Kommentar

Rote Karte des BMJV: Was nun, Herr Spahn? Lothar Klein, 16.05.2019 15:32 Uhr

Rote Karte: Das Apothekenstärkungsgesetz von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wird vom Bundesjustizministerium abgelehnt. Wie geht es weiter? Foto: Andreas Domma
Berlin - 

Wenn in der Politik alle an einem Gesetzentwurf herummeckern, hat der Urheber normalerweise Vieles richtig gemacht. Auf das Apothekenstärkungsgesetz trifft diese Binsenweisheit offenbar nicht zu. Die ABDA kritisiert die Rechtsunsicherheit des von Spahn versprochenen Rx-Boni-Verbots im SGB V, die Kassen wollen für zusätzliche Leistungen der Apotheker nicht tiefer in die Tasche greifen und die Ärzte die Apotheker nicht impfen lassen. Mit alle dem hätte Spahn noch fertig werden können. Jetzt aber zeigt das SPD-geführte Bundesjustizministerium die rote Karte. Was nun, Herr Spahn, wie geht es mit dem Schlamassel weiter, kommentiert Lothar Klein.

 

Schon das von Ex-Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vorgelegte Rx-Versandverbot-Gesetz hatten die Verfassungsressorts der Bundesregierung wegen vielfältiger rechtlicher Probleme abgelehnt. Jetzt ergeht es Spahns Apothekenstärkungsgesetz nicht besser. Das war absehbar. Man muss kein Europarecht-Spezialist sein, um die rechtlichen Zweifel nachvollziehen zu können. Wenn es durch einen einfachen, nationalen Verschiebebahnhof mögliche wäre, Europarecht auszutricksen, könnte alle Mitgliedsländer machen, was sie wollten. Die EU wäre Makulatur.

So gesehen kommt die rote Karte aus dem Justizministerium mit Ansage. Das wusste wohl auch Spahn. In seinem Brief an die EU-Kommission hat er nicht ohne Grund nur auf die Streichung des § 78, Absatz 1, Satz 4 des Arzneimittelgesetzes verwiesen. Von der beabsichtigten Regelung im Sozialgesetzbuch war nicht die Rede. Das lässt ihm neue Wege offen. Aber die Sache ist vertrackt.

Normalerweise gelten Gesetzesvorschläge als aussichtslos, wenn ein Verfassungsressort dagegen schwere Bedenken geltend macht. Im Fall des Apothekenstärkungsgesetzes soll dem Vernehmen auch das Bundeswirtschaftsministerium bereits sein Nein signalisiert haben. Zwar ist Spahn zuzutrauen, das Apothekenstärkungsgesetz dennoch durchs Kabinett zu peitschen. Spätestens im weiteren parlamentarischen Verfahren müsste die SPD das Werk stoppen.

Zurück auf Null also? Fast drei Jahre nach dem EuGH-Urteil steht die Suche nach einer Antwort vor dem Neustart. Für die ABDA steht damit die Wiedergeburt der Rx-Versandverbotforderung auf dem Programm. Nimmt sich die ABDA selbst und ihre Beschlüsse ernst, müsste sie ihre alten Rx-VV-Fahnen und roten Karabinerhaken wieder unter dem Jubel der Hardliner im Apothekenlager aus der Mottenkiste holen. Die Erfolgsaussichten wären ebenso gering wie zuvor.

Realitätszugewandter wäre es, wenn ABDA-Präsident Friedemann Schmidt endlich seine Moderatorenrolle aufgäbe und sich und die Apothekerschaft ehrlich machen würde. Im letzten Dezember präsentierten Spahn und Schmidt der ABDA-Mitgliederversammlung einen politisch realistischen wie rechtlich umsetzbaren Alternativvorschlag – allerdings mit schwer zu schluckenden „Kröten“: Ohne Rx-Versandverbot und schlimmer noch ohne Sicherung der vielbeschworenen Gleichpreisigkeit. Mit ihrem Gleichpreisigkeitsschwur hat sich die ABDA selbst die Hürde so hoch gebaut, dass der Sprung darüber schmerzhaft sein muss. Aber der Sprung muss erfolgen und Schmidt muss vorangehen, weil es keine andere politische Lösung gibt. Rx-VV und Gleichpreisgkeit sind nach Lage der Dinge verloren.

Schon vor zwei Jahren lag eine Idee auf dem Tisch, die jetzt wieder auf den Tisch kommen wird: Alle Apotheken dürfen Rx-Boni im Umfang der von Bundesgerichtshof gezogenen Bagatellgrenze gewähren. Damit ließen sich vielleicht Rx-Boni der ausländischen Versender einbremsen. Und die inländischen Apotheken könnte die Chance neuer pharmazeutischer Dienstleistungen ergreifen. Einen Versuch wäre es wert. Die weitere Alternative müssten die Apotheker wirklich fürchten: Spahn zieht das Gesetz zurück, es gibt kein Geld für zusätzliche Leistungen und die EU-Versender könne ihre Boni-Politik ungebremst fortsetzen. Es bleibt nur die Wahl zwischen Pest und Cholera.