Flüchtlingsversorgung

Apotheker helfen in Notunterkünften Maria Hendrischke, 03.01.2016 09:39 Uhr

Berlin - 

Dorothee Giese engagiert sich seit zehn Jahren für „Apotheker ohne Grenzen“. Sie war bereits in Sri Lanka, Haiti, Mexiko und Nepal im Einsatz. Nie hätte die Apothekerin gedacht, dass ihre Hilfe einmal in Deutschland benötigt würde. Doch seit August arbeitet Giese in einer Berliner Notunterkunft für Flüchtlinge.

Registrierte Flüchtlinge haben Zugang zur gesundheitlichen Regelversorgung. Doch da die Ämter dem großen Andrang nicht gerecht werden, leben allein in Berlin nach Schätzungen etwa 3000 Geflüchtete, die noch auf ihre Registrierung warten. Ihre medizinische Versorgung wird von Ehrenamtlichen gestemmt.

Giese koordiniert alle Mitglieder von Apotheker ohne Grenzen, die in der Berliner Flüchtlingshilfe ehrenamtlich aktiv sind. Derzeit sind das knapp ein Dutzend. Hinzu kommen 30 weitere Mitglieder, die auf Abruf bereitstehen, wenn eine weitere Notunterkunft Hilfe anfordert. Da jede Aufnahmeeinrichtung anders ist, nimmt sie zudem an Ortsbegehungen teil. Ein wichtiger Aspekt: Gibt es einen abschließbaren Raum?

In diesem Raum richten die Apotheker ohne Grenzen ein provisorisches Medikamentenlager ein. Giese übernimmt diese Aufgabe in der Notunterkunft im ehemaligen Rathaus Wilmersdorf, in der insgesamt 1000 Flüchtlinge leben – sowohl registrierte als auch unregistrierte. Giese arbeitet eng mit den dort tätigen Ärzten zusammen. „Sie nennen mir essentielle Arzneimittel und geben mir Bescheid, wenn sie ein ganz bestimmtes Medikament einsetzen wollen“, berichtet sie. Diese Präparate bezahlt Giese von Spenden an Apotheker ohne Grenzen.

Zu den häufig benötigten Arzneimitteln zählen Antibiotika und Schmerzmittel. Darüber hinaus hält Giese auch Produkte gegen Läuse und Krätze vorrätig. „Solche Krankheiten haben wir in Berlin aber gut im Griff“, sagt sie. In der Notunterkunft Wilmersdorf gebe es wenig Probleme: „Das Rathaus ist keine Turnhalle, sondern hat viele Einzelräume. Daher könnten wir die Flüchtlinge gut isolieren“, erklärt sie.

Jeden Mittwoch geht Giese in die Notunterkunft und sortiert das Lager – händisch, da es kein Computersystem gibt. Am Anfang hat sie das mit zwei weiteren Apothekern gemacht; inzwischen allein. Damit sich die ebenfalls ehrenamtlichen Ärzte mit den Medikamenten auch zurechtfinden, wenn sie nicht da ist, hat sie das Lager nicht alphabetisch, sondern nach Indikationen sortiert. Sie zählt Packungen, prüft Verfallsdaten und gibt Bestellungen auf. „Ich kümmere mich um die Arzneimittellogistik“, fasst sie zusammen. Patientenkontakt hat sie nicht.

Nicht in jeder der knapp 50 Berliner Notunterkünfte hilft Apotheker ohne Grenzen. Je nach zuständiger Hilfsorganisation gibt es unterschiedliche Lösungen. „Oft sind die Apotheken eingebunden, die in der Nachbarschaft einer Unterkunft liegen“, erklärt Giese. Die Organisationen hinterlegen in den Apotheken Geld. Aus diesem Topf bezahlen die Apotheker Medikamente für die unregistrierten Flüchtlinge. Die Ärzte, die in den Lagern behandeln, weisen ihre Patienten auf diese Apotheken hin, wenn sie ihnen ein Rezept ausstellen.

Eigentlich arbeitet Giese in Vollzeit in der Kurmark-Apotheke. Zehn weitere Stunden pro Woche nimmt ihre Arbeit für Apotheker ohne Grenzen in Anspruch, schätzt sie. „Darunter leidet natürlich die Freizeit“, räumt sie ein. Aber: „Ich möchte meine Kompetenzen sinnvoll einbringen.“

Dass die Erstversorgung der Flüchtlinge auf die Gesellschaft abgewälzt werde, ärgert Giese. „Auch nicht-registrierte Flüchtlinge sollten Anspruch auf die medizinische Regelversorgung haben“, fordert sie. „Wir agieren in einer Grauzone ohne rechtliche Sicherheit“, kritisiert Giese. Auch die Finanzierung über private Spenden erschwere die Planung.

Sie fordert, dass der Senat eine Regelung findet. Denn Giese fürchtet, dass es die ehrenamtlichen Helfer langfristig frustrieren könne, wenn ihnen von politischer Seite die Arbeit nicht erleichtert werde. „Das gesellschaftliche Engagement für Flüchtlinge ist überwältigend. Es sollte nicht unter der Politik leiden.“ Sie selbst bemerkt, dass sie langsam müder wird. Mindestens bis zum Frühling will sie aber weiterhelfen.