Lieferprobleme

AOK: Apotheken sollen Vorräte melden APOTHEKE ADHOC, 08.03.2017 13:40 Uhr

Berlin - 

Die AOK Baden-Württemberg sieht in den Apotheken keine Lieferprobleme: Die Versorgung mit Generika sei „in keiner Weise gefährdet“. Trotzdem fordert die Kasse eine Transparenzoffensive: Für die Hersteller soll eine Lieferpflicht eingeführt werden. Um herauszufinden, wie viel Ware im Markt ist, sollen außerdem Apotheken und Großhandel ihre kompletten Bestände melden.

Dass Lieferengpässe kein Problem seien, bestätigen die Apotheker laut AOK selbst: Bei lediglich 0,6 Prozent aller 2016 zulasten der Krankenkassen abgerechneten Arzneimittel hätten Apotheken ein Lieferversagen des Herstellers dokumentiert und mussten ein austauschbares Arzneimittel abgeben, so die Kasse mit Verweis auf Daten der Gesellschaft für statistische Gesundheitsforschung (GfsG).

Auch eine repräsentative Forsa-Befragung unter 2000 Patienten über 20 Jahren belege, dass die Versorgung mit Generika in den Apotheken „absolut gesichert“ sei. Nur punktuell sei ein Lieferversagen durch die Hersteller festzustellen, wobei die Gründe nicht verifizierbar seien.

Da bei Präparaten ohne Alternative Engpässe kritische Folgen für die Patienten haben könnten, fordert die AOK mehr Transparenz: „Klarheit über die tatsächliche Versorgungssituation wird durch die Blackbox, wie viele Arzneimittel im Markt wirklich vorhanden sind, unmöglich gemacht“, so AOK-Chef Dr. Christopher Hermann. Die Folgen könnten Patienten hautnah zu spüren bekommen. „Deshalb ist eine umfassende Transparenzoffensive überfällig. Das Prinzip der Freiwilligkeit von Defektmeldungen durch die Pharmaindustrie hat versagt.“

Die Beschlüsse der Koalition vom Montag dieser Woche seien ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. „Es muss aber darüber hinaus um gesetzlich sanktionierbare Pflichten und Nachhaltung gehen“, so Hermann. Die Hersteller müssten Lieferprobleme an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) melden. Zusätzlich müssten alle Akteure der Handelskette verpflichtet werden, der Behörde als „Trustcenter“ regelmäßig ihre Lagerbestände zu übermitteln.

Ernste Schwierigkeiten lägen woanders, so das gemeinsame Fazit von AOK, dem Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA), der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft sowie dem SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach. An Kliniken sei die Versorgungssituation deutlich brisanter: Engpässe gebe es vor allem bei Arzneimitteln, die nur für den Klinikmarkt hergestellt werden, darunter viele Lösungen zur Injektion wie Antibiotika, Krebsmedikamente und Anästhetika.

Aus einer vom ADKA aktuell durchgeführten Umfrage bei Krankenhausapothekern mit einer Versorgungsrelevanz von über 30.000 Betten und damit mehr als 6 Prozent der nationalen Krankenhauskapazitäten geht hervor, dass eine bedenkliche Anzahl versorgungskritischer Arzneimittel in Kliniken fehlen. „Insgesamt sind Arzneimittel mit 280 verschiedenen Wirkstoffen nicht verfügbar gewesen, darunter 30, die die jeweilige Klinikapotheke als versorgungskritisch einstuft“, so ADKA-Präsident Rudolf Bernard.

Bei lediglich acht dieser 30 Wirkstoffe hätten die Hersteller einen Engpass an das BfArM gemeldet. Bernard: „Hier werden drei Probleme offensichtlich: Es fehlen für die Versorgung in der Klinik wichtige Arzneimittel, es wird von den Verantwortlichen nicht transparent gemacht und das Ganze hat keinerlei Konsequenzen für die Hersteller. So geht das nicht weiter.“

Für den AkdÄ-Vorsitzenden Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig muss die Erfassung drohender Versorgungsprobleme im Klinikbereich bereits auf Herstellerebene greifen: Da Klinikapotheken direkt einkauften, würden selbst Lieferengpässe bei unverzichtbaren Arzneimitteln in der Regel nicht systematisch erfasst. „Kliniken, Ärzte und insbesondere die Krankenhausapotheker tun ihr Möglichstes, Probleme für die Patienten infolge von Versorgungsengpässen zu lösen, können aber mitunter im Einzelfall heute nicht immer die optimale medikamentöse Therapie anbieten. Die vorgetragenen Zahlen verdeutlichen, dass die Arzneimittelhersteller das Prinzip der Freiwilligkeit bei der Meldung von Liefer- und Versorgungsengpässen ausnutzen, um ihre Lieferfähigkeit zu beschönigen.“

Erst durch die notwendige Transparenz könne die Versorgungssicherheit spürbar erhöht werden – im ambulanten wie im klinischen Bereich, so Lauterbach. „Die aufgezeigten Probleme und ihre Folgen machen ein Handeln der Politik dringend notwendig. Insofern freue ich mich, dass der Bundestag noch in dieser Woche im Falle bekannt gewordener Lieferengpässe eine Meldepflicht von pharmazeutischen Unternehmen an Krankenhäuser beschließen wird. Diesem ersten wichtigen Schritt müssen weitere folgen.“