Medikamentenabhängigkeit

Medikamentenabhängigkeit: Wie sie entsteht und was dagegen getan werden kann

Berlin -

Schätzungsweise 1,5 Millionen Deutsche sind medikamentenabhängig. Bei dieser Art von Suchtverhalten entwickeln Betroffene fernab symptomatischer Erscheinungen das Verlangen, bestimmte Arzneimittel zu sich zu nehmen. Das Tückische an der Medikamentensucht: Sie hat einen schleichenden Verlauf und wird oftmals spät erkannt. Der nachfolgende Artikel erläutert die Ursachen und Therapiemöglichkeiten der Medikamentenabhängigkeit.

Ursachen medikamentöser Abhängigkeit
Bereits nach einer vier- bis sechswöchigen Einnahme eines Arzneimittels kann sich eine Abhängigkeit einstellen. Besonders gefährdete Risikogruppen existieren laut Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchterkrankungen nicht. Vielmehr finden sich Medikamentenabhängige in allen Altersgruppen wieder. Als ursächliche Faktoren für eine Medikamentenabhängigkeit gelten:

  • Einschneidende Lebensereignisse wie der Tod eines Angehörigen, Arbeitslosigkeit oder chronische Schmerzen. Aufgrund dieser Erlebnisse rutschen Betroffene in die medikamentöse Sucht.
  • Genetische Aspekte sowie ein in der Familie verbreiteter Medikamentenmissbrauch begünstigen das Entwickeln einer Sucht.
  • Eine Selbstmedikation mit frei verkäuflichen Arzneimitteln kann in die Medikamentensucht führen.
  • Iatrogene Medikamentensucht beginnt mit den vom Arzt verschriebenen Medikamenten. Betroffene nehmen Arzneimittel länger als ärztlich angeordnet ein, um Symptome zu behandeln.


Welche Arzneimittelgruppen Suchtpotential mitbringen
Etwa 5 Prozent der handelsüblichen Arzneimittel können süchtig machen. Die nachfolgenden Substanzgruppen bringen aus medizinischer Sicht das größte Suchtpotential mit.

Gruppe der Schlaf- und Beruhigungsmittel (Beispiel Benzodiazepine):
Dazu gehören entspannende, angst- und krampflösende Medikamente wie Diazepam, im zentralen Nervensystem wirkende Benzodiazepine oder Zolpideme. Auch Medikamente wie Travor mit dem Wirkstoff Lorazepam entfalten ein hohes Abhängigkeitspotential. Mediziner raten dazu, alle Arten der Beruhigungs- und Schlafmittel kurzfristig und für einen maximalen Zeitraum von vier Wochen einzusetzen.

Barbiturate: Die heute kaum noch bedeutsamen Barbiturate lösen bei Patienten euphorische Zustände aus. Abhängige nehmen diese Substanzgruppe oftmals morgens ein, um den Kreislauf in Schwung zu bringen.

Opioide und Opiate:Opioide kommen bei chronischen oder starken Schmerzen zum Einsatz. Eine falsche Dosierung oder Anwendungsdauer begünstigt Dauerkopfschmerzen und diverse Entzugserscheinungen.

Psychostimulanzien: Appetitzügelnde und antriebssteigernde Psychostimulanzien werden von vielen Patienten als „alltagsdopende“ Mittel leichtfertig verwendet. Sofern Betroffene die verschreibungspflichtigen Medikamente wie verordnet einnehmen, entwickelt sich meistens keine medikamentöse Sucht. Kritisch stufen Ärzte und Apotheker jedoch den Gebrauch von Aufputschmitteln ein, zu denen Sportler greifen. Häufig wenden diese die Substanzen missbräuchlich zur erhöhten Leistungsfähigkeit an. Während des Entzugs treten unruhige Zustände, Müdigkeit oder schwere Depressionen auf.

Studien zufolge hören Betroffene mit psychologischer Unterstützung eher auf, Medikamente missbräuchlich einzunehmen. Pixabay.com © jarmoluk (CC0 Creative Commons)

Abführmittel: Häufig nutzen Patienten Laxanzien, um Gewicht zu verlieren oder um Obstipation zu lindern. Aus dieser Situation entsteht oft eine Sucht, welche die Beschwerden im Magen-Darm-Trakt verschlimmert.

Folgen der Arzneimittelsucht
Die Sucht nach medikamentösen Substanzen bringt laut NRD-Ratgeber schwerwiegende Folgen mit sich. Durch die verminderte Reaktionsfähigkeit besteht eine erhöhte Unfallgefahr im Straßenverkehr. Weiterhin können Sprachfähigkeit und Gleichgewichtssinn eingeschränkt sein. Eine fortgeschrittene medikamentöse Sucht kann zu Atemlähmungen oder Organschäden führen. Abgesehen von den körperlichen Nebenwirkungen treten psychische Störungen wie Desinteresse, Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Ängste auf.

Medikamentöse Abhängigkeit mithilfe der „4-K-Regel“ behandeln und vorbeugen
Der therapeutische Prozess, um medikamentöse Abhängigkeit zu behandeln, gestaltet sich langwierig. Am Beginn der Behandlung steht der Entzug. Die jeweilige Substanz wird mithilfe des begleitenden Arztes schrittweise reduziert. Den nächsten Schritt bildet die Stabilisierungsphase. Hierbei lernen Patienten oftmals unter psychotherapeutischer Anleitung, alternative Beruhigungsmethoden anzuwenden.

Um medikamentöser Sucht vorzubeugen, ist ein verantwortungsvoller Umgang mit Arzneimitteln gefragt. Erste Hilfe bei fortschreitenden Problemen leisten Suchtberatungsstellen und die behandelnden Ärzte. Letztere sollten ihre Patienten gemäß der „4-K-Regel“ behandeln. Der Grund der Einnahme ist stets durch klare Indikation zu überprüfen. Ebenfalls ist die kleinste Dosis über den kürzest möglichen Zeitraum zu wählen. Und zuletzt: Kein schlagartiges Absetzen, stattdessen langsames Ausschleichen des Medikaments.

Verantwortlich für den Inhalt ist Frau Julia Himmel.