Rassismus-Vorwurf

Mohren-Apotheken sollen Namen ändern Silvia Meixner, 25.01.2018 15:17 Uhr

Berlin - 

Schock für zwei Frankfurter Apotheker: Gerade mussten sie in der Frankfurter Rundschau (FR) lesen, dass die Kommunale Ausländer- und Ausländerinnenvertretung (KAV) massive Kritik an ihren Unternehmen übt. Sie hat die Stadtverordnetenversammlung aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass rassistische Bezeichnungen und Logos aus dem Stadtbild entfernt werden. Die beiden Mohren-Apotheken zählen aus Sicht des KAV dazu.

Betroffen sind die Eschersheimer Mohren-Apotheke und die Zeil-Apotheke zum Mohren nahe der Konstabler Wache in der Innenstadt. Apotheker Alexander Schwartz, Inhaber der Zeil-Apotheke zum Mohren, sagt: „Mit mir hat von offizieller Seite niemand gesprochen. Meine Apotheke befindet sich in einem denkmalgeschützten Haus. Es wurde im Jahr 1900 erbaut, seitdem steht ‚Zum Mohren‘ an der Aussenfassade. Selbst wenn ich wollte, könnte ich den Schriftzug aus Denkmalschutzgründen nicht entfernen.“

Als er mit seiner Zeil-Apotheke im vergangenen Jahr umzog, kombinierte er die beiden Namen. „Ich habe viele internationale Kunden, noch nie hat jemand sich wegen des Namens beschwert.“ Ganz selten fragten Kunden sachlich nach, die Erklärung leuchte ihnen ein. Auch nach der Geschichte in der FR blieb die Lage ruhig. „Das ist bei uns kein Aufreger.“

„Wenn ich gefunden hätte, dass es sich um ein rassistisch belastetes Haus handelt, wäre ich nicht als Mieter eingezogen“, sagt Schwartz. Er könnte sich zwar vorstellen, „bei großem Widerstand“ den Zusatz „zum Mohren“ auf dem Fassadenschild zu entfernen. Aber lösen würde es das Problem nicht. „Ich glaube nicht, dass der Denkmalschutz sich umstimmen lässt.“ Kurzum: „Ich sehe keinen Handlungsbedarf.“

Die zweite Apothekerin, die sich unversehens an den Pranger gestellt fühlt, ist Karin Schweizer aus der Eschersheimer Mohren-Apotheke. Gegenüber der FR bezeichnete sie den Vorgang als „befremdlich“. Die Migrantenvertretung habe sie nicht kontaktiert. Die in den 60er-Jahren eröffnete Apotheke trage ihren Namen schon sehr lange, es sei ein bundesweit häufiger, traditioneller Name für Apotheken.

Als sie das Unternehmen vor rund 20 Jahren übernahm, habe sie den Namen mit übernommen und bisher keine Notwendigkeit gesehen, ihn zu ändern. Das Logo zeige den Kopf eines Menschen mit schwarzer Hautfarbe, er trägt Turban und Ohrring. Sie habe es, so Schweizer, fast überall entfernt. Eine Namensänderung sei aufwendig und teuer, aber sie sei grundsätzlich gesprächsbereit, wenn Interesse daran bestehe, dass der Name geändert werden solle.

„Rassismus muss aktiv entgegnet werden“, verkünden die Mitglieder des KAV in einer Pressemitteilung. „Viele Menschen sind noch immer der Auffassung, dass Rassismus ‚mit der Zeit‘ verschwindet oder dass das friedliche Zusammenleben vieler Kulturen den Rassismus ‚automatisch‘ auflöst. Dem ist aber nicht so. Viele Vorkommnisse der letzten Zeit zeigen deutlich, dass ein unterschwelliger Rassismus in weiten Teilen der Gesellschaft weiter unvermindert vorhanden ist.“

Ihre Kritik an den Frankfurter Mohren-Apotheken: „Es ist leider immer noch so, dass in Deutschland Begriffe verwendet werden, die mittlerweile eindeutig einen rassistischen Kontext haben. So auch im Falle von zwei Apothekennamen in der Stadt. Der Antrag ist bereits der Stadtverordnetenversammlung vorgelegt.“

An der Vorgehensweise der KAV und dem Umstand, dass die betroffenen Apotheker überrumpelt wurden, kann deren Geschäftsstellenleiter Thomas Usleber keinen Fehler oder mangelndes Fingerspitzengefühl erkennen: „Der Antrag ist am 15. Januar in unserem Gremium verabschiedet worden, er wurde danach der Stadtverordnetenversammlung vorgelegt.“

