmeter – gilt nur für größere Betriebe, die Apotheken müssen sich hier also nicht umstellen. Doch die verschärften Regeln, auf die sich Bund und Länder verständigt haben, werden trotzdem auch in der Offizin wirken – und sei es nur im Kundengespräch. Mal sehen, wie sich die Lage nach dem Jahreswechsel entwickelt hat.

Bis dahin bleibt den Apotheken zumindest ein Ärger erspart: Erfreulich nachgiebig zeigen sich nämlich die Kassen – zumindest die meisten – bei den DJ-Rezepten. Retaxationen soll es bis Ende des Jahres nicht geben.

Aber es wird wohl auch 2020 kein ApoRetrO geben, in dem es nicht auch Verhalten der Kassen zu beklagen gäbe. In diesem Fall sind es die AOK Hessen und AOK Sachsen-Anhalt, die erneut mit ihrem Umsatzsteuer-auf-Herstellerrabatte-Spleen kommen. Das Thema ist fraglos komplex, aber es gibt einen Hinweis: Alle anderen gut 100 Kassen sehen das Verjährungsproblem nicht. Mein Appell an die AOK: Hört auf, unser Geld zu verbrennen.

Immerhin bekommen die Apotheken einen neuen Zufluss: Der Bundesrat hat das Apothekenstärkungsgesetz durchgewinkt und damit das Honorar für pharmazeutische Dienstleistungen. Und das Botendiensthonorar ist sogar schon da. Wie es dem ebenfalls beschlossenen Rx-Boni-Verbot ergehen wird, bleibt abzuwarten.

Kein gutes Zeugnis bekommt Gesundheitsminister Jens Spahn von den Teams in den Apotheken für sein Impfstoffmanagement ausgestellt. Die Verteilung der Nationalen Reserve war nicht gut vorbreitet. Und wie die Ärzte jetzt direkt beziehen können, befürchtet eine Apothekerin aus Bayern, auf ihren Bestellungen sitzen zu bleiben – wenn sie denn endlich kommen. Bereits Anfang November hat das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) den Reserveimpfstoff Vaxigrip Tetra in französischer Aufmachung freigegeben. Nur Ware ist seitdem in den Apotheken nicht angekommen. Das soll sich jetzt endlich ändern.

Auch bei der Noweda ändert sich in diesem Jahr etwas: Über 30 Jahre wurde wie selbstverständlich eine Dividende von 11 Prozent ausgeschüttet. Doch Amazon, AvP und der Gesetzgeber sind die dunklen Wolken, auf die Noweda-Chef Dr. Michael Kuck bei der Generalversammlung wies. Also werden die Sonnenstühle vom Deck geholt und die Ausschüttung ein bisschen gestutzt. 8,5 Prozent können sich immer noch sehen lassen – auch wenn Kucks DAX-Vergleich ein hinkender ist, weil Genossenschaftsanteile nicht mit Gewinn zu Geld gemacht werden können.

Ein anderer interessanter Moment des Online-Klassentreffens bei der Noweda war die Nachfrage eines Mitgliedes: Warum denn die Sanacorp nicht mitmachen würde beim Zukunftspakt. Das müsse man die Sanacorp fragen, so Kuck; möglicherweise nicht über-überrascht. Und: Die Tür stehe ja immer offen. Und all das in Zeiten, in denen Gehe in AHD aufgeht – mit Folgen für die Initiative Pro AvO – und Phoenix sich mit Linda aussöhnt. Der Plattformmarkt wird in den nächsten Monaten einige Bewegung erfahren. Schon wegen DocMorris: Der Marktplatz wird gepflastert und Apotheker zum zweiten Mal unter das grüne Kreuz gelockt, das jetzt herzförmig ist. Schönes Wochenende!

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