Voraussichtlich Anfang März soll die Stadtverordnetenversammlung das Thema diskutieren und anschließend die weitere Vorgehensweise festlegen. „Bezeichnungen wie Mohren-Apotheke sind seit Jahren ein Thema. Es ist der Lauf der Zeit, dass Ausdrücke beleidigend werden können. Man hat sich früher nicht so viele Gedanken darüber gemacht.“

Der Antrag wurde innerhalb des KAV von Virginia Greiner von Verein Maisha, einer Selbsthilfegruppe afrikanischer Frauen in Deutschland, eingebracht. Sie sagt: „Ich bin eine schwarze Frau, ich fühle mich durch die Bezeichnung Mohren-Apotheke angegriffen. Ich muss das nicht erklären und ich muss mich nicht rechtfertigen. Mehrere Leute haben sich bei uns darüber beschwert.“ Wer das war, möchte sie nicht sagen. Sie sagt: „Der Begriff ‚Mohren-Apotheke‘ wurde nicht von Afrikanern benutzt, unser Ziel ist nicht Streit, sondern wir wollen aufmerksam darauf machen, dass das Logo nicht mehr zeitgemäß ist.“ Auf die Frage, warum die Apotheker nicht vorab über die Kritik informiert wurden, sagt sie: „Vielleicht wäre es besser gewesen, wir hätten diesen Weg genommen.“

Bundesweit gibt es 88 Mohren-Apotheken. Eine davon gehört Peggy Adler im sächsischen Radeberg. Sie sagt: „Bei uns hat sich noch nie jemand über den Namen beschwert.“ Sie sieht deshalb keinen Anlass, den Namen ihres Unternehmens zu ändern.

In der Wiener Innenstadt betreibt Teresa Marosi die Mohren-Apotheke. Sie erklärt: „Sie wurde im Jahr 1350 eröffnet, damals bestand zur Bezeichnung ein positiver Bezug, denn der Mohr, nach dem sie benannt wurde, war ein heilkundiger Äthiopier, dessen medizinische Kenntnisse am Kaiserhof besonders geschätzt wurden.“ Im Gründungsjahr hieß die Apotheke „Zum schwarzen Äthiopier“, später „Apotheke zum schwarzen Mohren“. Maximilian Korwill, Marosis Urgroßvater jüdischer Abstammung, kaufte die Apotheke im Jahr 1901.

Beschwerden gab es bezüglich des Namens noch nie, gelegentlich fragen Kunden sachlich nach der Geschichte. Dann erzählt Marosi gern. „Ich kann die Fragen nachvollziehen, denn es ist ein heikles Thema.“ Doch nicht jeder Kunde möchte sachlich diskutieren. „Einmal kam ein Mann herein, der sagte, er würde in so einer kolonialen Einrichtung nichts kaufen. Er drehte sich um und ging.“

Ein skurriler Aspekt der Diskussion: In Bremen eröffnete der Apotheker Bethel Henry Strousberg im Jahr 1910 die Mohren-Apotheke und ließ einen etwa 120 Zentimeter großen, damals sogenannten „Mohr“ an der Gebäudeecke der ersten Etage anbringen. Die Website „Bremen-History“ erklärt das so: „Warum musste es ein Mohr sein? Nicht, dass Apotheker Kaufmann irgendwelche Hintergedanken gehabt hätte, er schloss sich nur dem allgemeinen Trend an. Fast in jeder Stadt gab es eine Mohren-Apotheke, Hotels wurden ‚Zum Mohren‘ benannt, viele Städtewappen zeigten einen Mohren. ‚Mohren‘ war das mittelhochdeutsche Wort für das afrikanische Volk der Mauretanier, aus dem sich im Laufe der Zeit das Wort ‚Mauren‘ entwickelte.“

Doch spätestens seit Ende des 19. Jahrhunderts bekam das Wort Maure oder Mohr eine abwertende Bedeutung. „Deutschland betrachtete sich um die Jahrhundertwende als eine aufsteigende Kolonialmacht. Mit mörderischem Einsatz unterwarfen die Statthalter in den Kolonien die einheimische afrikanische Bevölkerung. Der Mohr hatte Jahrhunderte lang eine guten Ruf gehabt. Jetzt war aus ihm ein ‚primitiver Neger‘ geworden. Heute ist das Wort Mohr nicht mehr zeitgemäß. Es muss als eine veraltete und beleidigende Bezeichnung für einen Menschen mit schwarzer Hautfarbe betrachtet werden.“

Im September 2008 machten Unbekannte mit zwei zusätzlichen Strichen über dem „O“ aus der Mohren-Apotheke die Möhren-Apotheke. Auf den Hauswänden fanden sich mit Acrylfarben aufgemalte Karotten. Der Apotheker war über diese und weitere darauf folgende Schmierereien dermaßen erzürnt, dass er erst aus der „Mohren“-Apotheke durch Entfernung des ersten Buchstabens die Ohren-Apotheke machte und diese 2009 schloss.